Das
kaiserliche Rom ist aus einem Bauernstaat herausgewachsen, und bis in
späteste Zeit ist der wirklich Vornehme Landbesitzer. Schon im Verlauf
der späteren Republik bildet sich eine Schicht von Großgrundbesitzern
heraus, die ihr Land von Pächtern und Sklaven bearbeiten lassen, selbst
aber in der Stadt Rom, gelegentlich auf ihren Landsitzen (Villen) wohnen
und von der Rente leben. Für Senatoren war es formelle Vorschrift, daß
ein beträchtlicher Teil ihres Vermögens in Grundbesitz zu bestehen hatte.
Andererseits war Rom das Zentrum des Weltreichs, hier liefen nicht nur
die Straßen Italiens, sondern auch die Schifffahrtslinien des Mittelmeers
zusammen; römisches Kapital war an allen wirtschaftlich interessanten
Stellen des Reichs eingesetzt. Schon um das Jahr 100 v. Chr. war die römische
Kaufleutegruppe auf Delos, damals dem umsatzstärksten Hafen des östlichen
Mittelmeers, reicher und mächtiger als alle anderen. Nach der Zerstörung
von Delos durch Mithradates und die Seeräuber verlagerte sich der örtliche
Schwerpunkt; aber auch in Rhodos, Alexandrien und natürlich in Roms Hafen
Ostia, den dann die Kaiser immer leistungsfähiger ausbauten, spielten
die römischen Handelsherren die erste Rolle. Gehandelt wurde alles, was
die Metropole brauchte, Sklaven aller Art, Lebens‑ und Genußmittel,
Rohstoffe und Fertigprodukte für den einfachen und den gehobenen Bedarf,
Kulturgüter bis hin zu den kostbaren griechischen Kunstwerken bzw. deren
Kopien.
Sehen wir einmal von dem kleinen Handel ab,
der von der Stadt in die nächste Umgebung führt, und vom innerstädtischen
Detailhandel, der bei aller Anpassung an die wechselnden Bedingungen
keiner wesentlichen Änderung unterworfen war, so läßt sich feststellen,
daß der Großhandel in der Kaiserzeit erhebliche Wandlungen durchgemacht
hat. Hier gibt es nur einen ganz festen Posten, das ist die Versorgung
Roms und Italiens mit Getreide. Der Großgrundbesitz Italiens stellte
sich immer mehr auf Weidewirtschaft und Veredelungsprodukte um, vor
allem auf Wein und Ul, so daß die Lebensmittelversorgung Italiens immer
abhängiger wurde von Importen, die in der älteren Zeit aus Sizilien
kamen, später aus Nordafrika und vor allem Ägypten. Dieser Handelszweig
war so wichtig, daß er schließlich kaiserlicher Aufsicht unterstellt
wurde und eigene Beamte mit der cura annonae' beauftragt wurden. Dieser
wie aller Großhandel ging wesentlich über See; die Risiken waren hier
immer beträchtlich, auch nachdem Pompeius das Seeräuberunwesen praktisch
ausgerottet hatte. Kapitalisten' schlossen sich für die Vorfinanzierung
solcher Unternehmen zusammen und partizipierten entsprechend an den
(mitunter sehr hohen) Gewinnen. Solche und ähnliche Vereinbarungen der
großen Kaufleute und Bankiers schloß man im allgemeinen in den dazu
eigens errichteten staatlichen Gebäuden, den Basiliken, großen, gedeckten Versammlungs‑
und Markthallen, deren es in Rom eine ganze Anzahl gab.
In dem Maße, in dem die östlichen Provinzen
in der Kaiserzeit ihren alten Reichtum zurückgewannen und in dem die
westlichen Provinzen zivilisatorisch und wirtschaftlich den Anschluß
an den Standard Italiens fanden, wandelten sich Handelsvolumen und Handelsobjekte,
vor allem aber die Richtung des Handels. Die Ausfuhr italischer Weine,
Öle und Stoffe, auch der pikanten Saucen und Fleischspezialitäten, ließ
nach; mehr gallische und spanische Produkte fanden ihren Weg nach Italien.
Eine Zeitlang läßt der in Jahrhunderten angehäufte Reichtum Roms die
Folgen der grundlegend veränderten Handelsbilanz verschmerzen, eine
Zeitlang versuchen die Kaiser mit staatlichen Mitteln zu helfen, aber
gegen Ende der antiken Epoche ist Italien selbst verarmt. Fast gleichzeitig
haben Änderungen der außenpolitischen Lage des Reiches den Handel empfindlich
getroffen. Solange an Roms Ostgrenze das Partherreich den Fernhandel
mit Indien und China durchließ (und daran gut verdiente), hat Rom aus
dem Fernen und Mittleren Osten eine ganze Reihe von Luxuswaren bezogen,
von den sehr begehrten chinesischen Seidenstoffen bis zu den murrhinischen
Gefäßen' (aus mit Myrrhenharz versetztem Flußspat gearbeitete Gefäße),
für die wahre Phantasiepreise gezahlt wurden; in die Ursprungsländer
ist dafür viel geprägtes Edelmetall abgeflossen. Mit der Gründung des
Neupersischen Reiches 227 n. Chr. auf dem Boden des alten Partherstaates
hört dieser Transithandel schlagartig auf, da die Perser ihre Grenzen
sperrten. Murrhinische Gefäße gab es nun gar nicht mehr ‑ ihr
Ursprungsland war Parthien ‑, Seidenstoffe nur noch auf dem Seewege
über Ägypten oder auf der Nordroute durch Südrußland; das trieb die
Preise so in die Höhe, daß unter Kaiser Aurelian (270‑275 n. Chr.)
der Wert der Seide dem des Goldes gleichstand. Wertmäßig hat sich der
Handel mit dem hohen Norden, von dem man z. B. Pelze und Bernstein bezog,
anscheinend nie mit dem Orienthandel messen können, aber auch der Nordhandel
wurde mit der Zeit der Völkerwanderung immer schwieriger.
Der Großhandel lag in erster Linie in der Hand
der kapitalkräftigen Familien des römischen Ritterstandes; auch Senatoren
beteiligten sich an ihm, jedoch vielfach über Mittelsmänner, da diese
Art des Gelderwerbs als nicht standesgemäß galt. Die mittlere Stufe
des Handels und die mit dein Fernhandel eng verbundenen Gewerbezweige
wie Reedereien und Güterlagerung usw. sind die Domäne der Ritter und
der wohlhabenden Vollbürger. In der Kaiserzeit schließen sie sich zu
Berufsverbänden zusammen, die mit der Zeit zu einer Art staatlicher
Zwangsverbände werden, die mindestens im Bereich der Getreideversorgung
wichtige regulative Aufgaben zu erfüllen hatten. Im übrigen ist der
Handel wie die gesamte Wirtschaft frei von staatlichen Eingriffen in
ihr Gefüge (Einzeleingriffe hat es immer und überall gegeben); erst
die beginnende Spätantike kennt staatliche Preisbindungsverordnungen.
Diese Freiheit des Handels‑ und Wirtschaftsverkehrs im Römischen
Reich hat neben dem Frieden, den das Reich seinen Kerngebieten für Jahrhunderte
zu sichern verstand, entscheidend zum Wiederaufbau der alten Kulturlandschaften
in Kleinasien beigetragen. Nur solche Gebiete, die von Natur arm waren,
wie schon das alte Hellas, blieben im Schatten der wirtschaftlichen
Entwicklung.
Vgl. Kulturgeschichte der Welt. Braunschweig
1963 S. 70 ff.