Entwicklung Carnuntums Die Reste der römischen Stadt Carnuntum befinden sich heute in den Niederösterreichischen Marktgemeinden Petronell - Carnuntum und Bad Deutsch Altenburg. Das besondere gegenüber anderen römischen Städten ist, daß die römischen Siedlungsbereiche nach einer kurzen Periode im frühen Mittelalter nicht mehr weiter überbaut und zerstört wurden. Darum sind viele Überreste der römischen Stadt auch heute noch in freier Natur zu finden. Carnuntum bestand etwa von Christi Geburt bis zum Ende der römischen Herrschaft in Pannonien. Der Ausgangspunkt der städtischen Entwicklung war das militärische Standlager, welches auch heute noch als vieleckiges Gebilde erkennbar ist. Carnuntum wurde schließlich Hauptstadt der kaiserlichen Oberprovinz Pannonien und verteilte sich über rund 10 km². Der Siedlungsbereich setzte sich aus den militärischen Lagerbereichen und der Zivilstadt zusammen. Die militärischen Bereiche erstreckten sich über die Marktgemeinden Petronell - Carnuntum und Bad Deutsch Alten Burg, während Nachweise für die Zivilstadt hauptsächlich in der Marktgemeinde Petronell - Carnuntum zu Tage traten.
Die Anfänge der Zivilstadt gehen auf das 1.Jahrhundert n.Chr. zurück, ohne einen archäologischen Hinweis auf eine ältere große Siedlung zu liefern. Unter Kaiser Trajan wurde Carnuntum Hauptstadt der Provinz Pannonia superior mit Sitz des Statthalters. Kaiser Hardrian erhob Carnuntum zum Minicipium Aelium Carnuntum und die Stadt erlebte als Hauptstadt bald heftigen Aufschwung. Die Markomannenkriege werden auch in Carnuntum durch eine Brandschicht belegt. Danach erlebt Carnuntum unter den Severern erneut eine Blüte und Septimius Severus erhebt Carnuntum zur colonia. 307 oder 308 n.Chr. fand ein Treffen der Kaiser Diokletian, Maximian, Galerius und Licinus in Carnuntum statt. Zu dieser Zeit wurden in der Stadt sehr viele offizielle Ämter bekleidet. Ab der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts beginnt der wirtschaftliche und militärische Niedergang Carnuntums.
(Becker, G. & Harl, O. 1983. Archäologie in Österreich. )
Reste des Stadtviertels befinden sich im Traun'schen Tiergarten und Schloßbereich. Der Kern der Stadt wurde im 3. Jahrhundert von einer Stadtmauer umgeben. Die Langparzellen im Stadtbereich stehen im rechten Winkel zu den mit Steinplatten gepflasterten Straßen. Auf die Straßenseite hin öffnen sich die Geschäftslokale. Nach hinten sind dann die Wohnräume der Häuser angegliedert. Rekonstruktionen von Wohnhäusern im städtischen Bereich (Hirschegger, - Ramser, P., Ferschin, P., Kandler, M. & Neubauer, W. 1999. Comparative aided virtual reality reconstruction based on prospection. Arbeitshefte des bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege 108, München 1999.)
Die wichtigste Religion war natürlich die römische Staatsreligion. Die Legionäre brachten oft von den fernen Feldzügen andere Kulte und Religionen mit, die auch archäologisch ihren Niederschlag fanden. Beim Schloß Petronell fanden sich ein Dianatempel, das Mithräum III, der Tempelbezirk des Jupiter Dolichenus und das Mithräum II. In Carnuntum war offenbar der Mithraskult besonders wichtig, wie die drei nachgewiesenen Mithräen belegen. Daneben sind aber auch wie bereits erwähnt Funde von Syrischen und Ägyptischen Gottheiten (carn1, carn2) gemacht worden. Ein christliches Baudenkmal, ein Baptisterium, konnte im Südtor des Amphitheater in der Zivilstadt nachgewiesen werden. Eine besondere Stellung nimmt der Pfaffenberg der Stadtgemeinde Hainburg ein. Dort war der Tempelbezirk des Jupiter Optimus Maximus Carnuntinus mit dem Heiligtum der kapitolinischen Trias, Kaiseraltären, Kaisersäulen und Kulttheater. Der Pfaffenberg erfüllte offenbar eine Stadtbergfunktion von Carnuntum und er war eine offizielle Verehrungstätte des Kaiserkultes. Jupiter
Dolichenus, orientalischer Gottheit - mit römischen Jupiter identifizierte
lokale Hauptgott von Doliche, (Dülük in der heutigen Südosttürkei)
Kopf
mit ägyptischen Königstuch, 1.-2. Jhd
Ein auch heute noch weithin sichtbares Monument ist das sogenannte Heidentor. Das Monument war einst ein zweigeschoßiger Vierpfeilerbau, in dessen Mitte eine runde Statuenbasis gefunden wurde. Die westliche Pfeiler haben sich bis heute erhalten. Die im Mauerwerk verbaute Spolien deuten auf ein spätantikes Alter des Bauwerks. Das Heidentor ist ein wahrscheinlich unter Constantius II errichteter Triumphbogen. Vom offiziellen Charakter des Baues zeugt der Weg, der vom Kleinkastell Höflein zum Auxiliarkastell direkt am Triumphbogen vorbeiführt. carn3.jpg - Zeichnung des Heidentores (Jobst, W. Carnuntum. Das Erbe Roms an der Donau. Katalog der Ausstellung des Archäologischen Museums Carnuntinum im Bad Deutsch - Altenburg, 1, 1992. )
Zeichnung
des Heidentores
Rekonstruktion des Heidentores Die Wasserversorgung der Zivilstadt erfolgte durch Brunnen und gemauerte und begehbare Wasserleitungen. Die Wasserleitungen, von welchen heute noch zwei Wasser führen, hatten eine Höhe von 1,2 bis 1,8 m und waren 0,6 bis 0,8 m breit. Das Pfaffenbründl befindet sich am Donauabbruch östlich der Kirche und ist eine der römischen Wasserleitungen, die heute noch Wasser führen. Im Spaziergarten konnte ein Teil des Händlerviertels freigelegt werden und beim Schloß Petronell fanden sich Reste des valetudinaruim, Wohnhäuser und Werkstätten. Im Zuge der Stadtentwicklung kam es auch zu einer Differenzierung des Handwerks und Gewerbes. Der Herstellungsablauf von Produkten erfolgte oft über eine Kette von Kleinbetrieben und in Zusammenarbeit der Handwerker. Der Großteil der römischen Handwerker waren Liberti oder Menschen zumindest in deren Umfeld. Die Liberti konnten sich so durch wirtschaftlichen Erfolg die soziale Leiter hinauf arbeiten. Oft gehörten Handwerker und Gewerbetreibende verschiedenen zunftähnlichen Berufsvereinigungen, sogenannten collegii, an. Hier sei noch einmal das bereits erwähnte collegium fabrum (Verband der Städtischen Feuerwehr) angeführt. Die Weihinschrift eines Altars besagt, daß er eben dem collegium fabrum von Faustinianus, einem Vertreter aus Carnuntums Stadtaristokratie gestiftet worden war. Werkstätten wie Schmieden, Glashütten, Ziegeleien und Töpfereien waren üblicherweise wegen der akuten Brandgefahr immer außerhalb der städtischen Wohnbereiche angesiedelt. Keramik
als Beispiel für Handel
Legionslager Die Geschichte des Lagerbaus läßt sich auf zwei große Bauphasen zurückführen. Auf ein zuerst aus Holz und Erde erbautes Lager folgte später ein Kastell aus Stein. Das frühere Holz - Erde Lager befand sich am Ortsrand von Petronell und zwischen der Bundesstraße B9 und dem Donauabbruch. Das erste Kastell wurde in den 60er Jahren des 1. Jahrhunderts n.Chr. erbaut und war schätzungsweise inklusive Graben 195m lang und 178m breit. Um das Lager lief ein 6m breiter doppelter Spitzgraben, der später wieder verfüllt wurde. Von den Bauten innerhalb des Kastells ist nur wenig bekannt. Im nördlichen Bereich konnte eine rund 4m breite Kasernenbaracke nachgewiesen werden. Aber auch im südlichen Lagerbereich gibt es Verbauungsspuren. Das jüngere Steinkastell wurde an der Stelle des Holz - Erde Lagers gebaut. Das neue Lager ist jedoch zum Grundriß des alten Lagers leicht verdreht. Dieses Lager war ohne Gräben 207 m lang und 177,6 m breit. Im Lager lassen sich 2 größere Bauperioden und mehrere kleinere Bauphasen feststellen. In der ersten Periode waren die meisten Häuser Fachwerkbauten, während in der zweiten Phase auffallend viele Spolien im Mauerwerk enthalten waren. Das Steinkastell wurde im Norden, Osten und Westen von einem Graben und im Süden von zwei Gräben geschützt. Die Kastellmauer war etwa 1,1 m mächtig. Acht rechteckige Innentürme waren an die Mauer angebaut. Die Lagertore waren zum Teil modern überbaut worden. Die porta decumana war acht Meter breit und in der Mitte befand sich ein 1 m breiter Pfeiler. Links und rechts vom Tor war jeweils ein in die Kastellflucht vorspringender 6,4 m langer und 7,2 m breiter Turm. Plan
des Legionslagers
Innerhalb des Legionslagers In den Lagerbereichen konnten Wohnhäuser und Gehöfte aus dem 1. und 2. Jahrhundert und später nachgewiesen werden, außerdem befand sich hier das Amphitheater I. Einfach gestaltete und große Räume im Lagerbereich datieren in die Spätzeit und waren wahrscheinlich Stallungen und eventuell ein Veterinärspital. Werkstätten, wie zum Beispiel Schmieden oder Töpfereien befanden sich ebenfalls innerhalb des Lagerbereiches. Die Straßen des Lagers hatten gemauerte Abwasserkanäle. Der Hauptkanal tritt an der Ostfront des Kastells aus und hat eine Sperre gegen einen Rückstau der Abwässer. Die Wasserversorgung des Kastells erfolgte über Wasserleitungen und Brunnen. Bei der ehemaligen Villa Palffy befand sich das sogenannte Militärbad. Auf den Mühläckern konnten Tempelbezirke im Lagerbereich lokalisiert werden. Die Tempelbezirke waren Orientalischen Gottheiten und dem Liber Pater geweiht. Ein wenig westlich des Standlagers befand sich ein Alenkastell (Reiterlager). An der Bernsteinstraße lag eine heute zerstörte Gräberstraße. Carnuntum war durch die Limesstraße direkt mit Vindobona verbunden. Während des 4. Jahrhunderts läßt sich im Auxiliarkastell und in den canabae ein Zerstörungshorizont nachweisen. Dieser Zerstörungshorizont wird auf ein Erdbeben und nicht auf kriegerische Handlungen zurückgeführt. In Carnuntum wurden viele Truppen im Laufe der Zeit stationiert. So war Carnuntum Sitz der 7., 10., 14., 15. und 22. Legion und vieler Hilfstruppen. Ziegel mit Stempel der 15. Legion, welche vor allem im Bad gefunden wurden, weisen darauf, daß sie zumindest in reduzierter Form noch bis ins 4. Jahrhundert n.Chr. bestanden haben muß. Neben den Reitertruppen, die im Alenkastell stationiert waren, muß auch noch auf die Classis Flavia Pannonica hingewiesen werden, eine an der Donau stationierte Flotte, die ihren Dienst bei Carnuntum versah.
Beim Schloß Petronell fanden sich Reste eines antiken Stadtviertels mit Limesstraße. Westlich des Schlosses Petronell liegen die Reste einer großen Thermenanlage, die sogenannte Palastruine. Die Erbauer mußten große Anstrengungen unternehmen um das Gelände zu ebnen bevor sie dann das Gebäude dort bauen konnten. Die Baderäume liegen im nördlichen Teil des Gebäudes. Das Bad wurde nach den Markomannenkriegen erbaut. Grabungen im Hof der Thermenanlage haben gezeigt, daß darunter Reste einer Siedlung liegen, die vor den Markomannenkriegen bestanden haben muß. Die Gebäude dürften hauptsächlich Fachwerkbauten gewesen sein. Die Siedlung wurde in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n.Chr. durch Brand zerstört. Um 300 n.Chr. wurde das Bad als Präsentationsbau adaptiert. Die letzten Umbauten an dem Gebäude erfolgten gegen Ende 4. und / oder Beginn des 5. Jahrhunderts. Der Südteil zeigt einen Hof mit zwei Octogonen und einem Rundbau, der an drei Stellen von kleinen rechteckigen Räumen umschlossen wird. Nach Süden zu ist eine große Wandelhalle der gesamten Anlage vorgelagert. Man weiß nicht genau welchen Zweck die Halle erfüllte. Aber Funde, wie eine Geniusstatue und ein Altar für das collegium fabrum, belegen den offiziellen Charakter dieser Räume. Grundriß
der Thermenanlage - auch große Palastruine genannt
Außerhalb der Stadt, in der Nähe des Gräberfeldes, lag das große Amphitheater II, welches etwa 13.000 Personen fassen konnte. Inschriftlich ist das Theater schon für das Municipium Aelium erwähnt. Der heute sichtbare Bau wurde wahrscheinlich im 3. Jahrhundert umgebaut. Im Südtor des Theaters fand sich das bis jetzt einzige nachweisbare christliche Baudenkmal, ein Baptisterium. Nordöstliches des Legionslagers befand sich das Amphitheater I, welches rund 8000 Menschen faßte.
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