Das Forum (119,75 x 95,4 m) beanspruchte eine 1,15 Hektar große Fläche des Stadtgebietes. Davon entfielen allein 5700 mē auf einen mit Steinplatten ausgelegten Hof, der im Süden, Westen und Osten von einem Pfeilergang (porticus) begrenzt war. Hinter der Kolonnade befanden sich an den Längsseiten des Baukomplexes weitläufige, teilweise beheizte Hallen, die wohl Raum für Geschäftslokale (tabernae) geboten haben werden. Stand das Forum im Norden zum Kapitolstempel hin offen, so war es durch einen weiteren Hallenbau im Süden geschlossen. Dabei handelt es sich um die einschiffige, langgestreckte Gerichtsbasilika (12 x 58 m), welche im Westen und Osten in einer Apsis endete. Durch den Scheitel der Apsiden gelangte man wiederum in je einen kleineren Apsisraum. Letztere wurden für Besprechungen und Verhandlungen unter Ausschluß der breiten Öffentlichkeit verwendet. Die Basilika und das Forum waren durch drei repräsentative Eingänge in ihrer Südfront zu betreten. Hier traf auch die von Süden kommende Hauptstraße, der Decumanus Maximus, auf den Forumskomplex. Die Funktion der einzelnen Räumlichkeiten ist mit Ausnahme der Basilika, die als die städtische Gerichts- und Versammlungshalle diente, nicht geklärt. Verglichen mit anderen provinziellen Forumsanlagen, wird man hier jedoch die Amtslokale der Magistrate oder auch Kultstätten für Gottheiten und das Kaiserhaus vermuten dürfen. So stammt beispielsweise ein Altar für den Genius (Schutzgottheit) der Noriker aus einer der westlichen Hallen. Der in der Kurie am Forum residierende Magistrat bestand aus den beiden Bürgermeistern mit Rechtssprechungsbefugnis (duumviri iure dicundo), den Stadträten (duumviri aediles - Markt- und Spielaufsicht, quaestores - Finanzgebarung) sowie dem Stadtsenat (decuriones). Ebenfalls hier zu lokalisieren sind natürlich die Amtsräume der genannten Magistrate samt Schreibstuben und Archivräumen. Auf dem gepflasterten Forumsplatz wurden Wochenmärkte, Kundgebungen und Paraden abgehalten. Der Tempelbezirk, das religiöse Zentrum der Stadt, schloß im Norden an das Forum an und bildete mit diesem eine urbanistische Einheit. Er lag rund drei Meter höher als das Forum und war den obersten römischen Staatsgottheiten der Trias Capitolina (bestehend aus den Göttern Jupiter, Juno und Minerva) geweiht. Auch hier haben wir es mit einem römischen Normbau zu tun, der sich inmitten eines nahezu quadratischen Hofes (71,4 x 73,6 m) auf einem Podium erhob. Der Hof verfügte über einen Lehmstampfboden und war im Westen, Norden und Osten durch eine 5,75 m breite, umlaufende Säulenhalle umgeben. Im Süden dürfte der Tempelbezirk durch eine Reihe auf massiven Sockeln errichteter Ehrenstatuen begrenzt gewesen sein. In der Mitte des Innenhofes erhob sich auf einem drei Meter hohen, 35 m langen und 25 m breiten Podium der Kapitolstempel, von dem jedoch leider nur noch der ursprünglich mit Marmorplatten verkleidete Sockelbereich und die darin eingelassenen Kellerräume (favissae) ergraben werden konnten. Der Aufbau des etwa an die dreizehn Meter hoch aufragenden Kapitoltempels kann jedoch anhand der zahlreich erhaltengebliebenen Forumstempel im Mittelmeerraum (z. B. in der Stadt Pola in Istrien) nachgezeichnet werden. Das Kapitol von Virunum wird als Antentempel rekonstruiert, d. h. es verfügte nur an der Schauseite über eine Säulenstellung. Von der das Forum und den Tempelbezirk trennenden Straße kommend, betrat man zunächst über eine Freitreppe den höherliegenden Tempelbezirk. Von hier aus gelangte man dann über eine weitere, die gesamte Breite des Podiums im Süden einnehmende Freitreppe in die Vorhalle des Tempels. Dabei durchschritt man die Säulenreihe der Tempelfassade. An der Vorhalle angelangt - hier werden sich auch die Zugänge in das Kellergeschoß befunden haben, wo das liturgische Gerät, der Tempelschatz aber häufig auch die Stadtkasse verwahrt wurde - konnte man in eine breitere Mittelcella mit der überlebensgroßen Statue des obersten Gottes Iupiter Optimus Maximus blicken. Links und rechts der Mittelcella wird sich je eine schmälere Cella mit Statuen der Göttin Juno und der Göttin Minerva befunden haben. Westlich des Tempelpodiums wurde noch ein 1,7 m hoher, mit Marmorplatten verkleideter Gußmauersockel (23 x 11 m) ausgegraben, der vielleicht eine Statuengruppe oder einen Altar getragen hatte. Es ist durchaus auch vorstellbar, daß es sich dabei um das Podium eines weiteren, zu einem späteren Zeitpunkt hier errichteten Tempels handelt. Der städtischen Priesterschaft und somit auch dem Kapitolstempel stand der flamen vor. Dieses Amt konnte offensichtlich sowohl von einem Altbürgermeister als auch vom amtierenden Duumvir (Bürgermeister) der Stadt bekleidet werden. Um bei wichtigen Entscheidungen der Stadtregierung auch den Willen der Götter miteinbeziehen zu können, wurden eigens augures und haruspices beschäftigt. Diese priesterlichen Wahrsager hatten die Aufgabe, durch das Studium der Leber von Opfertieren, des Vogelfluges, des Freßverhaltens von heiligen Hühnern oder durch die Blitzschau die Gunst oder die Ungunst der Götter im Bezug auf wichtige städtische Angelegenheiten zu erkunden.
|