Rom war ursprünglich ein Bauernstaat, in dem alle Bedürfnisse
des täglichen Lebens aus Leistungen des häuslichen Betriebs gedeckt wurden,
und bis in späteste Zeiten sind im Haus sehr viel mehr Dinge hergestellt
und gearbeitet worden, als der moderne Mensch sich vorstellt. Im Gegensatz
zum freien Bürger Athens in der klassischen Epoche arbeitet der einfache
Römer selbst mit, auch wenn er über eine größere Zahl von Sklaven als
Arbeitskräfte verfügt. Die Zahl der Spezialhandwerke war schon in der
späteren Republik sehr groß, und die rege Bautätigkeit der Metropole,
ihr Luxus, ihr Unterhaltungsbedürfnis ließen immer neue Gewerbe entstehen.
Es gab stets unabhängige Handwerker mit eigenem Laden, eigener Werkstatt,
Lehrlingen und Gesellen; dazu kamen einige oder viele Sklaven. Die Arbeit
war, wo nötig und tunlich, in einzelne Arbeitsgänge aufgeteilt, für die
sich Spezialarbeiter herausbildeten; das ist dann schon die Vorstufe industrieller'
Produktion, die es in einigen Großbetrieben mit vielen Hunderten von meist
unfreien Arbeitern in Rom, in den Städten Italiens, aber auch in den Provinzen
gab.
Der Staat
griff in die Wirtschaftsorganisation und die Lohnzahlung für freie Arbeiter
erst am Ende der antiken Entwicklung ein. Er hat auch nie einen Wirtschaftsimperialismus
in dem Sinne ausgeübt, daß er etwa die Provinzen gezwungen hätte, bestimmte
italische Waren oder gar Warenkontingente abzunehmen. Die Handwerker
und Unternehmer waren frei, schlossen sich aber schon in der Zeit der
Republik vielfach zu Berufsgenossenschaften zusammen; dieser Zug verstärkte
sich in der Kaiserzeit und bot die Ansatzpunkte zur spätantiken Entwicklung,
bei der infolge staatlicher Eingriffe die Handwerksberufe zwangsweise
erblich wurden, während vorher Freiheit in der Berufswahl selbstverständlich
gewesen war, genauso wie die Vererbung des väterlichen Berufs und Betriebs
immer möglich und viel geübt ‑ war.
Wer größere
Arbeiten zu vergeben hatte, wandte sich oft an einen Unternehmer, der
mit seinen Arbeitskräften den Auftrag übernahm. Auch industrielle' Unternehmungen
haben sich oft von derartigen Unternehmern Arbeitskräfte ausgeliehen;
dies Vermieten ausgebildeter Arbeitsteams aus Sklaven galt als ausgezeichnete
Kapitalsanlage. Die in der Industrie' eingesetzten Sklaven waren in
Abteilungen unter Leitung eines technisch versierten Vorarbeiters eingeteilt.
Die Sklavengruppen aus Spezialarbeitern, die aufeinander eingespielt
waren, ließ man möglichst lange (über viele Jahre hinweg) unverändert,
was den Wert und die Arbeitsleistung einer solchen Einheit beträchtlich
erhöhte. In der Regel waren die Belegschaften der Industrie' nicht sehr
zahlreich; die größten Massen von Arbeitssklaven fanden sich in den
Bergwerken und auf den landwirtschaftlich genutzten Latifundien. Solche
Massierungen unfreier Kräfte waren in den Zeiten äußerer Schwierigkeiten
für den Staat, etwa in der Epoche der Kriege gegen Jugurtha, die Cimbern
und die Teutonen, sehr gefährlich, mehrfach mußten damals Sklavenaufstände
blutig niedergeschlagen werden. Es wäre jedoch falsch, daraus auf einheitliche
Willensbildung unter den Sklaven zu schließen oder gar von Aufstand
des Proletariats' zu sprechen, denn die Sklaven waren unter sich vertikal
sehr stark gegliedert (die bessergestellten Sklaven haben mit den untersten
Gruppen niemals gemeinsame Sache gemacht), es fehlte also jedes Klassenbewußtsein.
Außerdem war die verschiedene nationale Herkunft der Sklaven ein Sicherheitselement
für Rom, das mindestens bis in die frühe Kaiserzeit hinein nicht unterschätzt
werden darf. Die Größe und strukturelle Vielfalt des Reiches führten
von Anfang an dazu, daß einzelne Orte oder Gegenden gewisse Gewerbespezialitäten
besonders anzogen und geradezu konzentrierten. In der Kaiserzeit hatte
etwa Rom selbst die führende Stellung in der Produktion von Luxus‑
und Modewaren. Die Eisenindustrie blühte, besonders in Como, Sulmona,
Salerno und Pozzuoli; Eisen wurde auf Elba gewonnen, andere Mineralien
in Spanien, Gallien und Sizilien. Italien stellte auch Bronzewaren,
Tongefäße (die sog. Terra sigillata), Glas und pikante Saucen, Wollwaren (in
Tarent, Parma und Altinum bei Padua), Ziegel usw. her, und die Färbereien
und Tuchwalkereien blühten hier ebenso wie die Schiffswerften und ihre
Zuliefergewerbe in den Hafenstädten. Die besten Gläser kamen zunächst
aus Ägypten, bis die Rheinprovinzen hier in den Vordergrund traten.
Spanien lieferte außer Rohstoffen gehärtetes Eisen und Wolle, und Galliens
Schuhe, Wollprodukte und Wagen genossen ebenso hohe Schätzung wie seine
Metallwaren. Die Bataver produzierten ein vielbegehrtes Haarfärbemittel;
die Liste ließe sich beliebig verlängern. Besondere Bedeutung kommt
den Lieferungen von Heeresbedarf aller Art zu, andererseits ist das
römische Heer auch eine Art Unternehmer insofern, als es nicht nur die vorzüglichen
römischen Landstraßen baut, die alle Teile des Reiches miteinander verbinden,
sondern auch die Ziegel für den regen eigenen Baubedarf und für viele
Bauten der Kaiser herstellt.
Die führende
Gesellschaftsschicht, die Senatoren, verachteten jede Beteiligung an
gewerblicher Tätigkeit als nicht standesgemäß; gesetzlich war ihnen
und ihren Söhnen sogar der Besitz größerer Handelsschiffe untersagt,
so daß sie nur über Mittelsmänner sich beteiligen konnten. Auch die
oberen Gruppen der Ritter, vor allem in Rom selbst, waren in der Hochfinanz
stark engagiert, während Handwerk und Kleinindustrie von den Einflüssen
der oberen Gesellschaftsschichten unabhängig blieben. Ihre Tätigkeit
war auf den Tag und seine Bedürfnisse gerichtet, daher treten sie uns
literarisch außerhalb der Satire wenig entgegen. Nur die gehobensten
Handwerke, die wir heute nicht mehr als solche betrachten, haben uns
selbst Literatur hinterlassen, wofür die Arzte und der Architekt Vitruv
als Beispiele genügen mögen: sie alle sind Schützlinge Minervas.
Vgl. Kulturgeschichte
der Welt. Braunschweig 1963 S. 69 ff.