Franz Stephan von Lothringen im roten Parforce-Jagdrock, um 1723

Franz Stephan von Lothringen im roten Parforce-Jagdrock, um 1723

In: Jagdzeit. Österreichs Jagdgeschichte. Eine Pirsch. Katalog der Ausstellung in der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten vom 28. März 1996 bis 16. Februar 1997. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. 209. – Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1996. 356. 8°. Objekt-Nr.: 3.5, S. 48.

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Leihgeber: Kunsthistorisches Museum (Wien), Gemäldegalerie, 2112
Franz Stephan von Lothringen im roten Parforce-Jagdrock, um 1723

© Kunsthistorisches Museum, Wien


Anonymer Künstler (Österreichischer Hofmaler)
Öl auf Leinwand, 119 x 101,5 cm
Bezeichnet links unten: PRINZ. FRANTZ v LOTHERING
Farbtafel

Herzog Leopold von Lothringen, Sohn des Feldherrn Karl von Lothringen und der Stiefschwester Kaiser Leopolds I., Eleonore, verfolgte schon ziemlich früh eine konsequente Heiratspolitik mit dem Ziel einer neuerlichen Verbindung mit dem Hause Habsburg. Nach dem Tod des Sohnes und Thronfolgers Kaiser Karls VI., Leopold, 1716, und der Geburt von Erzherzogin Maria Theresia am 13. Mai 1717 verstärkte der Herzog seine Bemühungen und bot dem Wiener Hof den Erbprinzen Leopold Clemens als künftigen Gemahl der nunmehrigen Thronerbin an. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde die Entsendung des lothringischen Prinzen zu den böhmischen Krönungsfeierlichkeiten in Prag, 1723, beschlossen. Aber sein Tod im Juni desselben Jahres hätte die "grande affaire de Lorraine" beinahe zum Scheitern gebracht. Doch der Herzog reagierte rasch und sandte seinen jüngeren Sohn, Franz Stephan. Dieser besaß zwar bei weitem nicht die an Leopold Clemens gerühmten glänzenden Eigenschaften, hatte aber, wie sich herausstellen sollte, dafür den großen Vorteil, wie Kaiser Karl VI. ein leidenschaftlicher Liebhaber der Jagd zu sein. Bereits am Tag nach der ersten Vorstellung begleitete er Karl VI. am 11. August auf einer Jagd im Revier Brandeis. Am 12. August schreibt der Kaiser in sein Tagebuch: "Bürst ganzen Tag wie gestern Pr(inz) Lo(thringen) da, herzig 14 Jahre alt" und am 13. August: "Gesperrt Jagd bei Smirof(w) Pr(inz) mit lustig brav schoß." Einige Tage später sichert Karl VI. Herzog Leopold brieflich - aber inoffiziell - die Heirat mit seiner Tochter Maria Theresia zu, die zu diesem Zeitpunkt erst 6 Jahre alt war. Und im Oktober kann der Erzieher und Beichtvater Franz Stephans nach Lothringen melden: "Es scheint, daß man die ganze Republik der Wildschweine ausrotten will! Ich glaube, daß es morgen von Chlumetz wieder nach Prag zurückgeht, wo man bis zur Abreise der kaiserlichen Familie verbleiben wird. Monseigneur speist täglich mit dem Kaiser, der sehr zärtlich zu ihm ist. In Prag sagt man ganz offen, daß er nach Wien gehen wird und dort bei Hof wohnen." Das große Ziel war erreicht. Der einzige Wermutstropfen für Leopold von Lothringen war der Umstand, daß sein Sohn als ständiger Jagdbegleiter des Kaisers seine eigene Erziehung vernachlässigte. In einem Memorandum des Herzogs heißt es dazu: "Die Jagdleidenschaft ist die Quelle vieler Fehler. Sie nimmt einem die beste Zeit weg, während der man sich lieber mit seinen Pflichten und Geschäften befassen sollte. Der Mensch ist nicht nur seinesgleichen, sondern auch Gott gegenüber verantwortlich. Die Jagdleidenschaft schädigt die Bevölkerung, verwüstet die Güter der Erde und all das für ein Tier!" Das nicht signierte und datierte Porträt muß wohl im Auftrag des Kaisers bald nach der Ankunft Franz Stephans am Wiener Hof entstanden sein. Es ist in seiner intimen Auffassung ein sprechendes Zeugnis für das vertraute Verhältnis des lothringischen Prinzen zur kaiserlichen Familie. Die Kleidung entspricht der bei der Parforcejagd. Franz Carl Manns beschreibt sie so: "Als Kleid soll roth, und nit mit Gold sondern mit Silber portiret oder außgemacht seyn ..." Auch nach seiner Heirat betrieb Franz Stephan die Parforcejagd, vor allem auf Hasen, wozu er sich Hunde aus Lothringen kommen ließ. Rechts von ihm auf dem Bild ein Meutehund, der zum Abfangen "auf Sicht" von Hasen und Füchsen verwendet wurde, ein abgefangener Hase ist auch am rechten Bildrand zu sehen. In der linken Hand hält der Prinz eine Steinschloßflinte.


Selma Krasa


Literatur: Österreichisches Staatsarchiv/HHStA, FA SB, Tagebücher Kaiser Karls VI.
Franz Carl MANNS, Die schöne Diana. Göttin der Wälder oder die Beschreibung der Noblen Parforcejagd (Prag 1731), S. 374f.
Fred HENNINGS, Und sitzet zur linken Hand. Franz Stephan von Lothringen, Gemahl der selbstregierenden Königin Maria Theresia und römischer Kaiser (Wien, Berlin, Stuttgart 1961).
Katalog Maria Theresia und ihre Zeit. Zur 200. Wiederkehr des Todestages. Ausstellung in Wien, im Schloß Schönbrunn vom 13. Mai bis 26. Oktober 1980. Red. von Walter Koschatzky (Salzburg 1980), S. 574 (Kat. Nr. 146,04).