Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 15 (1995)
Heft 3

Gerhard Brüstle: Rezension von
'Karl Bosch: Lotto und andere Zufälle. Wie man die Gewinnquoten erhöht'
Vieweg, Wiesbaden 1994; 260 S.

Einer Zeitungsmeldung zufolge gaben die Bundesbürger im "Lotto-Rekordjahr" 1994 im Durchschnitt rund 160 DM für ihre Spielleidenschaft aus. Von den rund 13 Milliarden Mark, die insgesamt eingesetzt wurden, entfiel der größte Batzen, nämlich knapp 8 Milliarden Mark, auf das Samstags-Lotto "6 aus 49". Bekanntermaßen wird aber nur die Hälfte dieses Umsatzes wieder ausgeschüttet, mit der anderen Hälfte werden Sport und Kultur gefördert (jüngstes Beispiel: Lotto-Zuschuß zum Ankauf des Dix-Gemäldes "Die Skatspieler").

"Die Leute spielen ohnedies" - so faßte ein Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag die heftige Diskussion um die Einführung des Zahlenlottos im Jahre 1958 zusammen. Er kam mit der Mehrheit des Parlaments zu der Erkenntnis, daß die Einführung des Zahlenlottos zwar möglicherweise nicht moralisch, auf jeden Fall aber zweckmäßig sei.

Dieser Einschätzung kann man aus heutiger Sicht sicher nur zustimmen.

Wie es aber nun anstellen, daß man als Lottospieler möglichst große Chancen auf Teile der in die Ausschüttung gelangenden Hälfte hat? Hierzu gibt uns Karl Bosch im letzten Teil seines Werkes auf rund 100 Seiten Auskunft.

Zwei (für den Laien möglicherweise überraschende) Sachverhalte werden eingangs klargestellt:

Erstens: keine Tipreihe ist vom Zufall bevorzugt oder benachteiligt. So ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, mit der die Reihe 1;2;3;4;5;6 als Ergebnis einer Samstagsziehung auftritt, also nicht geringer als die irgendeiner anderen Reihe.

Zweitens: man muß bemüht sein, gegen die anderen Lottospieler zu tippen. Das bedeutet, daß beliebte Tipreihen zu meiden sind. Wer möchte schon gerne, wenn Fortuna einem sechs Richtige beschert hat, den für diese Gewinnklasse vorgesehenen Ausschüttungsanteil mit andern teilen? Niemand.

Der Autor hat knapp 7 Millionen zufällig ausgewählte, getippte Reihen eines Spielsamstages des Jahres 1993 analysiert. Er stellt unter anderem fest:

Zur Berechnung von solchen und anderen Anzahlen, die das Lottospiel oder andere Probleme betreffen, bedarf es der Kombinatorik. Unter anderem hiervon handeln die ersten rund 150 Seiten des vorliegenden Werkes, wie der folgende Überblick des Buchinhaltes zeigt:

(Der Buchtitel steht also offenbar nur für einen Teil des Inhalts.)

Der Autor hat es sich laut Klappentext zum Ziel gemacht, Grundbegriffe aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, die auch sonst im täglichen Leben oft benutzt werden, für jedermann möglichst anschaulich und verständlich darzustellen.

Dieses Vorhaben ist gelungen: anhand eingängiger, klassischer Beispiele (Gewinnchancen bei verschiedenen Glücksspielen, Ziegenproblem, Geburtstagsproblem, Beispiele zur Mittelwertproblematik usw.) werden stochastische Denk- und Vorgehensweisen vorgestellt sowie Irrwege (Über die statistische Lüge, Glückspirale von 1971 usw.) im Problemkreis der Stochastik auch für den interessierten Laien nachvollziehbar offengelegt.

Die Überlegungen zum Samstags-Lotto sind grundsätzlich nicht neu, aber ausführlich und ansprechend dargeboten.

In seiner schlaglichtartigen Beleuchtung verschiedener Themengebiete mit dem Ausgangspunkt von Alltagserfahrungen bzw. -geschehnissen ist das vorliegende Werk als schmackhafte Einführungskost zur Stochastik zu empfehlen.

StD Gerhard Brüstle

Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien)
Stuttgart 1
Hohe Straße 1
70174 Stuttgart

Stochastik in der Schule 15(1995)3, 50-52