Bestattung und Totengedenken  
 

„Soweit die Analysen der Inschriften allgemeine Rückschlüsse zulassen, war die Lebenserwartung der Römer relativ gering. Gewiß sind die Werte aus Ostia nicht in jeder Hinsicht repräsentativ, doch es ist auf jeden Fall bemerkenswert, daß dort über 8o% aller bekannten Grabinschriften von Menschen unter 30 Jahren stammen. Diese Tatsache und die außerordentlich hohe Kindersterblichkeit brachten es mit sich, daß jede römische Familie allezeit, und nicht nur während der großen Kriege und Bürgerkriege, mit dem Tod konfrontiert war, daß sie im Angesicht eines nahen Todes lebte. Daraus resultierte nicht allein die Philosophie des "Carpe diem", sondern auch die Sorge um eine angemessene Bestattung und die Sorge um das eigene Grab. Dominierten auch anfangs noch für große Teile der ärmeren Bevölkerung Roms Massengräber wie jene schachtähnlichen Anlagen, die auf dem Esquilin entdeckt wurden, so entstanden später gerade für die Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe die collegia funeraticia, vereinsartige Zusammenschlüsse, deren Mitglieder sich durch kleine Monatsbeiträge ein eigenes Grab in einer der großen Gemeinschaftsanlagen, den Columbarien (,Taubenschlägen«) für Brandbestattung oder den Katakomben für Körperbestattung, sicherten.           Wer immer es sich leisten konnte, ließ sich einen Grabstein mit voller Namensangabe setzen, wobei diese Grabinschriften häufig genug alle we­sentlichen Angaben über die Ämter oder Dienstgrade enthielten, die der Verstorbene innehatte oder, besonders bei Freigelassenen  über ihre beruflichen Qualifikationen und Erfolge. Ob Körperbestattung oder Verbren­nung bevorzugt wurden, die lange Zeit nebeneinander bestanden, bis seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. dann die Körperbestattung zu dominieren be­gann, ‑ die Römer versuchten die Erinnerung an jeden einzelnen Verstor­benen in seiner Individualität auch in künstlerisch anspruchsvollsten For­men festzuhalten und zu bewahren. Grabreliefs, Urnenschmuck, seit dem Principat dann in zunehmendem Maße auch die Sarkophagplastik entfalte­ten die Welt des Mythos oder, seltener, des Berufes um den Toten. Der Grabluxus konnte bis zu einem Jahresgehalt kosten.

Vgl. Karl Christ, Die Römer. München 1994. S. 131 ff.