Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 12 (1992)
Heft 1

Hans Schupp: Rezension von
'Wolfgang Riemer: Stochastische Probleme aus Elementarer Sicht'
Lehrbücher und Monographien zur Didaktik der Mathematik, Bd. 18, B.I. Wissenschaftsverlag, Mannheim 1991

Es ist wichtig, daß fachdidaktische Arbeiten nicht nur von professionellen Hochschuldidaktikern sondern auch von Kollegen an der pädagogischen Front publiziert werden. Einmal, weil jeder Lehrer, der seinen Unterricht plant und analysiert, fachdidaktisch agieren und reflektieren muß; zum andern, weil die fachdidaktische Forschung durch Einbringen von Erfahrungen und Überlegungen, die von Unterrichts- und Schülernähe geprägt sind, problemnah und praxisrelevant bleibt.

Glücklicherweise haben wir in Deutschland eine ganze Reihe von Kollegen aus der Schule, die seit Jahr und Tag die fachdidaktische Diskussion bereichern. Wolfgang Riemer gehört zu denjenigen unter ihnen, die in der letzten Zeit am meisten aufhorchen ließen. Seine Arbeiten zum Stochastikunterricht weisen eben jene Kombination aus Sensibilität für Probleme des Unterrichtsalltags, Fähigkeit zur Analyse der relevanten Faktoren, fachliche Kompetenz und Phantasie zur Entwicklung praktikabler Lehrsequenzen auf, die den "Schuldidaktiker" auszeichnet.

So schlägt man sein neuestes Buch mit großer Erwartung auf, ist zunächst enttäuscht, daß es nur eine Zusammenstellung jüngst erschienener Zeitschriftenartikel zu bieten scheint, merkt aber bald, daß es doch auch Erweiterungen und Vertiefungen enthält, und vor allem, daß diese Artikel (Kapitel) durch ein "geistiges Band" zusammengehalten werden, das ihre jeweilige Funktion klarer hervortreten läßt, als dies in den Einzelpublikationen geschehen konnte: durch den Versuch nämlich, "die ungenetische Trennung zwischen Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik zu überwinden" (S. 11), indem man "genuin statistische Gedankengänge schon von den ersten Unterrichtsstunden an zu einem Bestandteil des Stochastikunterrichts" (S. 12) macht.

In Kapitel 1 wird gezeigt, wie schon beim Aufbau eines tragfähigen (d.h. prognostischen und hypothetischen) Wahrscheinlichkeitskonzepts neben der Aufnahme stochastischer Primärintuitionen auch die Konfrontation mit realen Daten unverzichtbar ist.

Der Autor hat dabei insbesondere mit den von ihm konstruierten und vertriebenen partiell symmetrischen Objekten (s. Riemer 1988) gearbeitet. In der Literatur (s. z.B. Walter 1975 oder Steinbring 1985) liegen aber auch genügend Belege dafür vor, daß das notwendige Wechselspiel zwischen hypothetischen Wahrscheinlichkeiten und konkreten relativen Häufigkeiten sich auch an klassischen Materialien vollziehen kann, wenn man die Schüler nur genügend kritisch gegenüber Erstannahmen (z.B. Gleich- oder Binomialverteilung) macht.

Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Abwägen zwischen Alternativhypothesen und führt dazu die Bayes'sche Methode der sofortigen und fortgesetzten Auswertung neuer Daten (Lernen durch Erfahrung) ein. Dieser Abschnitt hat mich von Absicht und Praktikabilität her sehr überzeugt, während die nachfolgende Einführung des Entropiebegriffs für eine Frühphase doch zu schwierig erscheint (wie soll das Maß  Σ  p(i)log2(1/p(i)) verstanden und plausibel gemacht werden?) und auch keine wesentlich neuen Einsichten bringt: Daß beim Erkunden eines Urneninhalts das Ziehen mit Zurücklegen Information verschenkt, ist auch intuitiv klar.

Die Kapitel 3 und 4 bringen den Vergleich zwischen einem Datensatz und einer Hypothese (Chi-Quadrat-Anpassungstest) bzw. zwischen zwei Datensätzen (Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest). Der Verfasser sieht hier (m.E. zu Recht) eine Grenze der Bayes'schen Vorgehensweise gegeben. Wichtig aber wird nun die fundamentale Idee des Simulierens und ihre Realisierung auf dem Computer. Sein (alle Kapitel durchziehender) Einsatz ist für mich ein Musterbeispiel für die anzustrebende selbstverständliche Inanspruchnahme dieses mächtigen Werkzeugs beim Verfolgen originärer Ziele des Mathematikunterrichts. So wird es möglich, die für einen anwendungsorientierten Mathematikunterricht recht wichtigen beiden Tests auch schon in der SI zu behandeln. Das gilt natürlich nicht mehr für die (geschickten) Herleitungen des Grenzverhaltens der jeweiligen Testgrößen über deren vektorielle Deutung und Visualisierung als Irrfahrten.

In Kapitel 5 werden die gewonnenen Einsichten auf die Riemer'schen Körper angewendet. Dabei zeigt sich, daß die Versuchsbedingungen (wie wird geworfen?) eine erhebliche Rolle spielen. Daß sich à la longue in jedem Falle eine Boltzmann-Verteilung einstellt, kann wohl nur mitgeteilt werden.

Kapitel 6 enthält eine heuristische Begründung des Zentralen Grenzwertsatzes. Sie geschieht über Rekursionsgleichungen für Zufallsgrößensummen, die in eine Differentialgleichung für die Normalverteilung münden.

Die Kapitel 7 und 8 übertragen diese Methode auf eindimensionale Irrfahrten, wodurch einmal der Anpassungstest erneut begründet werden kann und andererseits die Arcsin-Verteilung beim zeitlichen Vergleich gleichguter Konkurrenten erreichbar wird. Der Autor schreibt: "So werden elementare Wege zu recht anspruchsvollen Themen gebahnt, die über bloße Computersimulationen hinausgehen." Das Wort "elementar" erscheint auch im Buchtitel und ist möglicherweise irreführend, weil der Verfasser eine ungewöhnlich weitgehende Vorstellung damit verbindet. Im Gegenteil mutet er dem Leser allerhand zu. Auch dem, der das Gelesene einbringen möchte; denn daß "sich diese Ideen meist nur mit wenig Mühe im Unterricht, in Klausuraufgaben und in Projekte umsetzen lassen" (S. 5), halte ich für ausgeschlossen.

Für den Autor spricht allerdings, daß die aufgewiesenen Wege neu sind, daß sie in der Tat einfacher scheinen als bekannte Zugänge zur infinitesimalen Stochastik, daß sie vorzüglich dargestellt, exemplifiziert und kommentiert sind, und schließlich auch, daß theoretische Passagen in der Regel durch experimentell-simulative Aktivitäten vorbereitet werden. Diese ermöglichen die Behandlung aller vorgestellten Problemfelder auch dann, wenn an eine theoretische Behandlung nicht gedacht ist.

Wer mit dem Autor der Meinung ist, daß - zumindest in der Schule - Wahrscheinlichkeiten als Schätzwerte für relative Häufigkeiten in langen Versuchsserien aufgefaßt werden sollten, muß dies keineswegs als Mangel auffassen: der Computer kann solche Serien bei Bedarf schnell und ökonomisch herstellen und macht daher Schätzungen für praktische Zwecke überflüssig.

Kapitel 9 ist als Hintergrundinformation für den Lehrer gedacht: Mehrere Plausibilitätsargumente aus vorangegangenen Kapiteln werden mathematisch abgesichert.

Kapitel 10 stellt das Unterrichtsprojekt "Partnersuche" vor, in dem über einen Fragebogen Daten gesammelt und in eine Datenbank eingegeben werden. Sie bieten Gelegenheit, Grundbegriffe und -methoden der beschreibenden und auch der beurteilenden Statistik im größeren Kontext anzuwenden. Ob dieser glücklich gewählt wurde, sei dahingestellt; jedenfalls ist die Testgröße ('erotischer Abstand') einigermaßen fragwürdig und auch recht willkürlich definiert (worauf auch der Autor hinweist).

Riemer schreibt im Vorwort, daß alle vorgestellten Themen entweder im Unterricht beider Sekundarstufen oder in Seminaren behandelt wurden. In Kapitel 1 bezieht er - neben allgemeinen lernpsychologischen Bemerkungen - auch Schülerfragen und -reaktionen in seine Darstellung ein und läßt den Leser an deren Rolle für die Gestaltung des Unterrichts teilhaben (s. Eingangsbemerkung). Ab dann wird der Stil akademisch; Schüler kommen nicht mehr vor, auch nicht im Projektteil. Das bedaure ich.

Trotz dieser Einschränkungen: Ein lesenswertes, weil gründlich konzipiertes, klar geschriebenes und dabei originelles, innovatives und herausforderndes Buch.

Literatur

Riemer, W.: Riemer-Würfel. Stuttgart: Klett 1988
Steinbring: Wie verteilen sich die Kugeln beim Galton-Brett wirklich? mathematik lehren 22(1985), 31
Walter, F.R.: Der gezinkte Würfel. MNU 28 (1975) 5, 271

Prof. Dr. Hans Schupp

Grumbachtalweg 50
66121 Saarbrücken

Stochastik in der Schule 12 (1992)1, 42-45

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 12 (1992)
Heft 1

Hans-Dieter Sill: Rezension von
'Dieter Wickmann: Bayes-Statistik: Einsicht gewinnen und entscheiden bei Unsicherheit'
BI-Wissenschaftsverlag, Mannheim 1990, 226 S.

1. Vorbemerkungen

Die Entscheidung zur Übernahme dieser Rezension traf ich im Zustand ziemlicher Unsicherheit. Die seitdem gewonnenen Erkenntnisse haben mich darin bestärkt, daß im Stochastikunterricht die Bayes-Statistik nicht länger ignoriert werden kann. Sie haben weiterhin zur Bestätigung und Einordnung eigener Ansätze und Ideen beigetragen.

Die zur Verfügung stehende Zeit reichte allerdings nicht aus, um die relevante Literatur umfassend aufzuarbeiten. Die vorgenommenen Einschätzungen sind deshalb nur als Zwischenbericht eines Didaktikers aus den neuen Bundesländern zu verstehen, und vor allem aus der Sicht auf die aktuellen Aufgaben bei der Integration der Stochastik in die Lehrpläne entstanden.

2. Inhaltsüberblick

Das Buch ist in folgende sieben Kapitel und einen Anhang gegliedert (in Klammer der jeweilige Umfang):

1. Einführung und Begriffsbildung (20 S.)
2. Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten (5 S.)
3. Wahrscheinlichkeitsverteilungen (10 S.)
4. Das Bayessche Theorem (17 S.)
5. Entscheiden bei Unsicherheit (10 S.)
6. Die Welt θ als Kontinuum (86 S.)
7. Kritik des klassischen Konzeptes (15 S.)

Der Anhang (63 S.) enthält didaktische Anmerkungen, Lösungen der Übungsaufgaben, Pascal-Programme, spezielle Werte von Verteilungsfunktionen sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis.

Ausgehend von 12 Situationen der Ungewißheit aus den verschiedensten Lebensbereichen führt der Autor im Kapitel 1 den Leser an grundlegende Begriffe und Denkweisen der Bayes-Theorie heran. Nach einer kurzen Diskussion objektivistischer und subjektivistischer Wahrscheinlichkeitsauffassungen bringt der Autor seinen Standpunkt bei der Erklärung des Wahrscheinlichkeitsbegriffes im 2. Kapitel zum Ausdruck, indem er den Vergleich von Wahrscheinlichkeiten durch den Vergleich von Wetten definiert. Als Standardmaß gilt der Anteil weißer Kugeln in einer Urne.

Im Kapitel 2 und 3 werden einige Elemente eines üblichen Wahrscheinlichkeitskurses in knapper Form behandelt, "nicht nur, um einen vollständigen Kurs vorzulegen, sondern auch, um ihren Stellenwert im Gesamtkonzept deutlich werden zu lassen".

Im Kapitel 4 erarbeitet der Verfasser am Beispiel eines Urnenexperimentes in sehr ausführlicher und verständlicher Weise das prinzipielle Vorgehen bei der Anwendung des Bayesschen Theorems, mit dem eine Priori-Verteilung durch die Kenntnis von Beobachtungsdaten zu einer Posteriori-Verteilung verändert werden kann.

Mit zwei aus der Literatur bekannten Beispielen, dem Einsatz eines medizinischen Testes zur Diagnose einer seltenen Krankheit sowie einem Indizienurteil bei einem realen Mordfall (Schrage), wird die praktische Relevanz der Bayesschen Betrachtungsweise verdeutlicht.

Die Bayes-Analyse wird im Kapitel 5 durch das Bayessche Prinzip vervollständigt, das die Auswahl der Handlung mit maximaler Gewinnerwartung bei gegebener Gewinnfunktion beinhaltet. Damit kann in der Bayes-Statistik zwischen "Einsicht gewinnen" und "Entscheiden" differenziert werden.

Im Hauptkapitel 6 der Arbeit erweitert der Autor zunächst die Bayessche Methodik auf den Fall einer stetigen Welt θ, die er dann im weiteren ausschließlich betrachtet. Es ist zu begrüßen, daß der Autor alle wesentlichen mathematischen Inhalte, die zunehmend anspruchsvoller werden, stets ausgehend von ausführlich diskutierten, meist praxisbezogenen Problemstellungen behandelt. Dies trägt zur Erhöhung der Lesbarkeit des Buches und zum besseren Verständnis des prinzipiellen Vorgehens im Rahmen der Bayes-Statistik bei.

Am Beispiel der Beta-Verteilung (der zur Binomialverteilung konjugierten Verteilung) wird als Analogon zum Konfidenzintervall der klassischen (objektivistischen) Statistik der Gamma-Bereich höchster Dichte definiert, in dem ein unbekannter Parameter θ aufgrund eines Stichprobenergebnisses mit der Wahrscheinlichkeit Gamma liegt.

Nach der Herleitung des Grenzwertsatzes von de Moivre und Laplace sowie des Gesetzes der großen Zahlen setzt sich der Autor erneut mit einem rein frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff auseinander und bringt eine interessante Deutung des Bernoullischen Gesetzes.

Das abschließend diskutierte Beispiel eines dreigeteilten Glücksrads zeigt, wie mathematisch anspruchsvoll die Bewältigung mehrdimensionaler Probleme ist aber auch wie überraschend und einfach die Endresultate sein können. Ein schönes Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Bayesschen Methode ist das in Ergänzung zu einer Lösung auf S. 193 entwickelte Verfahren zum Test eines Würfels in wenigen (n=30) Versuchen.

Im abschließenden 7. Kapitel des Buches setzt sich Wickmann aus Sicht des subjektivistischen Standpunktes prinzipiell mit der klassischen (objektivistischen) Methodik der beurteilenden Statistik auseinander und stellt in komprimierter Weise grundlegende Einwände gegen diese Vorgehensweise zusammen.

3. Stellungnahme zu ausgewählten Problemen

Da es sich bei dem Buch von Wickmann nicht um ein "normales" Stochastiklehrbuch schlechthin handelt, sondern um eine Kampfansage an ganze Legionen von Stochastikbüchern, sei es mir gestattet, daß ich mich in meinen Bemerkungen auf grundsätzliche Fragen beschränke.

Die Bedeutung und Stärke des Buches sehe ich in der geschlossenen, verständlichen und konsequenten Darstellung des subjektivistischen Zuganges zur Stochastik und seiner deutlichen Abgrenzung von der sogenannten "klassischen" Methodik. Diese Stärke des Buches scheint mir aber auch gleichzeitig seine Schwäche zu sein. Man findet lediglich Ansätze ausgewogener wissenschaftstheoretischer Betrachtungen wie sie z.B. von Steinbring (1984) oder Borovcnik (1988) in sehr tiefgehender Weise vorgenommen wurden.

Es ist, meiner Meinung nach, weder historisch noch wissenschaftstheoretisch zu erwarten, daß sich eine der beiden gegensätzlichen Auffassungen von der Natur des Wahrscheinlichkeitsbegriffes als die "richtige" durchsetzen wird. Auch wenn sich beide Standpunkte weitgehend logisch ausschließen, sind sie sowohl in der Realität als auch im Bewußtsein der Menschen nicht voneinander zu trennen.

Von der Bayes-Statistik geht der Reiz aus, dem man sich nach Hineindenken in das prinzipielle Herangehen kaum entziehen kann, damit eine Methodik zu besitzen, die dem eigentlichen Erkenntnisgang in empirischen Wissenschaften weit besser entspricht, als die klassische Statistik. Ich kann jedoch Wickmann nicht folgen, wenn er daraus den Schluß ableitet, letztere gänzlich zu verwerfen. Abgesehen davon, daß sich dies praktisch wohl kaum realisieren ließe, reichen die von ihm angeführten Argumente und Beispiele nicht aus, um die Notwendigkeit eines Abgehens von den klassischen Schätz- und Prüfverfahren zu erkennen. Die genannten Kritikpunkte bewegen sich weitgehend auf der begrifflichen und methodologischen Ebene.

Der wesentliche Zugang zu dem umstrittenen Verhältnis scheint mir jedoch in einer Analyse der praktischen Konsequenzen der beiden Methodiken, also ihrer Anwendungen, zu bestehen. Keine der beiden Methodiken kann m.E. für sich den Anspruch erheben, universell einsetzbar zu sein. Anhand der Beispiele in Wickmanns Buch läßt sich lediglich vermuten, wann ein Bayes-Ansatz günstiger ist. Es wäre im Sinne des Anliegens des Autors zu begrüßen gewesen, wenn der Leser Informationen über die Anwendungsgebiete der Bayes-Statistik erhalten hätte, wenn auf Probleme und Nachteile, aber auch entscheidende Vorzüge einer Bayes-Analyse aus praktischer Sicht näher eingegangen worden wäre.

Das Buch ist im Vergleich mit mathematischen Fachbüchern durch seine gute stoffdidaktische Aufbereitung relativ leicht, im Vergleich mit fachdidaktischer Literatur jedoch nicht einfach zu bewältigen. Auch wenn sich der Autor insbesondere in den ersten Kapiteln um Beispiele und Erklärungen bemüht, die in der Schule verwendbar sind, bleibt der größte Teil der Probleme, die sich bei einer Einführung der Bayes-Statistik in den Unterricht und einer damit verbundenen Veränderung der Konzeption eines Stochastikcurriculums ergeben, außerhalb der Diskussion.

4. Schlußbemerkungen

Das Buch ist von seiner Anlage her geeignet, bereits Lehrerstudenten bei entsprechenden Begleitveranstaltungen einen Einblick in die Bayessche Statistik zu geben, ohne daß sie vorher die mathematische Statistik im klassischen Sinne studiert haben müssen. Es ist als eine gelungene Fortsetzung der Anregungen von Dinges zu werten, die Bayessche Regel entsprechend ihrer Bedeutung und den Ansprüchen in der Lehrerausbildung darzustellen. Seinen besonderen Wert hat es aber für den Didaktiker und den unterrichtenden Lehrer, die es zwingt, gewohnte Denk- und Betrachtungsweisen kritisch zu prüfen, tiefer zu verstehen, anzureichern und zu revidieren.

Der bereitgestellte mathematische Apparat, insbesondere die im Anhang enthaltenen sehr nützlichen Pascal-Programme erlauben es, die angeschnittenen Problemkreise durch Variation der Daten und Bedingungen selbst weiter zu erforschen sowie bekannte Aufgaben auf eine andere Art zu lösen.

5. Literatur

Schrage, G.: Schwierigkeiten mit stochastischer Modellbildung - zwei Beispiele aus der Praxis. J. Math.-Didakt. 1(1980)1/2, 86-101
Steinbring. H.: Zur Entwicklung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs: Das Anwendungsproblem in der Wahrscheinlichkeitstheorie aus didaktischer Sicht. Bielefeld: Universität Bielefeld 1980. IDM Materialien und Studien Band 18
Borovcnik, M. 1984: Was bedeuten statistische Aussagen. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky, Stuttgart: B. G. Teubner, 1984. Schriftenreihe Didaktik der Mathematik, Bd. 8
Borovcnik, M. 1988: Zum wissenschaftstheoretischen Hintergrund der Rechtfertigung statistischer Methoden. mathematica didactica 11(1988), 19-43
Borovcnik, M. 1986: Anwendungen der Bayesschen Formel. Didaktik der Mathematik 14(1986)3, 183-203
Riemer, W.: Neue Ideen zur Stochastik. Mannheim, Wien, Zürich: BI 1985. Lehrbücher und Monographien zur Didaktik der Mathematik Bd. 3
Dinges, H.: Schwierigkeiten mit der Bayesschen Regel. Math. Semesterberichte 25(1978)1, 113-156

Prof. Dr. Hans-Dieter Sill

Universität Rostock
Fachbereich Mathematik, Universitätsplatz 1
18055 Rostock

Stochastik in der Schule 12 (1992)1, 46-50

 

 

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Band 12 (1992)
Heft 2

Walter Krämer: Rezension von
'Hans Riedwyl: Zahlenlotto: Wie man mehr gewinnt'
Paul Haupt, Bern und Stuttgart 1990

Glücksspiele sind schon immer eine wichtige Triebfeder der Wahrscheinlichkeitstheorie gewesen. Diesen Antrieb mag man ob seiner Frivolität bedauern oder nicht, fest steht: es ist nun einmal so. Seit Gerolamo Cardanos „Liber de ludo aleae“, oder seit der notorische Chevalier de Méré vor über 300 Jahren seinen Bekannten Blaise Pascal um Aufklärung über bestimmte Wahrscheinlichkeiten bei Würfelspielen bat und damit der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie zur Geburt verhalf, über das berühmte "St.-Petersburg-Paradox" von Daniel Bernoulli bis hin zur modernen Martingal-Theorie: Glücksspiele haben seit jeher zum Nachdenken über Wesen und Wirken des Zufalls angeregt und damit quasi nebenbei und ohne Absicht so manchen "homo ludens" zum "homo sapiens" gemacht.

Das vorliegende Buch von Hans Riedwyl über Zahlenlotto kann in dieser Tradition gesehen werden. Es führt ohne Jargon, und ohne Vorkenntnisse irgendeiner Art vorauszusetzen, sehr einfühlsam in das Berechnen von Wahrscheinlichkeiten ein. Die Ausführungen im Kap. 5: "Wie groß ist die Gewinnchance?" betreffend die möglichen Ergebnisse beim Ziehen ohne Zurücklegen z.B. können jedem Didaktiker ein Vorbild sein. So klar und auch für hartnäckige Anti-Mathematiker gut verständlich habe ich noch nirgendwo die Anzahl der Möglichkeiten beim Ziehen ohne Zurücklegen erklärt gesehen.

Der größte Teil des Buches ist allerdings der Psychologie und Mechanik des Lottospielens selbst gewidmet, und zwar der Variante "6 aus 45", wie sie in der Schweiz und Österreich zu Hause ist. Mechanik, weil vom Ausfüllen des Lottoscheins bis zur Ziehungsprozedur jeder Schritt des Lottospielens ausführlich erläutert wird (das wird die Lottogesellschaft freuen).

Psychologie, weil Riedwyl in einem enormen empirischen Parforce-Ritt sämtliche Lottoscheine einer bestimmten Ziehung (der 6. Ziehung 1990 in der Schweiz, mit mehr als 16 Millionen Tips) ausgewertet und die erstaunlichsten Tip-Muster ans Licht gefördert hat! So wäre etwa jede der rund 8 Millionen Zahlenkombinationen, die beim Lotto "6 aus 45" möglich sind, bei gleichmäßiger Verteilung der 16 Millionen Tips zweimal wählbar gewesen. In Wahrheit wurden aber ein Drittel der möglichen Kombinationen von überhaupt niemandem, andere Kombinationen wie Diagonalen und sonstige Muster dagegen von mehr als 20.000 Spielern angekreuzt! Diese extreme Ungleichverteilung der gewählten Kombinationen ist das wichtigste empirische Ergebnis dieses Buches.

Die Lehre daraus ist, daß man beim Lotto nicht nur gegen den Zufall, sondern in erster Linie gegen alle anderen Lottospieler spielt. Das Ziel ist weniger, zu gewinnen, als vielmehr, wenn man denn gewonnen hat, den Gewinn mit möglichst wenigen zu teilen, d.h. Zahlenkombinationen anzukreuzen, die niemand anderer benutzt.

Vielleicht ist es vermessen zu erwarten, daß dieser Umstand bei den Lesern des Buches ein Interesse an Mehrpersonen-Nullsummenspielen weckt; aber auch ohne dergleichen Exkursionen bietet das Buch von Riedwyl Anstöße genug. Es läßt sich im Unterricht sehr schön zur Appetitanregung auf weiterführende Verfahren der Wahrscheinlichkeitsrechnung benutzen, und kann wegen seiner klaren und unprätentiösen Sprache auch allen Laien, die sich für Lotto interessieren, sehr empfohlen werden.

Prof. Dr. Walter Krämer

FB Statistik der Universität Dortmund
Vogelpothsweg – Postfach 50 05 00
44221 Dortmund

Stochastik in der Schule 12 (1992)2, 54-55

 

 

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Band 13 (1993)
Heft 1

Herbert Henning: Rezension von
'Hans Schupp, Gregor Berg und Heinz Dabrock: Programme für den Stochastik-Unterricht'
Dümmler, Bonn 1992, Disketten für MS-DOS-Rechner unter Turbo-Pascal ab 4.0

Die Autoren legen als Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojektes ein Programmpaket für den experimentierenden und simulierenden Stochastikunterricht in der S I und S II vor. Das Programmpaket besteht aus 12 themenzentrierten Programmgruppen u.a. zu den Themen: Beschreibende Statistik, Kombinatorik, Simulation von Zufallsexperimenten, Verteilungen, Zufallszahlen, Testen, Schätzen, Markov-Ketten, Regression und Korrelation.

Mit diesen Programmen haben Lehrer "Werkzeuge" zur Verfügung, die auf sehr anschauliche und wirkungsvolle Art (Grafik, schneller Zugriff zu großen Datenmengen, Simulation ermöglicht schnelle und variable Zufallsexperimente) den Unterricht bereichern können. Als Lehrer- und Schülersoftware gleichermaßen geeignet, kann mit Hilfe des Programmpakets ein experimenteller, entdeckender Stochastikunterricht in S I und S II durchgeführt werden. Die Schüler werden im selbständigen Umgang mit den Programmen für zufallsbedingte Erscheinungen sensibilisiert, sie erleben (durch den genetischen Aufbau der Programme als Komplex von Einstiegs-, Basis- und Fortsetzungsprogrammen) sehr anschaulich z.B. stochastische Begriffsbildungen.

Besonderer Vorzug dieses Programmpakets ist dessen Erweiterungsfähigkeit und die Möglichkeit der Modifizierung (u.a. durch die Angabe der Quelltexte). Das Lehrerhandbuch ist eine vorzügliche Anleitung für den unterrichtlichen Einsatz der Programme einerseits, und andererseits auch für das selbständige Erarbeiten weiterer Programme durch den Lehrer. Die Tatsache, daß keinerlei Programmierkenntnisse vorausgesetzt werden, macht das Programmpaket besonders nutzerfreundlich und für den "normalen" Lehrer attraktiv.

Alle Programme in Turbo Pascal (ab 4.0) werden als Quelltext vorgelegt, sie sind mit allen Grafikkarten verträglich. Reichhaltige Units erlauben eine verständliche Programmierung, die benutzerfreundliche Oberfläche erleichtert den Einsatz im Unterricht. Technische Hinweise zu PRO STO werden im Lehrerhandbuch ausführlich gegeben (S. 32-37), zu jeder Programmgruppe gibt es ausführliche didaktische und fachwissenschaftliche Literaturhinweise, eine wertvolle Hilfe für den Lehrer, die Programme in sein Unterrichtskonzept einzuarbeiten. Wie auch die sehr praktikabel formulierten Anregungen für den Einsatz der Programme im Unterricht.

Die kurze, knappe Darstellung des Inhalts macht das Handbuch zu einem relativ leichtverständlichen Exkurs zu Problemen eines computerunterstützten, experimentellen Stochastikunterrichts in allgemeinbildenden Schulen.

Prof. Dr. Herbert Henning

Institut für Algebra und Geometrie, Fakultät für Mathematik
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Postfach 4120
39106 Magdeburg

Stochastik in der Schule 13 (1993)1, 49

 

 

Stochastik
in der Schule


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Band 13 (1993)
Heft 3

Jörg Meyer: Rezension von
'Heinz Althoff und Dieter Koller: Mündliches Abitur Mathematik. Anregungen und Hilfen für Schüler und Lehrer'
Klett, Stuttgart 1992, 221 S., ISBN 3-12-724030-9

Die Zielgruppe des vorliegenden Werks sind Lehrer und Schüler. Wer nun allerdings erwartet hat, "nur" eine Aufgabenplantage im üblichen Stil der Aufgabensammlungen zum schriftlichen Abitur vorzufinden, sieht sich angenehm überrascht. Ein Großteil der Aufgaben ist in dem Sinne aufbereitet, daß nicht nur Lösungen angegeben werden, sondern daß auch ihre Qualität im Sinne der besonderen Anforderungen einer mündlichen Prüfung erläutert wird.

Dazu werden im ersten Teil des Buches erst einmal die Besonderheiten des mündlichen Abiturs dargestellt und hieraus Konsequenzen für die Aufgabenstellung abgeleitet. Dies betrifft beispielsweise die Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs, woraus sich zum einen ergibt, was sinnvollerweise nicht abzuprüfen ist, zum anderen aber auch, inwiefern die dem Prüfling schriftlich vorgelegte Aufgabenstellung Anknüpfungspunkte für das weitere Prüfungsgespräch enthalten muß. Zudem erläutern die Autoren zahlreiche Möglichkeiten der Aufgabengestaltung mit Hilfe von Overheadfolien.

Daß das "Wie" eines Vortrags eine beträchtliche Rolle spielt, haben Schüler möglicherweise im Unterricht selten konkret erlebt. Hier geben die Autoren beherzigenswerte Ratschläge, wie Verhalten verbessert werden kann. Als sehr hilfreich erweist es sich, wenn Schüler Gelegenheit bekommen, sich von außen zu beobachten. Aber auch mancher Lehrer ist sich vielleicht nicht immer über seine Wirkung im klaren. Hierzu sind Simulationen von mündlichen Prüfungen mit Video sinnvoll, zumal, wenn die Videobetrachtungen mit den "richtigen Fragen" dazu einhergehen, wenn man sie also geeignet entschlüsselt, wofür die Autoren in dankenswerter Ausführlichkeit Anregungen geben, und zwar sowohl für den Schüler (S. 29-30) als auch für den Lehrer (S. 30-31). Da ein solcher Umgang mit Video ungewohnt sein wird, ist der Abdruck eines vollständigen Transkriptes einer Prüfung mit Interpretationsanleitung sehr wertvoll.

Der Beurteilung von Prüfungsleistungen wird der Abschnitt 1.3 gewidmet. Es werden häufig vorkommende Fehler geschildert; eine umfangreiche Liste sinnvoller Bewertungskriterien schließt sich an.

Etwa 2/3 vom Gesamtumfang des Buches bildet eine Sammlung von mündlichen Abituraufgaben. Zunächst werden 15 Aufgaben (davon 1/3 aus der Stochastik) mit Lösungen vorgestellt, wobei diese Aufgaben sowohl Anregungen für das ergänzende Prüfungsgespräch enthalten als auch "Anmerkungen" zur Qualität der Aufgabenstellung und in denen z.T. diese Kriterien (noch einmal) akzentuiert werden: Die Aufgaben sollen "kaum" Rechnung enthalten, aber "Überblick, selbständiges Denken und die Fähigkeit zur verständlichen Darstellung mathematischer Sachverhalte verlangen" (S. 82). Insbesondere bei Stochastikaufgaben liegen die typischen Anforderungen im "Auffinden und Erläutern geeigneter Modelle" und "meistens nicht im rechnerischen Teil" (S. 72).

Nun enthält diese Sammlung in Abschnitt 2.1 viel Lobenswertes: Neben den gängigen Erläuterungen von Begriffen und Verfahren wird beispielsweise in der Analysis - statt des üblichen Weges von der Funktionsgleichung zum Graphen - der umgekehrte Weg eingeschlagen. Die Geometrieaufgaben beinhalten zwar nur die üblichen Schnitt- und Lageprobleme, aber das ist wohl die gemeinsame Schnittmenge der Geometrieunterrichtsveranstaltungen. Die Fähigkeit zum Modellbilden (d.h. hier die begründete Auswahl des "richtigen" Standardmodells) wird leider nur in den (mir recht gelungen erscheinenden) Stochastikaufgaben angesprochen. Als Kritikpunkt mancher Aufgaben dieses Abschnitts ist anzumerken, daß sie auch zur mehrfachen Ableitung von Funktionen der Art Polynom mal Exponentialfunktion und ähnlichen Fertigkeiten auffordern, die mit mathematischer Einsicht nicht unbedingt viel zu tun haben müssen.

Da der dritte Teil einer mündlichen Prüfung ein Themengebiet zum Inhalt haben sollte, das von der vorgelegten Aufgabenstellung verschieden ist, werden auch hierfür 6 Beispiele (davon wieder 1/3 aus der Stochastik) in aufbereiteter Form geliefert. Allerdings ist es problematisch, wenn die Autoren auch hier das Abfragen gelernter Kalküle u.U. sogar propagieren: "Bei leistungsschwächeren Prüflingen ist es eventuell zweckmäßig, (noch) mehr Rechnungen konkret durchführen zu lassen" (S. 105). Ist es nicht ehrlicher (wenn auch unpopulärer), einem Schüler, der zwar (wie ein entsprechendes Programm) formal richtig ableiten kann, aber gar nicht weiß, was eine Ableitung ist, eben dies auch durch eine entsprechend schlechte Note zu bescheinigen?

Für das Training der Schüler sind vor allem 43 weitere gelöste Aufgaben gedacht (ein knappes Fünftel aus der Stochastik). Deshalb enthalten sie auch Andeutungen, wie sich das vertiefende Prüfungsgespräch entwickeln könnte.

Insgesamt kann man den Autoren durchaus bescheinigen, daß sie mit ihrem Buch einen Beitrag zur Handlungskompetenz der Lehrer geleistet haben. Und auch die Schüler als zweite Zielgruppe dürften es für ihr Training als hilfreich empfinden.

Jörg Meyer

Schäfertrift 16
31789 Hameln

Stochastik in der Schule 13(1993)3, 47-49

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 13 (1993)
Heft 3

Hans-Dieter Sill: Rezension von
'Manfred Borovcnik: Stochastik im Wechselspiel von Intuition und Mathematik'
BI-Wissenschaftsverlag, Mannheim 1992, Lehrbücher und Monographien zur Didaktik der Mathematik, Band 10, 453 S., ISBN 3-411-03206-5

1. Inhaltsüberblick

Beim Lesen des instruktiven Vorwortes werden hohe Erwartungen an den Band 10 dieser Reihe geweckt, der vier Jahre nach dem Band 9 und ein Jahr nach Band 18 erschien. M. Borovcnik berührt einen weiten Kreis philosophischer, erkenntnistheoretischer, psychologischer und didaktischer Fragen und beleuchtet so den komplizierten Hintergrund des Stochastikunterrichts in vielfältiger Weise.

Die Monographie enthält folgende 5 Kapitel:

1. Intuitionen und Mathematik (97 S.)
2. Intuitive Ideen der klassischen Statistik (79 S.)
3. Intuitive Ideen im Bayes-Ansatz (80 S.)
4. Intuitive Vorstellungen von Personen (69 S.)
5. Verständnis der Theorie über ihre Anwendungen (104 S.)

Im Kapitel 1 spannt der Autor zur Einordnung seiner Betrachtungsweise den Bogen bis zu Problemen von Gegenstand und Strukturen der Mathematikdidaktik. Er versucht, in knapper Weise drei unterschiedliche Strömungen mit dem Modell einer Dreierbeziehung aus Theorie, Realität und Subjekt einheitlich zu beschreiben und in Beziehung zu setzen. Damit bereichert er die "didaktische Dreieckslehre" um ein weiteres Konstrukt, das sich bei aller Problematik, auf die noch eingegangen werden soll, an vielen Stellen im Buch als nützliches Verständigungsmittel erweist.

In den weiteren Abschnitten des ersten Kapitels entfaltet M. Borovcnik bereits fast das ganze Spektrum seiner Ideen. In reduzierter, oft nur thesenhafter Form werden wesentliche Gedanken und Ergebnisse geäußert, die in den folgenden Kapiteln meist viel ausführlicher aufbereitet und begründet werden. Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht der Abschnitt zur Geschichte stochastischer Ideen und ihrer Mathematisierung. Borovcnik versteht es, einen guten, kurzgefaßten Überblick über die Geschichte der Stochastik zu geben und dabei wesentliche Knotenpunkte der Theoriegeschichte herauszuarbeiten.

Überzeugend verdeutlicht der Autor am Beispiel des einfachen Münzwurfes und an weiteren Beispielen, daß in der Stochastik Intuitionen und Theorie in einem besonders widersprüchlichen und komplizierten Verhältnis stehen. Die originären graphischen Darstellungen lassen die Vielschichtigkeit und Verschwommenheit der Gedanken und Beziehungen erahnen, sind aber für sich schwer durchschaubar und so wenig hilfreich.

Im 2. Kapitel zeigt der Autor ausführlich, welche Intuitionen mit den Begriffen Wahrscheinlichkeit, zufällige Auswahl, Erwartungswert und Streuung verbunden sind. Dabei werden eine Reihe bemerkenswerter Zugänge zu diesen Begriffen entwickelt, die in dieser Art noch nicht oder selten in der fachdidaktischen bzw. der Schulbuchliteratur zu finden sind. Insbesondere die Auseinandersetzung mit dem traditionellen und in fast allen Schulbüchern praktizierten Weg zum Finden des Zusammenhangs von Wahrscheinlichkeit und relativer Häufigkeit durch das Verdeutlichen des "Stabilwerdens " der relativen Häufigkeit sollte jeden zum Umdenken veranlassen. Der Vorschlag von M. Borovcnik, der auf eine Idee von Freudenthal zurückgeht, scheint mir den intuitiven Vorstellungen und erforderlichen Interpretationen weit besser zu entsprechen.

Interessant und lesenswert sind ebenfalls die wissenschaftstheoretischen Analysen zum Problem der Repräsentativität einer Stichprobe. Sie zeigen m.E., daß historische Betrachtungen im Unterricht für das Verständnis fundamentaler Ideen möglicherweise sehr wirkungsvoll sind.

Das Kapitel 3 ist der Widerspiegelung intuitiver Vorstellungen durch die Bayes-Statistik gewidmet. Der Verfasser begründet und entwickelt ausführlich das von ihm schon in früheren Publikationen vorgeschlagene "Begünstigen-Konzept" und das Arbeiten mit Chancenverhältnissen. An einer Vielzahl gründlich diskutierter Beispiele wird gezeigt, wie mit dieser Methodik das Bayessche Denken in Informationen besonders einleuchtend gemacht und Hemmnisse, etwa im Verständnis von Symmetrie, fehlender Transitivität und Fallunterscheidung, überwunden werden können. Mehrfach stellt der Autor die Komplementarität Bayesscher Betrachtungen zur klassischen Statistik heraus, die durch die Arbeit mit umgekehrten Baumdiagrammen auch visuell erkennbar wird. Auf das Bayessche Prinzip wird nicht eingegangen.

Im 4. Kapitel setzt sich M. Borovcnik kritisch mit der Methodik und den Ergebnissen oft referierter psychologischer Untersuchungen zu stochastischen Primärintuitionen auseinander. Er zeigt die Grenzen und die Fragwürdigkeit der Forschungsresultate auf, die letztlich auch ein Spiegelbild der theoretischen und intuitiven Vorstellungen der Forscher sind. Wichtig scheint mir u.a. der Hinweis auf den Konflikt zwischen Reflexionen und Handlungen zu sein. Es ist ein Unterschied, ob über Bewertungen von Möglichkeiten reflektiert wird oder ob der Proband sich für eine konkrete Handlung entscheiden soll, wofür etwa im Fall der Gleichwahrscheinlichkeit weitere Strategien herangezogen werden müssen.

Eine interessante interpretative Leistung stellen die Ausführungen im 5. Kapitel zum Vergleich von klassischer und Bayesscher Bearbeitung von Anwendungsproblemen dar. Unter Verwendung bekannter mathematischer Zusammenhänge wird an einschlägigen Beispielen (Teilungsproblem, 3-Urnen-Problem von Riemer, Diagnosetest) sowie typischen statistischen Fragestellungen (Schätzen von Wahrscheinlichkeiten und Mittelwerten, Angabe von Vertrauensintervallen sowie Testen von Hypothesen) in dieser prägnanten Form meines Wissens erstmalig eine umfassende Analyse der relevanten methodologischen Probleme vorgenommen.

Besonders interessant ist die Diskussion einer Rekonstruktion der klassischen Methoden durch Bayes-Methoden. Dabei wird zunächst formal der Bayes-Ansatz als eine Erweiterung des klassischen Vorgehens aufgefaßt und eine a priori-Verteilung errechnet, die in der Bayes-Statistik numerisch die gleichen Ergebnisse liefert, wie das klassische Verfahren.

Trotz der meist nur stichpunktartigen und beispielhaften Referierung der mathematischen Beziehungen, werden die inhaltlichen Unterschiede der beiden Methoden überzeugend herausgearbeitet. Insbesondere wird durch diesen formalen mathematischen Vergleich noch einmal sehr deutlich, daß die Bayes-Methoden bedeutend besser geeignet sind, die eigentlich interessierenden Fragestellungen der Beurteilenden Statistik zu bearbeiten.

Die klassische Testmethodik nach Neyman und Pearson ist genuin mit zahlreichen Unzulänglichkeiten und Interpretationsschwierigkeiten behaftet, die eine Anwendung lediglich im Fall einer möglichen hinreichend häufigen Wiederholung des Testes unter gleichen Bedingungen sinnvoll macht. Es können zudem vom Ansatz her nur Aussagen über künftige Ereignisse getroffen werden. Bayes-Methoden erlauben dagegen einen Rückblick auf die konkret vorliegende Situation, sie gestatten Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Richtigkeit der untersuchten Hypothesen bzw. über die Wahrscheinlichkeit von Irrtümern.

2. Gedanken zu einigen Problemen

Bei der Fülle der Probleme, die Borovcnik anreißt und der oft zugespitzten Art der Formulierungen, bleibt es nicht aus, daß einiges zum Widerspruch herausfordert. Die breite Anlage der Monographie erlaubt es ihm zudem nicht, alles in der erforderlichen Gründlichkeit zu bearbeiten.

Trotz vieler Anregungen für den Schul- und Hochschulunterricht, die das Buch bietet, bleiben die meisten didaktischen Fragen unbeantwortet. Es ist der Phantasie des Lesers überlassen, zu erahnen, was man in der Schule anders machen müßte und seiner realistischen Einschätzung, was davon machbar ist.

Insbesondere bleibt die Frage offen, welche Konsequenzen sich für Ziele und Inhalte des Stochastikunterrichts aus der dargestellten Situation ergeben, die von Wickmann (1990), Riemer (1991) und jüngst recht drastisch auch von Diepgen (1992) in ähnlicher Weise charakterisiert wird. Wenn aus wissenschaftstheoretischer Sicht die Inadäquatheit der klassischen Methoden in der Beurteilenden Statistik so klar hervortritt, ist ihre Behandlung im Unterricht nicht mehr zu rechtfertigen. Eine zusätzliche Aufnahme der Bayes-Statistik in den Unterricht und ihre Gegenüberstellung mit den in der Praxis ja immer noch dominierenden klassischen Methoden scheint mir inhaltlich und zeitlich nicht machbar zu sein.

Es bleibt nur übrig, entweder angesichts des Dilemmas in der Wissenschaft Statistik auf eine explizite Behandlung von Methoden der Beurteilenden Statistik ganz zu verzichten, oder aber die Bayes-Statistik für die Schule aufzubereiten. Dazu wären jedoch noch erhebliche Anstrengungen erforderlich. Weder die Monographien von Riemer und Wickmann noch die vorliegende Arbeit liefern z.B. einen realistischen und abgeschlossenen stoffdidaktischen Ansatz, von empirischen Untersuchungen zur Umsetzung möglicher Konzepte ganz zu schweigen.

Die für mich wichtigste Erkenntnis nach Lesen des Buches ist eine neue Sicht auf das Verhältnis objektivistischer und subjektivistischer Betrachtungsweisen, die zu einer Korrektur meiner erst jüngst dargelegten Auffassungen führt (Sill 1992). Während ich bisher die Bayes-Statistik als eine zwar wichtige, aber substantiell nicht notwendige Ergänzung ansah und im Prinzip subjektivistische Wahrscheinlichkeiten auf subjektive Schätzungen objektiver Wahrscheinlichkeiten reduzierte, glaube ich heute, daß zwei Arten von Wahrscheinlichkeiten existieren, die unterschiedliche und z.T. einander ausschließende Eigenschaften haben.

Der Begriff der objektiven Wahrscheinlichkeit spiegelt eine (physikalische) Eigenschaft eines realen Prozesses wider, nämlich objektives Maß für die mögliche Verwirklichung eines Ergebnisses dieses Prozesses bei Vorliegen eines bestimmten Bedingungsgefüges zu sein. Mit der subjektiven Wahrscheinlichkeit wird eine Eigenschaft eines subjektiven Erkenntnisprozesses erfaßt. Sie ist Maß für die Sicherheit (Wahrheit) einer Aussage, die ein Subjekt auf der Grundlage ihm vorhandener Informationen über ein bereits eingetretenes, aber unbekanntes Ergebnis eines zufälligen Vorgangs trifft. Eine Verabsolutierung eines der Aspekte führt zur objektivistischen bzw. subjektivistischen Wahrscheinlichkeitstheorie.

Es ergibt sich die berechtigte Frage, ob für zwei verschiedene Dinge nicht auch unterschiedliche Bezeichnungen einzuführen wären, wie ja auch für den Begriff der Unabhängigkeit im Fall subjektiver Wahrscheinlichkeiten der Terminus Austauschbarkeit (exchangeability) üblich ist. Mir scheint jedoch der Zusatz der entsprechenden Adjektive ausreichend zu sein.

Nicht verständlich ist mir die mehrfach geäußerte Bemerkung, daß in der Explorativen Datenanalyse (EDA) von der Zufälligkeit der Daten abgesehen und nur nach Mustern im Datensatz gesucht wird. Gemeint kann nur sein, daß die Daten nicht aus einer Zufallsstichprobe stammen müssen und so nicht der Anspruch auf Repräsentativität besteht. Trotzdem sind die Daten aber Ergebnis zufälliger Prozesse und mit der "Mustererkennung" wird letztlich das Ziel verfolgt, stochastische Zusammenhänge aufzudecken, die dann bei Bedarf mit genaueren statistischen Verfahren weiter untersucht werden können.

3. Abschließende Bemerkungen

Das Buch reiht sich ein in die aktuelle Diskussion von Grundlagenfragen einer Didaktik der Stochastik. Es werden die bisher in der Literatur verstreuten Auffassungen des Autors zusammengetragen, strukturiert und durch eine Fülle neuer Gedanken angereichert.

Die Hauptleistung sehe ich in der in den Kapiteln 4 und 5 vorgenommenen kritischen Analyse psychologischer Untersuchungen und fachwissenschaftlicher Methoden. Die gewählte Methode der Analyse von Sachverhalten unter komplementären Aspekten halte ich für sehr fruchtbar. Es wird deutlich, daß gerade das Wechselverhältnis von Intuitionen und theoretischen Konstrukten grundlegend für Lernprozesse in der Stochastik ist. Viele Probleme in der Akzeptanz der Stochastik bei Lehrern und im Verständnis wichtiger Begriffe und Denkweisen bei Schülern liegen m.E. in der unzureichenden Beachtung intuitiver Vorstellungen im Unterricht.

Trotz einiger langatmiger und weitschweifiger Passagen sowie häufiger Wiederholungen gleicher Gedanken ist das Buch gut lesbar. Ich hätte mir gewünscht, daß neben den inhaltlichen Orientierungen zu Beginn eines jeden Abschnittes auch eine Einordnung der folgenden Ausführungen in den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Entwicklung erfolgt wäre.

Die Monographie eignet sich nicht primär als Einstieg in die Stochastik als didaktische oder als mathematische Disziplin, aber sie sollte ein entscheidender Anstoß aller mit dem gegenwärtigen Zustand unzufriedener Vertreter beider Disziplinen sein, eine Neuorientierung in Forschung, Lehre und Unterricht vorzunehmen. Sie kann Grundlage für ein ganzes Forschungsprogramm werden.

4. Literatur

Diepgen, R.: Objektivistische oder subjektivistische Statistik?: Zur Überfälligkeit einer Grundsatzdiskussion. Stochastik in der Schule 12(1992) 3, 48-54
Riemer, W.: Stochastische Probleme aus elementarer Sicht. Mannheim, Wien, Zürich: BI-Wiss.-Verl. 1991
Sill, H.-D.: Rezension zu: Wickmann, D.: Bayes-Statistik: Einsicht gewinnen und entscheiden bei Unsicherheit . Mathematische Texte, Bd. 4, Mannheim, Wien, Zürich: BI-Wiss.-Verlag 1990. ZDM 24(1992) 3, 86 -88
Wickmann, D.: Bayes-Statistik: Einsicht gewinnen und entscheiden bei Unsicherheit. Mannheim, Wien, Zürich: BI-Wiss.-Verl. 1990

Prof. Dr. Hans-Dieter Sill

Universität Rostock
Fachbereich Mathematik, Universitätsplatz 1
18055 Rostock

Stochastik in der Schule 18 (1998) 3, 50

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 15 (1995)
Heft 1

Herbert Henning und Brigitte Leneke: Rezension von
'Herbert Kütting: Beschreibende Statistik im Schulunterricht'
Lehrbücher und Monographien zur Didaktik der Mathematik, Band 24. BI-Wissenschaftsverlag, Mannheim 1994, ISBN 3-411-16841-2

Herbert Kütting legt nach seiner Monographie "Didaktik der Stochastik" nun ein neues Buch zu einem für den Mathematikunterricht der SI und SII wichtigen Inhaltsbereich vor, der Bedeutung auch (und gerade) neben einem eigentlichen Stochastikunterricht hat.

In dieser, mit einer Fülle von sorgfältig ausgewählten Beispielen angereicherten Monographie werden Sachkenntnisse zum Arbeiten mit statistischen Daten, die in unterschiedlichen Formen (Tabellen, Grafiken) gegeben sind, vermittelt. Dabei geht es auch um das kritische Argumentieren zum Umgang mit statistischen Daten, Manipulationsmöglichkeiten bei der Datenaufbereitung, auftretende Fehler und Konsequenzen als Fehl- und Falschinterpretationen von Daten und Statistiken.

Die Beispiele wurden vor allem außermathematischen Sachgebieten entnommen. An diesem reichhaltigen Beispielmaterial werden auch im Kapitel III und IV die mathematischen Grundlagen (Begriffe, Verfahren, Methoden) abgehandelt. Dadurch wird für den "alltäglichen" Mathematikunterricht die Anwendbarkeit der Begriffe und Methoden der beschreibenden Statistik aufgezeigt. In den 7 Kapiteln werden, immer unter didaktischen Aspekten betrachtet, Inhalte eines "Statistikunterrichts“ abgehandelt:

Die Erarbeitung der Begriffe und Methoden der beschreibenden Statistik erfolgt beispielbezogen, stets unter fächerübergreifendem Aspekt. Interessant dabei ist, daß jede sachbezogene Interpretation der Daten eine sehr intensive Auseinandersetzung mit den Sachgebieten notwendig macht. Dadurch wird z.B. ein wichtiger Beitrag zur politischen und sozialen Bildung geleistet.

Eine Fülle von Anregungen für den Unterricht liefert das Kapitel VII. Fehler und Manipulationsmöglichkeiten. Angereichert mit Originalbeispielen aus dem Alltag (es werden u.a. sehr illustrative Ausrisse aus Printmedien verwendet) werden Fehler und Manipulationsmöglichkeiten im Umgang mit Daten (Fehler bei der Erhebung, Aufbereitung und Interpretation) nicht nur aufgezeigt, H. Kütting kommentiert das vielfältige Beispielmaterial immer mit Blick auf Ursachen und Wirkungen dieser Fehler und zeigt relevante Möglichkeiten, wie Fehler und Fehlinterpretationen vermieden bzw. beseitigt werden können. Das Buch wendet sich gleichermaßen an Lehrer und Studenten mit dem Fach Mathematik aller Schulstufen und ist insbesondere für eine systematische Lehrerfortbildung gut geeignet.

Gerade für Studenten liefern die Kapitel III. Grundbegriffe der Statistik sowie V. Statistische Meßzahlen und VI. Lineare Regression und Korrelation eine exzellente Grundlage für das wissenschaftliche Studium der (bezogen auf den Unterricht vor allem in der SII) beschreibenden Statistik als Teilgebiet der Stochastik mit einem durchaus hohen mathematischen Anspruch.

Der Autor verzichtet auf die Möglichkeiten der Darstellung statistischer Zusammenhänge (z.B. Lineare Regression) und bei der Behandlung von grafischen Darstellungen auf Erörterungen zum Einsatz z.B. grafikfähiger Taschenrechner. Vertiefende Aussagen auch zur Explorativen Datenanalyse wären wünschenswert gewesen. Die Hinweise zur praktischen Unterrichtsgestaltung qualifizieren die Monographie als methodische Hilfe für den Lehrer.

Eine umfassende Bibliographie zum Themenkreis vervollständigt dieses leicht verständliche und gut lesbare Buch, das den Stochastikunterricht weiterbefördern wird.

Prof. Dr. Herbert Henning – Dr. Brigitte Leneke

Institut für Algebra und Geometrie, Fakultät für Mathematik
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Postfach 4120
39106 Magdeburg

Stochastik in der Schule 15(1995)1, 54-55

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 15 (1995)
Heft 1

Gerhard König: Rezension von
'Alfred Müller (Hrsg.): Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte der Sekundarstufe II. Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik'
Loseblattsammlung. Stark Verlag, Freising

Aufgabensammlung, die dem Lehrer helfen will, einen anspruchsvollen und abwechslungsreichen Unterricht zu gestalten. Neben den Aufgaben sind Anregungen für den Unterricht kapitelweise eingegliedert.

Die Aufgaben, geordnet nach thematischen Gesichtspunkten, sind alle mit ausführlichen, erklärenden Lösungen versehen und können zur gezielten Vorbereitung und Einübung von Einzelaspekten bis hin zur Abiturvorbereitung und zur Erstellung von Prüfungsaufgaben verwendet werden.

Die Unterrichtsausarbeitungen bringen Anregungen zur Methodik, stellen einzelne Probleme, auch schwierige aus der Stochastik, für den Einzelgebrauch verständlich dar, bieten Themen, Arbeitsaufträge und Literatur für Facharbeiten und Referate sowie Fragen zum täglichen Unterricht, zur Colloquiumsprüfung und zur mündlichen Abiturprüfung und geben einen Einblick in die praktische Anwendung der Stochastik. "Schmankerln" aus der Stochastik würzen dieses Fachgebiet.

Die im Herbst 1994 erschienene Ergänzung 17 enthält Schulaufgaben zur Stochastik sowie Fragen und Antworten für mündliche Abfragen im Unterricht in multiple-choice-Form. Diese Tests sind so angeordnet, daß sie seitenweise kopiert werden können. In dem Kapitel "Schmankerln" ist ein Beitrag zum kopernikanischen Prinzip für zukünftige Entwicklungen zu finden. Aus realistischen Aufgaben werden hier interessante Schlußfolgerungen bis hin zur "Beantwortung" der Frage, ob es intelligente Lebewesen außerhalb der Erde gibt, gezogen.

Die im Frühjahr erschienene 16. Ergänzungslieferung zum Abonnement enthält Aufgaben und Lösungen zu Markov-Ketten mit drei Zuständen und Stochastikaufgaben auf Abiturniveau. Ferner wird ein neues Zufallsgerät vorgestellt, das Zufallslineal, mit dem viele zufällige Vorgänge mit geringem Zeitaufwand simuliert werden können.

Durch den breit gefächerten Inhalt und regelmäßige neue Ergänzungen wächst diese Sammlung im Laufe der Zeit zu einem Nachschlagwerk für Lehrer über die gesamte Stochastik an.

Die Erstlieferung des Grundwerks besteht aus einem Sammelordner, ca. 310 Seiten Aufgaben mit Lösungen und Unterrichtsmaterialien sowie einem Register und kostet ca. 30 DM. Weitere Anfragen bei StD A. Müller, Falkeneggstr. 21, 96450 Coburg. Hier können Sie auch Aufgaben und Unterrichtstexte für die Veröffentlichung in dieser Loseblattsammlung loswerden.

Gerhard König

Fachinformationszentrum
(FIZ) Karlsruhe
Hermann-von-Helmholtz-Platz
76344 Eggenstein-Leopoldshafen

Stochastik in der Schule 15(1995)1, 56-57

 

 

Stochastik
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Band 15 (1995)
Heft 3

Gerhard Brüstle: Rezension von
'Karl Bosch: Lotto und andere Zufälle. Wie man die Gewinnquoten erhöht'
Vieweg, Wiesbaden 1994; 260 S.

Einer Zeitungsmeldung zufolge gaben die Bundesbürger im "Lotto-Rekordjahr" 1994 im Durchschnitt rund 160 DM für ihre Spielleidenschaft aus. Von den rund 13 Milliarden Mark, die insgesamt eingesetzt wurden, entfiel der größte Batzen, nämlich knapp 8 Milliarden Mark, auf das Samstags-Lotto "6 aus 49". Bekanntermaßen wird aber nur die Hälfte dieses Umsatzes wieder ausgeschüttet, mit der anderen Hälfte werden Sport und Kultur gefördert (jüngstes Beispiel: Lotto-Zuschuß zum Ankauf des Dix-Gemäldes "Die Skatspieler").

"Die Leute spielen ohnedies" - so faßte ein Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag die heftige Diskussion um die Einführung des Zahlenlottos im Jahre 1958 zusammen. Er kam mit der Mehrheit des Parlaments zu der Erkenntnis, daß die Einführung des Zahlenlottos zwar möglicherweise nicht moralisch, auf jeden Fall aber zweckmäßig sei.

Dieser Einschätzung kann man aus heutiger Sicht sicher nur zustimmen.

Wie es aber nun anstellen, daß man als Lottospieler möglichst große Chancen auf Teile der in die Ausschüttung gelangenden Hälfte hat? Hierzu gibt uns Karl Bosch im letzten Teil seines Werkes auf rund 100 Seiten Auskunft.

Zwei (für den Laien möglicherweise überraschende) Sachverhalte werden eingangs klargestellt:

Erstens: keine Tipreihe ist vom Zufall bevorzugt oder benachteiligt. So ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, mit der die Reihe 1;2;3;4;5;6 als Ergebnis einer Samstagsziehung auftritt, also nicht geringer als die irgendeiner anderen Reihe.

Zweitens: man muß bemüht sein, gegen die anderen Lottospieler zu tippen. Das bedeutet, daß beliebte Tipreihen zu meiden sind. Wer möchte schon gerne, wenn Fortuna einem sechs Richtige beschert hat, den für diese Gewinnklasse vorgesehenen Ausschüttungsanteil mit andern teilen? Niemand.

Der Autor hat knapp 7 Millionen zufällig ausgewählte, getippte Reihen eines Spielsamstages des Jahres 1993 analysiert. Er stellt unter anderem fest:

Zur Berechnung von solchen und anderen Anzahlen, die das Lottospiel oder andere Probleme betreffen, bedarf es der Kombinatorik. Unter anderem hiervon handeln die ersten rund 150 Seiten des vorliegenden Werkes, wie der folgende Überblick des Buchinhaltes zeigt:

(Der Buchtitel steht also offenbar nur für einen Teil des Inhalts.)

Der Autor hat es sich laut Klappentext zum Ziel gemacht, Grundbegriffe aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, die auch sonst im täglichen Leben oft benutzt werden, für jedermann möglichst anschaulich und verständlich darzustellen.

Dieses Vorhaben ist gelungen: anhand eingängiger, klassischer Beispiele (Gewinnchancen bei verschiedenen Glücksspielen, Ziegenproblem, Geburtstagsproblem, Beispiele zur Mittelwertproblematik usw.) werden stochastische Denk- und Vorgehensweisen vorgestellt sowie Irrwege (Über die statistische Lüge, Glückspirale von 1971 usw.) im Problemkreis der Stochastik auch für den interessierten Laien nachvollziehbar offengelegt.

Die Überlegungen zum Samstags-Lotto sind grundsätzlich nicht neu, aber ausführlich und ansprechend dargeboten.

In seiner schlaglichtartigen Beleuchtung verschiedener Themengebiete mit dem Ausgangspunkt von Alltagserfahrungen bzw. -geschehnissen ist das vorliegende Werk als schmackhafte Einführungskost zur Stochastik zu empfehlen.

StD Gerhard Brüstle

Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien)
Stuttgart 1
Hohe Straße 1
70174 Stuttgart

Stochastik in der Schule 15(1995)3, 50-52

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 15 (1995)
Heft 3

Gerhard König: Rezension von
'Gerhard Brüstle: Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Klasse 10'
Landesinstitut für Erziehung und Unterricht (LEU), Stuttgart 1994

Nach dem neuen gymnasialen Bildungsplan von 1994 der Klassen 10 und 11 in Baden-Württemberg sind in Klasse 10 zuerst die grundlegenden Begriffe zu erarbeiten (hierbei wird auch von Glücksspielen die Rede sein) und schließlich in Klasse 11 dann als ein wichtiges Anwendungsgebiet das Testen von Hypothesen zu thematisieren. Denjenigen Kollegen dieses Bundeslandes, die im Studium und auch später mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht in Berührung gekommen sind, will dieses Heft eine erste fachliche Einführung bieten. Gleichzeitig werden auch Anregungen zur didaktischen Umsetzung gegeben. Dieses Heft bietet aber nicht nur den Kollegen in Baden-Württemberg seine Hilfe an, sondern ist auch für alle Lehrer, die Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Sekundarstufe I zu unterrichten haben, interessant. Es werden alle wichtigen Themen behandelt und - was wichtig, ist - mit interessanten Anwendungen verbunden

Begonnen wird mit zwei Problem-Klassikern, welche nach Meinung des Autors auch als Unterrichtseinstieg dienen können:

Nun genauer zum Inhalt: Die behandelte Thematik wird aufgeteilt in die vier Kapitel 1. Zufallsexperiment, Ereignis, der Begriff Wahrscheinlichkeit, 2. Berechnung von Wahrscheinlichkeiten mit der Pfadregel, 3. Kombinatorik, und 4. Verknüpfungssätze und Unabhängigkeit.

Im ersten Kapitel werden nach der Klärung des Begriffs Zufallsexperiment (mit Beispielen aus Münzwerfen und Kartenspielen) der klassische, empirische und axiomatische Wahrscheinlichkeitsbegriff diskutiert. Eine vierte Möglichkeit, Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen, ist durch Simulationen gegeben. Der Autor bietet dazu ein in Pascal geschriebenes Programm an mit folgenden Schüleraktivitäten:

Im zweiten Kapitel werden Wahrscheinlichkeiten mit der Pfadregel berechnet. Die Beispiele sind nicht so toll, aber es wird herausgearbeitet, wie die Pfadregel geschickt gehandhabt wird, z.B. durch Betrachtung nur eines Teilbaums oder durch Zusammenfassung bestimmter Äste. Eine weitere Erkenntnis ist, daß bisweilen die Berechnung über das Gegenereignis bedeutend einfacher ist. Sehr ausführlich wird darauf das klassische Geburtstagsproblem samt methodischen Hinweisen abgehandelt.

Ein Hauptkapitel ist der Kombinatorik gewidmet. Kombinatorik ist die Lehre vom Bestimmen von Anzahlen. Dieses Bestimmen von Anzahlen ist in der Sekundarstufe I beim Berechnen von Wahrscheinlichkeiten mit Hilfe des Laplaceschen Ansatzes von großer Bedeutung. Man kann jedoch auch Kombinatorik an interessanten Fragestellungen ("Weißt du wieviel .. ... ? ") betreiben, ohne ihre Anwendung in der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Hinterkopf zu haben.

In diesem Band kommen zur Grundlegung kombinatorischer Kenntnisse zuerst das allgemeine Zählprinzip und dann drei Standardfälle zur Sprache. (Ziehen mit und ohne Zurücklegen, Ziehen mit einem Griff, d.h. die Fakultät). Die hier verwendete Formulierung dieser drei Fälle bezieht sich auf das geläufige Modell "Ziehen aus einer Urne".

Der Verfasser beginnt mit folgenden Sätzen: "Erfahrungen vieler Kollegen im Kombinatorikunterricht lauten so: Zuerst ist es zu einfach, wenn man noch alle Möglichkeiten aufschreiben kann, und wenn dies nicht mehr der Fall ist, dann ist es zu schwierig. Günstig ist es auf jeden Fall, Vorstellungen an Aufschreibbarem zu entwickeln und wo nötig, immer wieder zu Aufschreibbarem zurückzukehren."

Mit diesen Grundlagen aus der Kombinatorik kann man Wahrscheinlichkeiten berechnen. Dies wird besonders an den Beispielen "Multiple - Choice - Aufgaben" und "Zahlenlotto 6 aus 49" gezeigt. Es wird gegen Lotto-Vollsysteme argumentiert, die kleinen Gewinnmöglichkeiten beim Lotto werden verdeutlicht und es wird gezeigt, wie man für den Fall eines Gewinns für höhere Quoten sorgt. Ein Anhang beschäftigt sich mit Zufallszahlen.

Der vierte und letzte Abschnitt behandelt Kernthemen der Wahrscheinlichkeitsrechnung: Additionssatz, Unabhängigkeit von Ereignissen, Multiplikationssatz. Hierzu werden wieder gute Beispiele aus der Praxis detailliert dargestellt.

Ein Anwendungsbeispiel, in dem abhängige Ereignisse und zugehörige Wahrscheinlichkeiten eine Rolle spielen sind Aids-Tests. Aids-Tests finden mit hoher Zuverlässigkeit Infizierte unter den Untersuchten und klassifizieren mit hoher Sicherheit Nicht-Infizierte als solche. Aber 100%ig, zuverlässige Aussagen können solche Tests nicht machen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist z.B. eine Person mit positivem Testergebnis tatsächlich infiziert? Diese Wahrscheinlichkeit kann sehr klein sein, wie mit Hilfe der bedingten Wahrscheinlichkeiten gezeigt wird.

Für die Unabhängigkeit werden Beispiele aus der Theorie der Zuverlässigkeit gewählt. Eine Maschine besteht aus zwei oder mehreren unabhängig voneinander arbeitenden Teilen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit ("Zuverlässigkeit") funktioniert die Maschine?

Insgesamt gesehen liegt hier eine gute Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung für die Sekundarstufe I vor, die durch viele interessante Beispiele besticht und die dem Lehrer zusätzlich methodisch-didaktische Hinweise aus der Praxis gibt.

Gerhard König

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Stochastik in der Schule 15(1995)3, 53-55

 

 

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Band 16 (1996)
Heft 3

Gerhard König: Volksweisheiten irren? Sammlung von Vor- und Fehlurteilen
Rezension zu Walter Krämer und Götz Trenkler: Lexikon der populären Irrtümer
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1996

Sind Sie von solchen Aussagen überzeugt, wie "Raucher belasten die Krankenkassen", "Schokolade macht süchtig" oder "Fast-Food ist ungesund, zumindest ungesünder als ein Drei-Sterne-Menü"? Wenn Sie mit Ja antworten, dann sind Sie auch einigen der vielen Irrtümer aufgesessen, die uns immer wieder begegnen. So entlasten Raucher z.B. unser Sozialsystem um etliche Milliarden, da sie im Durchschnitt einige Jahre früher sterben als Nichtraucher. Und Fast Food enthält zwar gemessen an seinen Kalorien etwas zu viel Fett und zu wenig Ballaststoffe, dafür aber mehr Vitamine , Calcium und Eisen als andere wesentlich teurere Speisen, usw..

Diese und ähnliche Irrtümer und Vorurteile werden in einem neuen Buch der beiden Statistikprofessoren Walter Krämer und Götz Trenkler besprochen und richtig gestellt. Es ist das 356 Seiten dicke, Medizin, Sozialwissenschaften, Kulturgeschichte, Wirtschaft, Politik und Geschichte streifende Werk "Lexikon der populären Irrtümer". 500 Mißverständnisse, Vorurteile und Fehleinschätzungen wurden von den Autoren gesammelt und werden in diesem Lexikon unter Stichwörtern von Abendrot bis Zeppelin diskutiert und mit Begründungen korrigiert. Jede Aussage ist also mit Quellenangaben versehen, um Zweiflern die Möglichkeit zu geben, den Sachverhalt nachzuprüfen. Dabei hat W. Krämer als Mitherausgeber unserer Zeitschrift diese auch einige Male als Quelle angegeben (Sind AIDS-Tests für alle sinnvoll? Die sicherste Art des Reisens ist das Fliegen?).

Viele der in diesem Buch aufgeführten Irrtümer kennt der Leser sicherlich schon, etwa daß Kamele kein Wasser in ihren Höckern speichern, sondern Fett, oder daß Teflon keine Erfindung der Weltraumfahrt ist, sondern (was nicht allgemein bekannt ist) bereits 1938 als Polytetrafluorethylen erzeugt wurde. Viele andere sind aber interessante Neuigkeiten und verblüffende neue Erkenntnisse.

Davon auch einige Beispiele: Unsere Vorfahren, die Höhlenmenschen, hausten nicht in Höhlen; das Siegel "Made in Germany" war ursprünglich zur Kennzeichnung minderwertiger Produkte vorgesehen; der Bumerang ist keine Erfindung der Aborigines in Australien, sondern war auch im alten Ägypten bekannt; wer bei Asterix und Obelix den Geschichtsunterricht in spannenderer Form vermutet, wird darüber aufgeklärt, daß die Gallier weder Gürtel noch Zöpfe kannten, sondern Hosenträger trugen und sich das Haar mit Naßgel aus Kalkwasser einschmierten; den Inhalt angebrochener Ravioli - oder Würstchendosen umzufüllen bringt nichts, weil Lebensmittel in Plastik genau so schnell verderben wie in Blech.

Aber auch kapitale Böcke werden zitiert und klargestellt. Spinat gilt zum Beispiel als ganz besonders eisenhaltig. Falsch! Der Mythos vom reichlichen Eisen im Spinat entstand durch einen simplen Tippfehler: in einer der ersten Analysen wurde ein Komma versehentlich eine Stelle zu weit rechts gesetzt; damit war im Handumdrehen der Eisengehalt verzehnfacht. Obwohl dieser Fehler schon in den 30er Jahren bemerkt und berichtigt wurde, ist das Vorurteil vom Eisen im Spinat seit damals nicht mehr auszurotten.

Ein anderes Beispiel gefällig? Mieterschutz schützt den Mieter oder in der Bundesrepublik herrscht Wohnraummangel. Der beste Schutz des Mieters ist, wie die beiden Autoren belegen, ein großes Wohnungsangebot und dieses große Wohnungsangebot wird durch Mietkontrollen und Kündigungsschutzgesetze gleich zweifach ausgehebelt und behindert: Potentielle Wohnungen bleiben aus Mangel an Erträgen ungebaut und bereits fertige Wohnungen und Häuser werden aus Furcht vor Mietern, die man nicht mehr los wird, nicht vermietet. Außerdem rechnen die Autoren uns vor, daß sowohl in absoluten Zahlen als auch pro Kopf gerechnet der Wohnraum in Deutschland dramatisch zugenommen hat.

Auch die Mathematik, hauptsächlich Stochastik, ist mit Problemstellungen vertreten. So werden z.B. die Wahrscheinlichkeiten für zwei Mädchen in einer Familie unter bestimmten Fragestellungen diskutiert oder die Wahrscheinlichkeiten für einen Roulettegewinn, für zwei Blitze am gleichen Ort, für Gewinne in Glücksspielen, für Jungen- und Mädchengeburten, an Krebs zu sterben. Ausführlicher wird auf das Geburtstagsproblem sowie das Lottospielen eingegangen. Es wird z.B. gezeigt, daß wir doch etwas beim Lotto tun können. Wir können natürlich nichts an der geringen Gewinnwahrscheinlichkeit ändern, aber die Quoten haben wir als Spieler durchaus in der Hand. Denn indem wir populäre Tips vermeiden, können wir zwar die Gewinnwahrscheinlichkeit nicht erhöhen aber wir können den Gewinn verbessern, falls wir gewinnen. Und das hat für den erwarteten Gewinn den gleichen Effekt als würde die Gewinnwahrscheinlichkeit erhöht.

Es wird weiter erklärt, daß Korrelation nicht Kausalität bedeutet und daß die Lebenserwartung nach den Sterbetafeln uns nicht sagt, wie alt wir werden. Weil diese Zahlen nämlich "nachhinken", werden wir aufgrund besserer Medizin, Hygiene und Ernährung erfreulicherweise älter als die 73 bzw. 79 Jahre die das statistische Bundesamt uns glauben machen will. Ferner werden einige Aussagen aus der Geschichte über die arabischen Zahlen sowie über Archimedes, Galilei oder Ptolemäus korrigiert.

Einige weitere in diesem Buch beschriebenen Irrtümer sollen nur kursorisch aufgezählt werden!

Abendrot verheißt schönes Wetter. Hohe Cholesterinwerte im Blut sind zu bekämpfen. Der Davidstern ist ein altes jüdisches Symbol. Ehemänner leben länger. Die Preise im Gesundheitswesen explodieren. Hungersnöte entstehen durch ein Defizit an Nahrungsmitteln. Intellektuelle sind das moralische Gewissen einer Nation. Das dritte Jahrtausend beginnt um Mitternacht des letzten Tages 1999. Der Kaugummi kommt aus den USA. Mozart war ein armer Schlucker. Grün-Wähler sind besonders umweltbewußt. Präzise Zahlen garantieren Präzision. Schokolade macht süchtig. Eine hohe Staatsverschuldung schadet der Wirtschaft. Vor allem das Altern der Bevölkerung treibt die Kosten im Gesundheitswesen in die Höhe. Deutschland ist das Wirtschaftswunderland Europas.

Insgesamt ein vergnüglich zu lesendes Buch, aus dem man noch etwas lernen kann.

Gerhard König

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Hermann-von-Helmholtz-Platz
76344 Eggenstein-Leopoldshafen

Stochastik in der Schule 16(1996)3, 47-49

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 18 (1998)
Heft 2

Paul Bungartz: Rezension von
'Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger'
Vieweg, Wiesbaden 1997, 303 S., ISBN 3-528-06894-9

Zusammenfassung

Dieses Buch ist für "Einsteiger" sowie für "Wiederholer", für Studenten des Lehramtes und für Lehrer sehr empfehlenswert, auch für den mathematisch interessierten Anwender. Es enthält "nur" elementare mathematische Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik in diskreten Wahrscheinlichkeitsräumen, stetige Betrachtungen sind bewußt ausgelassen, ebenso eine vertiefte Behandlung von Problemen der beurteilenden Statistik. Die Art der Darstellung mit viel Text, die schlüssige Einarbeitung der Beispiele, die Übungsaufgaben mit Lösungen und die Angabe von Lernzielen zu jedem einzelnen Kapitel zeigen, daß dieses Buch insbesondere zum Selbststudium geeignet ist.

Natürlich bedarf es zum Erlangen von soliden Kenntnissen und Verständnis in Stochastik des Studiums von weiterführender Literatur oder des Besuches von Fachvorlesungen. Darauf wird immer wieder hingewiesen. Man hat nach dem Studium dieses Buches geradezu das Bedürfnis, sich mit der einen oder anderen Fragestellung aus Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Statistik intensiver zu beschäftigen. Dies ist ein erster Einstieg in die faszinierende Welt der Wissenschaft vom Zufall. Alle wesentlichen Fakten der elementaren Stochastik, die man bei einem ersten Studium kennenlernen sollte, sind schlüssig erarbeitet.

Es ist wohltuend, dieses Buch zu lesen. Der Text ist klar und einsichtig, es wird immer wieder konkret Mathematisierung betrieben. Modelle zu konkreten, aktuellen Problemen werden erarbeitet, mathematisch in Formeln gefaßt und gelöst. Es wird dabei nie versäumt, auf die Vereinfachung der Realität durch Modellbildung explizit hinzuweisen und in der Statistik (Testen von Hypothesen) vor falschen Schlüssen zu warnen.

Lobenswert ist auch, daß zu allen berühmten Mathematikern, die wesentliches zur Entwicklung der Stochastik beigetragen haben und im Text erwähnt sind, jeweils in einer Fußnote die Lebensdaten und eine Kurzbiographie angefügt ist.

Erwähnt wurde schon, daß keine stetigen Zufallsvariablen und Verteilungen behandelt sind. Es wird auch nicht näher auf die Verwendung von Computerprogrammen eingegangen. Es ist eben ein Buch für Einsteiger und nicht für Profis. Es wäre allerdings schon viel gewonnen, wenn jeder Lehrerstudent nach seinem Studium der Mathematik diese Kenntnisse in Stochastik besäße.

Bewertung im einzelnen

Die Kapitel 1-5 enthalten eine Einweisung in die mathematische Fassung der grundlegenden Begriffe: (1) Zufallsexperiment, Ergebnismenge; (2) Ereignisse; (3) Zufallsvariable; (4) Relative Häufigkeit; (5) Grundbegriffe der beschreibenden Statistik. Die Begriffe werden stets am Beispiel erarbeitet, erläutert, verdeutlicht, sie entstehen sozusagen genetisch aus den Anwendungen, es sind keine "technischen" Definitionen. Die vorausgesetzten mathematischen Kenntnisse sind wirklich minimal.

In den Kapiteln 6-12 wird konkret, jeweils unterlegt mit interessanten, nicht trivialen Beispielen Wahrscheinlichkeitsrechnung getrieben. Dies ist eine Bereitstellung von Fakten für die ab Kapitel 13 behandelten Verteilungen. Nach der Definition von endlichen W-Räumen (6) (später auch abzählbar unendliche W-Räume) und den Axiomen von Kolmogorov wird das Laplace-Modell (7) eingeführt und dabei schon das Teilungsproblem von Pacioli und das Ziegenproblem (3-Türen-Problem) angesprochen. Die Lösungen erfolgen später. Elemente der Kombinatorik (8) und das Urnen-/Teilchen-/Fächermodell (9) werden erarbeitet. Schließlich bespricht der Autor in einem eigenen Abschnitt das Paradoxon der ersten Kollision am Beispiel Zahlenlotto. Stochastik wird vorgestellt als eine faszinierende Wissenschaft, die auch auf solche Fragen eine Antwort hat. Die Formel des Ein- und Ausschließens (Siebformel) (11) wird ebenso wie Erwartungswert (12) für die Bearbeitung in den nachfolgenden Kapiteln erarbeitet.

Die Kapitel 13-19 behandeln jeweils mit interessanten Beispielen unterlegt diskrete Verteilungen: Die hypergeometrische Verteilung (13), mehrstufige Experimente, Baumdiagramme, Produktexperimente, Pfadregeln (14), Polya's Urnenschema (Ausbreitung von Krankheiten, z.B. AIDS) (15); Gemeinsame Verteilung von 2 Zufallsvariablen, Randverteilungen (18) ; Binomial- und Multinomialverteilung (19). In den Kapiteln (16) und (17) widmet der Autor sich intensiv der Erarbeitung von bedingter Wahrscheinlichkeit und stochastischer Unabhängigkeit. Es werden konkrete Probleme behandelt: Ziegenproblem (3-Türen-Problem); ein HIV-Test (Elisa); das 2-Jungen-Problem. Immer wieder gelingt es dem Autor, die abstrakten Definitionen anhand konkreter Aufgaben zu motivieren, zu verdeutlichen, zu erläutern. Beispiele untermauern die Theorie, doch die theoretischen, abstrakten Formulierungen kommen dabei nicht zu kurz.

Wurden bisher elementare Inhalte der Stochastik ausführlich und in gewisser Weise erschöpfend behandelt, so werden ab Kapitel (20) Inhalte der Stochastik angesprochen, die aufgrund der notwendigen Beschränkung auf "Einsteiger" nur in sehr einschränkender Weise behandelt werden können. Wenn der Leser diese Themen eingehender studieren möchte - beim Durchlesen der Texte erhält man sehr wohl das Gefühl, daß dies notwendig sei - so ist er auf weiterführende Literatur angewiesen. Auf diese wird an den entsprechenden Stelle deutlich hingewiesen. Die Behandlung von Pseudozufallszahlen (20); Varianz (21); Kovarianz und Korrelation (22) bedürfen eines intensiven Studiums, wenn die hier auftretenden Probleme hinreichend verstanden werden sollen. Es wird nur ein Zufallsgenerator angesprochen, das Testen der "Güte" von Zufallsgeneratoren kurz erklärt, die Regressionsgerade erarbeitet und Korrelation von Zufallsvariablen kurz erläutert. Eine intensivere Erarbeitung dieser Inhalte würde den Rahmen des Buches sprengen.

Die Einführung von diskreten (abzählbar unendlichen) Wahrscheinlichkeitsräumen (23), die Besprechung des Wartezeitproblems (24), die Poisson-Verteilung (25), das Schwache Gesetz der großen Zahlen (26) sowie der Zentrale Grenzwertsatz (27) gehören zum Standardwissen in elementarer Stochastik. Die Erläuterung der neuen Begriffe, die Hinführung auf die mathematischen Präzisierung der Aussagen, erfolgt wiederum unterlegt durch einprägsame Beispiele. Für mathematische Einzelheiten in der Herleitung wird auf weiterführende Literatur verwiesen. Ein Beweis des Zentralen Grenzwertsatzes erfolgt für den Spezialfall der Binomialverteilung Bin(2n, 1/2).

Kapitel (28) Schätzprobleme und (29) Statistische Tests beinhalten eine kurze aber prägnante Einführung in die beurteilende Statistik. Schätzungen, Konfidenzintervalle, Maximum-Likelihood-Methode werden "nur" für eine binomialverteilte Zufallsvariable eingeführt, allerdings sehr einsichtig und klar in den Formulierungen. Am Beispiel der "tea-testing-lady" werden die Grundregeln statistischer Testmethoden erläutert, Entscheidungsregeln erarbeitet. Binomialtest, Konfidenzbereiche, Signifikanzniveau, Chi-Quadrat-Test werden auf diesem Niveau eingeführt.

Der hier skizzierte Inhalt des Buches ist für den Adressatenkreis, den der Autor ansprechen möchte, sicher hinreichend . Es werden viele interessante, auch paradoxe Phänomene angesprochen und gelöst. Die Übungsaufgaben passen durchweg zu dem, was vorher erarbeitet wurde. Der Autor bemüht sich um Aktualität der Beispiele. Würfel und Münze werden nicht mehr als notwendig zu Erläuterungen herangezogen. Statt dessen werden interessante Aufgaben wie die Kollision beim Lotto, HIV-Infektion, BSE-Erkrankung, das 3-Türen-Problem, das Problem der vollständigen Serie etc. zur Motivation und für die Erarbeitung der Begriffe benutzt. Es gelingt ihm, die mathematischen Modellierungen in klar verständlicher Form verbal zu erläutern. Er vermeidet dabei bewußt die "nur-mathematische" Herleitung.

Das Buch "Stochastik für Einsteiger" wird der Zielgruppe gerecht. Es ist eine bewußte Einschränkung auf elementare Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. Doch wird der Leser, der als Anfänger dies durchgearbeitet hat, sicher das Bedürfnis verspüren, sich noch intensiver mit dieser interessanten Wissenschaft zu beschäftigen. Er wird (hoffentlich) weiterführende Literatur zur Hand nehmen und studieren.

Prof. Dr. Paul Bungartz

Universität Bonn
Mathematisches Institut, Beringstraße 6
53115 Bonn
paul_bungartz@ math.uni-bonn.de

Stochastik in der Schule 18(1998)2, 44-46

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 18 (1998)
Heft 3

Julie Charlton: Rezension von
'Graham Upton, Ian Cook: Statistik verstehen'
Oxford: Oxford University Press, 1997
Übersetzung der Rezension: Manfred Borovcnik, Klagenfurt

Dieser Text behandelt alle Themen des A-Level-Curriculums und einer einführenden Vorlesung an der Universität. [ ] Jedes neue Kapitel wird mit einer verbalen (intuitiven) Erklärung und einem Beispiel begonnen, dann folgt eine mehr algebraische Darstellung, schlußendlich eine Herleitung mit Beweis. Dies ist besonders attraktiv für Studenten, die gerade das GCSE absolviert haben und noch nicht an die formale Darstellung in der Mathematik gewohnt sind. Das Buch bietet jedoch auch für die herausfordernden Studenten ausreichende Strenge. Enthalten sind viele ausgearbeitete Beispiele, auch aus vergangenen Prüfungen. Jedes Kapitel enthält Vorschläge für die praktische Arbeit mit Taschenrechner und Computer sowie für kurze Projekte. Es gibt viele "Hinweise", die Lernenden helfen, die üblichen Fehler und Mißverständnisse zu vermeiden, und die Beispiele guter Praxis geben sollen. [ ] Schließlich gibt es kurze geschichtliche Anmerkungen.

Die ersten zwei Kapitel decken ein breites Spektrum statistischer Diagramme, Tabellen und zusammenfassender statistischer Kenngrößen ab. Lehrer aus Anwenderfächern wie Geographie werden diese Kapitel genauso nützlich finden wie Lehrer in Statistik. Es gibt auch einen Abschnitt, der sich mit Quellen von Sekundärdaten befaßt - nützlich für die Klassenarbeit. Ich hätte gerne einige Hinweise auf Quellen im World Wide Web gehabt.

Das Buch lädt zum Lesen ein. Die Autoren haben keine Notwendigkeit gesehen, mathematische Strenge mit Eintönigkeit gleichzusetzen. So tauchen ein Cricket spielender Hamlet, verrückte Statistiker wie George Nerdowell und Georgeous Gertie auf. Eine kürzere Version, auch für das A-Level in reiner Mathematik und Statistik geeignet, wird 1998 folgen. Einige Lehrer mögen dies für die Studenten geeigneter finden, aber ich empfehle die Langversion (650 Seiten) als Nachschlagwerk. Das Buch ist bei Oxford University Press erschienen und kostet £ 19,50.

Stochastik in der Schule 18 (1998) 3, 50

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 18 (1998)
Heft 3

Uwe Küchler: Rezension von
'Norbert Schmitz: Stochastik für Lehramtsstudenten'
Münsteraner Einführungen: Mathematik, Informatik. Münster: Lit. 1997, 209 S.

Der Begriff der Stochastik faßt zwei Disziplinen zusammen, und zwar Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematische Statistik. Beide Gebiete befassen sich mit der mathematischen Behandlung zufälliger Erscheinungen in Natur, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft. Unter Verwendung von Hilfsmitteln vornehmlich aus der Mengenlehre, der Analysis und der linearen Algebra werden, vereinfacht gesprochen, in der Wahrscheinlichkeitstheorie Modelle für die unterschiedlichsten Situationen entwickelt, in denen der Zufall eine Rolle spielt, und in der Mathematischen Statistik Methoden erarbeitet, solche Modelle an Hand von realen Daten zu überprüfen bzw. durch Wahl von Parametern an diese Daten anzupassen. Die genannten Disziplinen stehen in enger Wechselbeziehung und besitzen außerdem viele Anwendungen in anderen Bereichen, sowohl der Wissenschaft, als auch in der Praxis: Der Zufall ist überall. Genannt seien hier nur das sehr moderne Gebiet der Stochastik der Finanzmärkte, aber auch Gebiete mit langer Tradition in der Anwendung der Stochastik wie Physik, Medizin, Biologie, Versicherungsmathematik u. a.

Als ein wesentliches Hilfsmittel für Anwendungen der Stochastik erweist sich in immer stärkerem Maße leistungsfähige Rechentechnik einschließlich zugehöriger Software. Dabei ist eine sachgemäße Anwendung dieser Software, insbesondere die Auswertung ihrer Berechnungen, ohne Kenntnis zumindest der Grundlagen der Stochastik kaum oder nur in sehr eingeschränktem Maße möglich. Auch das spricht für das gewachsene Interesse an Grundkenntnissen der Stochastik, für deren Vermittlung dieses Buch einen Beitrag leistet.

Das vorgelegte Lehrbuch ist für Neulinge auf dem Gebiet der Stochastik gedacht und richtet sich vornehmlich an Lehramtsstudenten. Es wird aber auch von Studierenden anderer Richtungen mit Gewinn genutzt werden können. Es ist ein mathematisches Lehrbuch in gut lesbarer und studierbarer Form. Der Autor beschränkt sich auf die für das Verständnis und erste Anwendungen der Stochastik notwendigsten Begriffe und Aussagen, ergänzt sie durch zahlreiche illustrative Beispiele und Aufgaben und ermöglicht so eine erste nähere Bekanntschaft mit diesem reizvollen und lehrreichen Gebiet.

Zugrunde liegen langjährige Erfahrungen des Autors als Hochschullehrer für Stochastik an der Universität Münster. Das macht sich wohltuend bemerkbar bei der systematischen und ausgefeilten Darstellung des Stoffes: einerseits ist sie mathematisch präzise und in dem vom Autor gewählten Rahmen abgerundet, andererseits beschränkt sie sich auf elementare mathematische Hilfsmittel, die jedem Abiturienten zur Verfügung stehen, u. a. Mengen, Abbildungen, Grenzwerte, unendliche Folgen und Reihen, Kombinatorik. Insbesondere verzichtet der Autor auf jegliche Form von Maßtheorie, mit deren Hilfe natürlich ein Großteil des Buches sehr viel allgemeiner, aber auch sehr viel schwieriger für das Verständnis dargestellt werden könnte.

Darüber hinaus versteht es der Autor aber auch, die intuitiven Vorstellungen einzuflechten, die mit den mathematischen Begriffen der Stochastik verbunden sind, und ohne die der Leser kaum die Brücke zwischen dem mathematischen Begriffsgebäude der Stochastik und realen zufälligen Erscheinungen herstellen könnte. Der Leser wird diese Vorstellungen allerdings nur durch aktive Auseinandersetzung mit dem Stoff erwerben. Dafür sind zahlreiche Übungsaufgaben am Ende jedes Kapitels eine gute Unterstützung.

Das Lehrbuch ist als Begleittext für eine einsemestrige Vorlesung konzipiert und als solches dafür auch sehr gut geeignet. Obwohl es bewußt auf einige durchaus in diesem Rahmen denkbare Gebiete verzichtet (z. B. Irrfahrten, Zufallszahlen, erzeugende Funktionen), werden Studierende dennoch mit einer Fülle von Begriffen und Sachverhalten bekannt gemacht. Die Beschränkung kommt der ausführlichen Darstellung des Ausgewählten zugute. Das Buch ist in fünf Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel ist den Laplaceschen Wahrscheinlichkeitsverteilungen (auch als gleichmäßige diskrete Verteilungen bekannt) gewidmet. Ihre Berechnung führt häufig auf kombinatorische Überlegungen, deren Grundzüge ebenfalls in diesem Kapitel dargelegt werden.

Kapitel zwei behandelt diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Ausgehend vom Fall endlicher Zufallsexperimente wird die Sigma-Additivitätseigenschaft von Wahrscheinlichkeitsverteilungen bei Experimenten mit unendlich vielen möglichen Ausgängen diskutiert. Die mathematische Modellierung zufälliger Erscheinungen mit Hilfe der Mengenlehre wird ausführlich dargelegt.

In Kapitel drei, dem umfänglichsten aller sechs Kapitel, wird der zentrale Begriff der Zufallsgröße behandelt. Ausgehend von ihrer Definition als Abbildung von der Menge der möglichen Ausgänge eines Zufallsexperimentes in eine Menge von "Zuständen" werden damit zusammenhängende Begriffe wie Wahrscheinlichkeitsverteilungen, Erwartungswert und Varianz einer Zufallsgröße entwickelt. Die Kovarianz und Korrelation zweier Zufallsgrößen werden untersucht, und mittels der Tschebyschevschen Ungleichung wird ein (sog. schwaches) Gesetz der großen Zahlen als ein Beispiel für ein wichtiges Resultat der Wahrscheinlichkeitstheorie hinsichtlich ihrer Anwendungen bewiesen.

In Kapitel vier geht der Autor über zum Begriff bedingter Wahrscheinlichkeiten und betrachtet die Unabhängigkeit von Ereignissen und Zufallsgrößen. Der Höhepunkt dieses Kapitels und der mathematisch wohl anspruchsvollste Teil dieses Buches überhaupt ist zweifellos der zentrale Grenzwertsatz von Lindeberg-Lévy inklusive eines Beweises.

Die letzten beiden Kapitel sind der Mathematischen Statistik vorbehalten, Kapitel fünf der Schätztheorie (Schätzer, erwartungstreue Schätzer, gleichmäßig beste erwartungstreue Schätzer, Suffizienz und Vollständigkeit) und Kapitel sechs der Testtheorie (Tests zum Niveau a, beste Tests für einfache Hypothesen, Neyman-Pearson-Lemma). Beide Kapitel stellen noch einmal hohe Ansprüche an die Bereitschaft des Lesers, sich in die sicherlich ungewohnte Begriffswelt und Denkweise der Stochastik und speziell der Statistik einzuarbeiten.

Unterstützt werden die Bemühungen des Lesers durch die durchweg sehr klare und anschauliche, mit Beispielen gespickten Darstellung des Stoffes, belohnt werden sie mit der Erkenntnis, daß den mathematisch präzisierten stochastischen und statistischen Denk- und Schlußweisen eigentlich eine ganze Reihe von Alltagserfahrungen und Schlußfolgerungsprinzipien entspricht, und daß man viele zufällige Erscheinungen nunmehr mit wissendem Blick zu beurteilen vermag. An der Entwicklung der Stochastik als mathematische Disziplin waren in der Vergangenheit viele mehr oder weniger bekannte Wissenschaftler beteiligt, dementsprechend tauchen in dem Buch auch viele Namen auf. Es wäre für Anfänger auf dem Gebiet der Stochastik sicher von Interesse und auch von Nutzen, etwas ausführlichere Daten zu diesen Namen zu erfahren.

Insgesamt gesehen ist es dem Autor gelungen, eine elementare, mathematisch fundierte und mit intuitiven Vorstellungen verbundene Darlegung wesentlicher Begriffe und Sachverhalte der Stochastik anzubieten. Auf dieser Basis kann der Leser Anwendungen auf reale Sachverhalte verstehen und selbst vollziehen, und er besitzt ein gutes Fundament für das Studium weiterführender Literatur. Dazu regt das vorliegende Buch sicherlich an.

Stochastik in der Schule 18 (1998) 3, 51-53

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 21 (2001)
Heft 3

Joachim Engel: Rezension von
'Hans-Joachim Mittag und Dietmar Stemann: Multimedia-Lernsoftware: Beschreibende Statistik und explorative Datenanalyse'
2. Auflage - Fernuniversität Hagen, 2001 www.fernuni-hagen.de/STATISTIK

Statistik in ansprechender und anspruchsvoller Weise zu unterrichten ist eine didaktische Herausforderung. Viele Lernende, ob an Schulen oder in universitären Lehrveranstaltungen der Sozial-, Wirtschafts- oder Gesundheitswissenschaft etc. mögen von Statistik schon abgestoßen sein, bevor der Kurs überhaupt angefangen hat, weil ihnen unklar ist, welche Rolle die Lehrinhalte in ihrem weiteren Lernen einnehmen. Erschwerend wirkt sich aus, wenn die Lehre des Faches weitgehend in der Manipulation und Herleitung umständlicher und kaum motivierter Formeln besteht.

Jüngere Forschungen (Garfield 1995) weisen daraufhin, dass der traditionelle frontal ausgerichtete Lehrstil nicht unerheblich zu den Problemen beiträgt. Stattdessen sollten Lernende mehr aktivhandelnd in ihr eigenes Lernen miteinbezogen sein. Neuere Konzepte basieren daher auf handlungsorientierten Unterrichtsmodellen (z.B. Scheaffer et al. 1997) und zeigen, dass Statistikunterricht kein langweiliges Umgraben von Zahlenfriedhöfen ist, sondern sehr spannend, kreativitätsfördernd und interessant sein kann.

Multimedia kann dabei eine wesentliche Rolle spielen in einem Unterricht, der die Eigenaktivität der Lernenden durch interessante, aktuelle und motivierende Beispiele und herausfordernde Experimente fördert. Entsprechend zahlreich ist das Angebot von elektronischen Medien (z.B. Lohninger, 1999; Velleman, 1998) sowie von Makros und Applets zum Statistiklernen im Internet. Siehe z.B.

www.stat.ec.edu/rsrch.gasp oder www.statlets.com

Richten sich viele dieser (überwiegend in englischer Sprache verfassten) Angebote an spezielle Zielgruppen oder illustrieren sie einzelne stochastische Gesetzmäßigkeiten, so ist die Multimedia-Software von Mittag und Stemann die meines Wissens erste Lernsoftware in deutscher Sprache über grundlegende Begriffe der Beschreibenden Statistik, die als erklärte Zielgruppe gleichzeitig Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums sowie Studierende im Grundstudium von Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Technik aufzählt.

Inhaltlich werden in 9 Kapiteln die typischen und grundlegenden Themen der Beschreibenden Statistik behandelt: Grundbegriffe der Datenerhebung, empirische Verteilungen und Kenngrößen univariater Daten, Konzentrationsmaße, empirische Verteilungen multivariater Daten, Zusammenhangsmaße, Regression, Indexrechnung und elementare Zeitreihenanalyse.

Die Inhalte werden auf mehreren Lernebenen präsentiert: nach einer knappen Darstellung des Basiswissens als Grundlagentext für einzelne statistische Grundbegriffe werden per Mausklick erläuternde Erklärungen und theoretische Sachverhalte wahlweise per Ton oder Text präsentiert. Weitere Schaltknöpfe liefern Anwendungsbeispiele, Übungen sowie anspruchsvollere theoretische Erklärungen für wissbegierigere Nutzer. Das Ganze ist sehr übersichtlich mit klar strukturiertem Aufbau gestaltet.

Wie für ein Hypertext-Medium charakteristisch, kann der Nutzer seinen individuellen Lernpfad bestimmen, ohne dabei im Gesamtgefüge die Orientierung zu verlieren. Die Erklärungen zu Rechenverfahren und zur Theorie sind in der Regel knapp, weshalb sich die Software gut als Ergänzung zu anderen Lernmitteln eignet, weniger aber wohl als exklusives Lernmittel.

Die Kürze der Texte erhöht gewiss die Lesbarkeit (wer liest schon gerne seitenlange Bildschirmtexte?), andererseits fallen meines Erachtens manche Erklärungen zu kurz aus. So wird an einigen wichtigen Stellen leider auf konzeptionelle Erklärungen verzichtet (Welche Rolle spielt der Zufall im Regressionsmodell? Warum sollte man Zeitreihen überhaupt glätten? Warum quadratische und keine anderen Fehlermaße? Wieso unterstützt das Residuenplot den nichtlinearen Regressionsansatz in Bsp.7.6.2 ?)

Das ist schade, weil somit der algorithmisch-technische Aspekt zuviel Gewicht vor dem konzeptionellem Verstehen bekommt. Statistikunterricht sollte aber weniger das Anwenden von Rezepten als vielmehr die Förderung statistischen Denkens zum Ziel haben. Multimedia kann gerade zum konzeptionellen Verstehen maßgeblich beitragen.

In folgender Hinsicht bietet die Software mehr als ein Buch:

Stets am Bildschirmrand verfügbare Schaltflächen umfassen das Inhaltsverzeichnis, ein Glossar zum Abfragen statistischer Fachbegriffe und ein (sehr knappes!) Literaturverzeichnis. Außerdem ist es möglich, Lesezeichen zu setzen, auf einem elektronischen Notizblatt persönliche Anmerkungen zu notieren und mit einem kursbezogenen Diskussionsforum sowie mit den Herstellern in Kontakt zu treten. Die Aktualität einiger oft verwendeter Daten wird gewährleistet, indem Links auf interessante Datenquellen gesetzt sind (Börse, Statistische Ämter, US Census Bureau etc.) – ein Internetzugang vorausgesetzt.

Die angeführten Beispiele sowie die Übungen stammen zum weit überwiegenden Teil aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften und Finanzmarktanalyse. Für den schulischen Einsatz wäre da eine größere Streuung der Anwendungs- und Illustrationsbeispiele dringend wünschenswert, insbesondere in Themenbereichen Sport, Freizeit und Gesundheit/ Ökologie.

Ein großer Vorteil des Einsatzes von Computern beim Lernen von Statistik besteht in der Möglichkeit, mit Hilfe simulierter Daten statistische Konzepte und Begriffe zu erarbeiten und vertiefen und eigenständig Datenanalysen durchzuführen. Hier enttäuscht die vorliegende Software, da die wenigen Simulationsbeispiele keinen eigenen Gestaltungsraum oder Variationsmöglichkeiten bieten. Von einer Software, die „Explorative Datenanalyse“ im Titel trägt, darf man erwarten, dass sie mehr Möglichkeiten bereitstellt, eigenständig interessante Strukturen in Datensätzen interaktiv zu erkunden.

Eine explorativ orientierte Statistik sucht zunächst nach Strukturen und Mustern in Daten. Hierbei ist eine interaktive Grafiksoftware ein wichtiges Instrument des Datendetektivs, die es erlaubt, die Daten aus möglichst unterschiedlicher Perspektive zu betrachten, Strukturen in Daten visuell anschaulich zu machen und Vermutungen und sukzessiv entstandene Hypothesen über die Daten dabei zu überprüfen. Dazu fehlen sowohl interaktive Analysewerkzeugen sowie Anregungen und Anleitungen, Entdeckungen in Datensätzen eigenständig vorzunehmen.

Der eigene Anspruch, selbstgesteuertes und exploratives Lernen zu unterstützen und den Lernprozess selbst mitzugestalten (Einleitung S.2), wird daher nur sehr eingeschränkt eingelöst. Freilich lässt sich dieses Ziel technisch nur erreichen, wenn zum Produkt gleichzeitig eine Software zur Datenanalyse mitgeliefert wird oder wenn die Daten in den Beispielen in einem Format präsentiert sind, das sie leicht in ein verbreitetes (und für die anvisierte Zielgruppe angemessenes) Paket zur Datenanalyse wie z.B. Excel, Medass, WinStat, Fathom etc. exportieren lässt.

Explorative Datenanalyse ist durch Methodenvielfalt charakterisiert, die auch die Entwicklung eigener neuer Darstellungsformen ermöglicht. Auch dieser wichtige Aspekt kommt kaum zum Tragen und den vorgestellten Konzepten zur Datenanalyse fehlt es an methodischer Vielfalt. So würde ich mir für die Schule z.B. eine Behandlung des Viertel­werteabstandes als Streumaß (im Kontext des Boxplots auch leicht grafisch darstellbar), bei der Geradenanpassung Alternativen zur Kleinsten-Quadrate Regression wie z.B. die robuste Mediangerade wünschen sowie mehr Diskussion über die Bedeutung unterschiedlicher Konzepte z.B. von Lageparametern und Streu- oder Korrelationsmaßen.

Ein Wort zu den Übungen: Sie bieten m.E. oft zu wenig Raum für eigene Aktivitäten. Die folgenden Bemerkungen zu einzelnen Übungen sind exemplarisch. Übung 2.1.2 besteht viel zu sehr im Knöpfchendrücken, statt die Klassen zur Gruppierung von Daten selbst vom Nutzer wählen zu lassen. Interessant wäre es, wenn die in Kap. 2.2 die Klassenbreite des Histogramms interaktiv wählbar wäre. Übrigens hat auch die Lage des Klassen (bzw. des Verankerungspunktes) einen Einfluss auf das Erscheinungsbild eines Histogramms.

Sehr positiv heben sich dagegen meines Erachtens einige dynamische Übungen ab. In Übung 3.5.1, 3.5.4 kann durch vom Nutzer freigewählte Daten der Einfluss von Ausreißern auf Median und arithmetisches Mittel untersucht werden. Instruktiv sind auch die Übungen zum linearen Regressionsmodell, bei denen einzelne Punkte des Streudiagramms frei bewegt werden können.

Zusammenfassend ist die Multimedia-Software zweifellos ein hilfreiches Medium zum Lernen von Beschreibender Statistik, insbesondere wenn sie als Ergänzung zum Lehrbuch oder zur Unterstützung von Vorlesungen für Studierende wirtschaftswissenschaftlicher Disziplinen eingesetzt wird. Zum Einsatz im schulischen Mathematikunterricht hingegen bleiben mir einige gravierende Vorbehalte.

Literatur

Garfield, J. (1996): How Students Learn Statistics. International Statistical Reviews, 634, 25-34
Lohninger, H. (1999): Teach/ Me. Data Analysis. Springer
Velleman, P. (1998): ActivStats. Addison Wesley Interactive

Joachim Engel

Institut für Mathematik und Informatik
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
71634 Ludwigsburg
engel_joachim@ph-ludwigsburg.de

Stochastik in der Schule 21(2001) 3, 32-33

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 21 (2001)
Heft 3

Norbert Henze: Rezension von
'Manfred Borovcnik, Joachim Engel, Dieter Wickmann (Hrsg.) Anregungen zum Stochastik-Unterricht: Die NCTM-Standards 2000 – Klassische und Bayessche Sichtweise im Vergleich'
Verlag Franzbecker, Hildesheim, Berlin 2001, ISBN 3-88120-322-2

Das vorliegende Buch ist in zwei Teile untergliedert. Der erste Teil handelt von den Standards des NCTM (National Council of Teachers of Mathematics) und ihren Aussagen zur Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. Im zweiten Teil wird der Frage nachgegangen, inwieweit durch die Einbeziehung Bayesscher Ideen das Verständnis des Wahrscheinlichkeitsbegriffes sowie darauf aufbauender statistischer Verfahren wie z.B. des Hypothesentests, verbessert werden kann. Die Beiträge basieren auf Vorträgen, die auf den Jahrestagungen 1999 und 2000 des Arbeitskreises „Stochastik in der Schule“ der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik gehalten wurden.

Die NCTM-Standards stellen in den USA ein durchgehendes Curriculum vom Kindergarten bis zur Universität dar. Im Bereich der Stochastik fordern sie eine Ausrichtung des Unterrichts hin zu einem hohen Anteil an Eigenaktivität sowie eine Akzentsetzung auf Anwendungen der Mathematik: Schülerinnen und Schüler sollen praktische Fragestellungen anhand realer bzw. szenarioartig simulierten Daten behandeln. Weitere Grundorientierungen der NCTM-Standards sind eine Integration der Statistik im Hinblick auf die Entwicklung der Fähigkeit, Daten kompetent beurteilen zu können, sowie eine oft schlagwortartig als „weg von der Würfelbudenmathematik“ bezeichnete geringere Gewichtung der Behandlung von Glücksspielen bei gleichzeitiger stärkerer Betonung der explorativen Analyse realer Daten.

Nach einer Übersetzung der NCTM-Standards durch Ch. Bescherer und J. Engel (S. 11-42) diskutiert J. Engel im Aufsatz „Die NCTM Standards zur Stochastik und das Quantitative Literacy Program“ (S . 43–52) die Zielsetzungen des sich als Konkretisierung der Standards verstehenden „Quantitative Literacy Programs“ unter verschiedenen didaktischen Gesichtspunkten.

Der Beitrag „Statistisches Denken oder statistische Rituale: Was sollte man unterrichten?“ von G. Gigerenzer und St. Krauss (S. 53–62) wendet sich gegen eine vielfach übliche rein schematische Anwendung von Signifikanztests und gibt verschiedene Anregungen zur diesbezüglichen Verbesserung der Statistik-Unterrichts.

J. Engel beschreibt in seinem Aufsatz „Datenorientierte Mathematik und beziehungshaltige Zugänge zur Statistik: Konzepte und Beispiele“ (S. 63–81) Absichten und Ziele des „Data-driven Mathematics Project“ anhand einiger Beispiele (Lageparameter und Geometrie, Alter bekannter Personen, Zusammenhang zwischen Körper- und Hemdgröße, Preisentwicklungen in Baden-Württemberg).

In „Statistik ohne Formeln“ (S. 83–95) stellt P. Sedlmeier ein von ihm mitverfasstes Schulbuch zur Wahrscheinlichkeitsrechnung mit begleitendem Programmpaket vor, dessen Hauptziel darin besteht, die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Stochastik anhand von Simulationen zu verdeutlichen.

Der erste Teil schließt mit dem Aufsatz „Statistische Kompetenz von Schülerinnen und Schülern – Konzepte und Ergebnisse empirischer Studien am Beispiel des von statistischen Verteilungen“ von R. Biehler (S. 97–114), in welchem die Ergebnisse eines Unterrichtsexperimentes in Klasse 11 zur Explorativen Datenanalyse vorgestellt und bewertet werden.

Der zweite Teil des Buches trägt den Untertitel „Klassische und Bayesianische Sichtweise im Vergleich“. Der erste Beitrag „Die Übungsstunde“ von D. Wickmann (S. 117–122) ist zur Einstimmung in das im Untertitel beschriebene Spannungsfeld gedacht. Im Artikel „Der Theorieneintopf ist zu beseitigen: Ereignis- und Zustandwahrscheinlichkeit – Versuch einer Klärung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs zum Zweck einer Methodenbereinigung“ (S. 123–131) thematisiert D. Wickmann die insbesondere in der didaktischen Literatur weit verbreitete falsche Anwendung des statistischen Hypothesentests. In einem weiteren Aufsatz („Inferenzstatistik ohne Signifikanztest“, S. 133–138) plädiert er sogar dafür, den Signifikanztest im gymnasialen Unterricht nicht mehr zu verwenden.

St. Krauss‘ Aufsatz „Wahrscheinlichkeit und Intuition – Zwei Seiten einer Medaille?“ (S. 139–146) illustriert einen didaktisch – methodischen Ansatz im Hinblick auf ein besseres Verständnis der Bayes-Formel. St. Götz wirbt in seinem Beitrag „Klassische und Bayesianische Behandlung von Stochastikaufgaben aus österreichischen Schulbüchern“ (S. 147–162) für eine ausgewogene Darstellung beider Standpunkte im Sinne einer Verbreiterung des stochastischen Allgemeinwissens in der Schule.

Um die Problematik einer adäquaten Darstellung mathematischer Objekte, insbesondere bedingter Wahrscheinlichkeiten, geht es im Artikel „Repräsentation von Information in der Wahrscheinlichkeitstheorie“ von L. Martignon und Ch. Wassner (S. 163–169). Der zweite Teil schließt mit dem Aufsatz „Klassisches und bayesianisches Denken“ von Ö. Vancsó (S. 171–175), in welchem von Erfahrungen mit Studierenden in klassischer und Bayesianischer Denkweise berichtet wird.

Das Buch enthält eine Fülle von Anregungen im Hinblick auf eine Weiterentwicklung des gymnasialen Stochastik-Unterrichts. Was den Vergleich der sogenannten „klassischen“ und der Bayesschen Sichtweise betrifft, plädiere ich für deutlich mehr Gelassenheit in der zum Teil immer noch missionarische Züge aufweisenden Diskussion. Es gibt keine Dichotomie „Klassisch oder Bayes“, sondern ausschließlich Fragestellungen, auf die rational begründete Antworten gegeben werden müssen.

Dass Schlussfolgerungen, die aus Konfidenzbereichs- oder Test-Verfahren gezogen werden, häufig falsch sind, liegt an der prinzipiellen Schwierigkeit, mit konkurrierenden stochastischen Modellen umgehen zu müssen. Der entscheidende Mangel sowohl eines gymnasialen Statistik-Unterrichts als auch einer universitären Statistik-Ausbildung für Studierende gleich welcher Fachrichtungen besteht häufig darin, dass zu wenig Gewicht auf die Vermittlung zentraler Ideen einer Entscheidungsfindung unter Unsicherheit gelegt wird. Im Zusammenhang mit Bayes-Verfahren wird vielfach verschwiegen, in welcher Weise die Ergebnisse derartiger Verfahren von der (subjektiv) gewählten a-priori-Verteilung abhängen.

Prof. Dr. Norbert Henze

Universität Karlsruhe
Institut für Mathematische Stochastik
Englerstraße
76128 Karlsruhe

Stochastik in der Schule 21(2001)3, 34-35

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 21 (2001)
Heft 3

Heinz Klaus Strick: Rezension von
'P. Sedlmeier, Detlef Köhlers: Wahrscheinlichkeiten im Alltag – Statistik ohne Formeln'
Westermann, Braunschweig 2001, 148 S. mit CD-ROM

Das Buch wendet sich an Schüler und Studenten, die als "Statistikanfänger" mit Problemen aus Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik im Alltag konfrontiert werden. Die Autoren vertreten die Ansicht, dass viele Probleme aus diesem Bereich "völlig ohne Formeln schon durch bloßes Nachdenken gelöst werden können" (S. 7) und wollen dies in ihrem Buch zeigen, "dabei auf dem aufbauen, was wir schon intuitiv können" (S.8).

Knifflige Beispiele für "Wahrscheinlichkeiten im Alltag" bilden den Einstieg in das Buch (Kapitel 1) und die Autoren verstehen es, ihren Lehrgang so systematisch aufzubauen, dass der Leser auf die Lösung der anfangs angesprochenen Probleme vorbereitet wird. Die einzelnen Kapitel werden abgerundet durch einen Abschnitt "Was Sie in diesem Kapitel gelernt haben sollen" und einer Sammlung von Aufgaben, die sich auf den zurückliegenden Abschnitt beziehen und an denen der Leser überprüfen kann, ob er die vermittelten Methoden verstanden hat.

Mit vergleichsweise viel Aufwand wird am Anfang des Buches (Kapitel 2: Das Schätzen von Wahrscheinlichkeiten) die Methode der Simulation vorgestellt; damit verbunden ist die Konstruktion von geeigneten "virtuellen Urnen" für unterschiedliche Zufallsversuche. Der Leser erfährt - an Beispielen veranschaulicht - worauf bei der Zusammensetzung der Urne und beim Ziehungsvorgang zu achten ist. Gleichzeitig wird die Vielseitigkeit der mitgelieferten Software verdeutlicht, mit der sehr unterschiedliche Urnenzusammensetzungen definiert und Ziehvorgänge simuliert werden können.

Kapitel 3 (Konjunktionen und Disjunktionen) widmet sich den Problemen und Missverständnissen, die mit der Verwendung der Wörter "und" bzw. "oder" in der Alltagssprache und in der Logik verbunden sind sowie den sich hieraus ergebenden Fehlschlüssen im Zusammenhang mit der Einschätzung von Anteilen bei statistischen Erhebungen. Auch die hier angesprochenen Probleme sind gut ausgewählt und haben mit den Alltagserfahrungen der Leser zu tun.

Den Schwierigkeiten im Umgang mit bedingten Wahrscheinlichkeiten widmet sich Kapitel 4. Die Autoren gehen auch hier insbesondere auf die mit der Verwechslung von Ereignis und Bedingung verbundenen Missverständnisse und Fehlschlüsse ein; auch hier sind die verwendeten Beispiele 'dem Alltag' entnommen. Bei der Auflösung der Trugschlüsse werden Baumdiagramme und Häufigkeitsraster zur Veranschaulichung benutzt.

Dass Stichprobenverteilungen bei kleineren Stichproben - relativ gesehen - stärker streuen als bei größeren Stichproben wird in Kapitel 5 (Genauigkeit von Wahrscheinlichkeitsschätzungen) mithilfe von Simulationen verdeutlicht und in realen Anwendungssituationen in ihren Auswirkungen gezeigt; dennoch scheinen die Autoren - trotz des Anspruchs, den der Untertitel des Buches erhebt - nicht auf einen Theorieeinschub ("Die genaue Lösung") verzichten zu können. Trotz dieses kritischen Einwands kann bestätigt werden, dass die anschauliche Hinführung zur Frage der Genauigkeit einer Schätzung gelingt. Auch werden hier bereits Fragestellungen wie Konfidenzintervall - Bestimmung ("Was ist in der Urne?") und Hypothesentest ("Stimmt die Annahme über die Urne?") vorbereitet. Historische Beispiele runden diesen Einstieg in die Fragestellungen der Beurteilenden Statistik ab ("Auf was muss man achten?").

Kapitel 6 widmet sich ausführlich den Konfidenzintervallen. Auch hier wird mithilfe von Simulationen anschaulich dargestellt, was mit 90%-Konfidenzintervallen gemeint ist; die Bestimmung der Konfidenzintervalle selbst wird dem beigefügten Computerprogramm überlassen. Was die Theorie angeht, kommt es in diesem Kapitel 'knüppeldick': Wie nebenbei werden die Standardnormalverteilung, die Standardisierung, Erwartungswert und Varianz eingeführt (s. u.).

Entsprechend unterscheidet sich die Behandlung des Themas "Signifikanztest" (Kap. 7) kaum von den Darstellungen in gängigen Stochastik - Schulbüchern: Beschreibung der Vorgehensweise, mögliche Fehler, Interpretation der Ergebnisse, Abhängigkeit vom Stichprobenumfang, Zusammenhang mit der Konfidenzintervall-Bestimmung

Das letzte Kapitel (Metaanalyse) beschäftigt sich allgemein, aber beispielgebunden mit dem Schätzen von Parametern und dem Vergleich von empirischen Varianzen und gibt damit einen guten Einblick in Anwendungsprobleme aus der Praxis wissenschaftlichen Arbeitens.

Mit Kapitel 7 endet der Kurs, der auf ca. 110 Seiten Methoden der Statistik anhand von ebenfalls anregenden Beispielen erläutert und zweifelsohne näher bringt.

Danach folgen Anhänge mit Formeln und Definitionen (A), Erläuterungen zum mitgelieferten Trainingsprogramm (B) sowie Hinweise auf weiterführende Literatur (C).

Dass sich das Anliegen "Statistik ohne Formeln" nicht so einfach realisieren lässt, wird jedoch jedem Kenner der Materie von vorne herein klar gewesen sein; vielleicht hätten die Autoren diesen Untertitel besser weggelassen. Schon zu Beginn des Buches stellt sich dem Leser die Frage, ob es tatsächlich einen Verzicht auf Formeln darstellt, wenn der Begriff der relativen Häufigkeit beim Münzwurf mit den Worten "Anzahl von 'Kopf' durch Anzahl aller Münzwürfe" eingeführt wird (S. 9)? Weiter steht z. B. auf S. 27 die 'Produktregel für unabhängige Ereignisse': "Die Wahrscheinlichkeit der Konjunktion mehrerer unabhängiger Ereignisse, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere unabhängige Ereignisse alle zusammen auftreten, ist das Produkt der einzelnen Wahrscheinlichkeiten, die ähnlich wie in den meisten Schulbüchern zur Stochastik über relative Häufigkeiten motiviert wird.

Der Regel 'ohne Formel' (?) folgt als Anwendungsbeispiel die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit für einen Sechser im Lotto: 6/49×5/48×4/47×3/46×2/45×1/44 = 1/13983816, was sich ohne entsprechende Vorüberlegungen wohl kaum "kurz" machen lässt (S. 29). Später wird eher beiläufig die Wahrscheinlichkeitsberechnung bei Binomialverteilungen behandelt (S. 71-75) und so getan, als wäre alles ganz einfach und plausibel. Dass sich die Varianz als "Summe der quadrierten Abweichungen vom Erwartungswert mal der Wahrscheinlichkeit der einzelnen Werte" berechnet, erfahren Schüler auch im normalen Unterricht bzw. Studenten in der Vorlesung - meistens allerdings als Formel, die man mit Worten wiedergeben können muss. Es wird bezweifelt, ob die reine Textform genügt (S. 91).

Wie erwähnt, bezieht sich diese Kritik am Lehrbuch nur auf den Anspruch, Statistik ohne Formeln vermitteln zu können. Man muss den Autoren bestätigen, dass sie einen anregenden Text über die Fragestellungen der Statistik verfasst haben, der sich flüssig lesen lässt. Der im Kapitel 1 durch die Eingangsbeispiele beschriebene Rahmen wird eingehalten; der rote Faden geht dabei nie verloren. Die Beispiele sind - von wenigen Ausnahmen abgesehen - tatsächlich anwendungsorientiert und alltagsnah.

Man benötigt zunächst einige Zeit, um mit der mitgelieferten Software zurecht zu kommen; bei einiger Übung erkennt man jedoch schnell die Vielseitigkeit der Einsatzmöglichkeiten. Vielleicht hätte eine etwas geringere Gestaltungsmöglichkeit bei der Definition des Inhalts einer Urne die Geschwindigkeit der Software erhöht.

Zusammengefasst: Das Buch ist eine motivierende Lektüre, das mit der geschickten Auswahl der Beispiele über typische Fehlschlüsse der Statistik informiert und damit anregt, sich näher mit den Fragestellungen zu beschäftigen. Ob dies ohne Formeln und Theorie möglich ist, wird bezweifelt - vermutlich auch von den Autoren selbst.

Heinz Klaus Strick

Pastor-Scheibler-Str. 10
51381 Leverkusen

Stochastik in der Schule 21(2001) 3, 36-37

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 23 (2003)
Heft 1

Manfred Buth: Rezension von
'I. Kantel, Dr. H. v. Lojewki, A. Messner, B. Wießer: Stochastik'
Paetec, Berlin 2001, 232 S.

Das Buch im Umfang von 232 Seiten ist - um mit dem äußeren Erscheinungsbild zu beginnen - gut gegliedert und vor allem durch die Verwendung von Farben übersichtlich gestaltet. Der inhaltliche Aufbau ist gut gelungen. Vor allem wird in dem Abschnitt über Signifikanztests deutlich, auf welch schwankendem Boden sich Testverfahren bewegen. Vom Alternativtest mit seinem uneingeschränkten Anwendungsbereich einmal abgesehen, werden im Einzelfall stets empirische Informationen zusätzlich benötigt und auch dann stellen die Verfahren keine wesentliche Präzisierung von Pi-mal-Daumen-Überlegungen dar.

Das Buch enthält viel zu viel Stoff. Offenbar ist der kommerzielle Druck, dass die Leser für ihr gutes Geld auch viel bedrucktes Papier sehen wollen, recht groß. Wie sich diese Fülle aus pädagogischer Sicht ausnimmt, steht auf einem anderen Blatt. Die übergroße durchschnittliche Textfülle pro Seite dürfte jedenfalls nicht besonders motivierend wirken. Sicherlich erwerben die Benutzer des Buches viel stochastisches Wissen. Aber lernen sie auch stochastisches Denken? Sind sie gegen die Irrtümer etwa des Drei-Türen-Versuchs besser gefeit als andere? Das müsste natürlich empirisch geprüft werden. Aber der Rezensent neigt in diesem Punkt zur Skepsis. Offenbar ist der Verlag stolz auf die Anzahl von 500 Übungsaufgaben, die zum Teil noch weiter aufgeschlüsselt sind, z.B. Aufgabe W103 in 15 Teilaufgaben. Das bietet natürlich erhebliche Möglichkeiten der Auswahl. Aber auch hier gilt: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Wie soll etwa eine Lehrerin oder ein Lehrer bei all den sonstigen Belastungen dazu kommen, geeignete Aufgaben auszuwählen?

Sowohl bei den Abbildungen als auch bei den Aufgaben und den Beispielen wird wesentlich der Taschenrechner TI-92 mit einem Computeralgebra­system herangezogen. Das ist jedoch eine zwei­schneidige Sache. Denn einerseits kann man nur begrüßen, dass die oft erhobene Forderung nach dem Einsatz der neuen Technologien im Mathema­tikunterricht endlich in die Tat umgesetzt wird.

Andererseits ist das Gerät TI-92 nicht gerade billig und kann weder als Klassensatz noch als private Investition der Schülerinnen und Schüler als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Die vielen Abbildungen von Bildschirmausgaben können trotz der farblichen Gestaltung wahrlich nicht als prägnante Darstellungen gelten und haben für diejenigen, die mit den Geräten nicht arbeiten, wenig Wert. Zwar schreibt der Verlag, dass die Rechnernutzung keine Voraussetzung beim Gebrauch des Buches sei. Aber daran gemessen, nimmt der Taschenrechner einen zu großen Umfang ein.

Unter lerntheoretischen Aspekten sollte erwähnt werden, dass in dem Buch wirkungsvoll von der Methode des Lernens am Beispiel Gebrauch gemacht wird und zwar in der doppelten Form, dass einerseits allgemeine Erkenntnisse noch durch die Erläuterung am Beispiel verdeutlicht werden und andererseits dadurch dass allgemeine Einsichten induktiv anhand von Beispielen entwickelt werden.

Das Buch kann ohne Einschränkung allen Lehramtsstudierenden mit dem Wahlfach Mathematik empfohlen werden, die zwar die Stochastik nicht als Schwerpunkt wählen, aber auch nicht unvorbereitet in die Schule gehen wollen. Das Buch ist zweifelsfrei eine Fundgrube für jegliche Art von Stochastikaufgaben. Als Schulbuch erscheint es - von den oben formulierten Einschränkungen abgesehen - für einen Leistungskurs geeignet. Insbesondere werden Schülerinnen und Schüler davon profitieren, die sich über die unmittelbaren Anforderungen des Unterrichts hinaus mit dem Inhalt des Lehrbuchs auseinander setzen. Wie es in einem Grundkurs eingesetzt werden kann, bleibt unklar. Auch der Verlag äußert sich nicht dazu.

Manfred Buth

Bataverweg 35
22455 Hamburg

Stochastik in der Schule 23(2003) 1, 31

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 23 (2003)
Heft 3

Elke Warmuth: Rezension von
'LS Stochastik – Mathematisches Unterrichtswerk für das Gymnasium'
Ernst Klett, Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig 2003

Das 190 Seiten umfassende Buch ist in sechs Kapitel gegliedert:

  1. Von der Pfadregel zur Binomialverteilung (32 Seiten)
  2. Beurteilende Statistik (26 Seiten)
  3. Der zentrale Grenzwertsatz (20 Seiten)
  4. Weitere Verteilungen (20 Seiten)
  5. Markoff-Ketten (20 Seiten)
  6. Gauß und seine Normalverteilung (28 S.).

Dazu kommen Projektvorschläge (11 Seiten) sowie ein Anhang mit Hinweisen zum Einsatz des TI-92 (2 Seiten), Tabellen (13 Seiten) und Lösungen zu ausgewählten Aufgaben (5 Seiten).

Die graphische Gestaltung ist ansprechend, farbig, aber nicht bunt, die Seiten sind nicht überfüllt, Randspalten mit Bildern, Zeitungsausschnitten, zusätzlichen Erklärungen und Hinweisen lockern die Darstellung auf. Die Kapitel II, IV und V werden mit einem kurzen Prolog eröffnet, der den Leser über Inhalte und Ziele des Kapitels informiert. Die wenigen Druckfehler wird der aufmerksame Leser selbst finden. Es sei lediglich die fehlerhafte Abbildung auf S. 45 erwähnt, weil sie besonders ärgerlich ist.

Das Lehrbuch deckt inhaltlich alle Themen ab, die bundesweit im Kern der Rahmenpläne zur Stochastik der Sekundarstufe II vertreten sind. Darüber hinaus werden im Kapitel IV die Poisson-Verteilung, die geometrische Verteilung und die Exponentialverteilung eingeführt. Dem in Rahmenplänen beliebten Ergänzungsthema Markoff-Ketten ist Kapitel VI gewidmet. Der modulare Aufbau ermöglicht verschiedene Wege durch das Buch. Man kann es für einen Grundkurs oder für einen Leistungskurs verwenden. Verbindungen der Stochastik zur linearen Algebra bzw. Analysis werden in den Kapiteln 5 bzw. 6 geknüpft. Das didaktische Konzept der Lerneinheiten folgt dem Schema

Danach folgen in allen Kapiteln mit Ausnahme von Kapitel IV Vermischte Aufgaben als Übungsangebot zum gesamten Lehrstoff des jeweiligen Kapitels.

Ein besonderes Element sind die Mathematischen Exkursionen, die auf meistens zwei Seiten Anregungen zum Weiterlesen und Weiterarbeiten geben. Es wurden als Themen z.B. der Chi-Quadrat-Test, Fixpunkte bei zufälligen Permutationen, stationäre Verteilungen bei Markoff-Ketten und Experimentieren und Simulieren mit dem Computer gewählt. Der Rückblick fasst auf einer Seite den Lerninhalt des Kapitels zusammen. Ein weiteres Übungsangebot stellen die Aufgaben zum Üben und Wiederholen auf einer Seite am Ende jedes Kapitels bereit. Die Lösungen zu diesen Aufgaben findet man am Ende des Buches. Es gibt Anregungen zum Einsatz von Excel. Entsprechende Dateien kann man sich kostenlos beim Verlag herunterladen.

Die Auswahl und Anordnung des Stoffes halte ich für gut gelungen. Es werden zahlreiche sinnvolle Verbindungen geknüpft wie z.B. zwischen den σ-Intervallen und dem Testen von Hypothesen, zwischen dem Testen und den Konfidenzintervallen, zwischen empirischen Kenngrößen und Modellkenngrößen, zwischen dem üblichen Mitteln von Messwerten und der Rechtfertigung in einem Modell. Manche Verbindungen werden aber auch leider nicht hergestellt wie z.B. diejenige zwischen der Unabhängigkeit von Ereignissen und der Unabhängigkeit von Zufallsgrößen. Zu begrüßen sind die explizit dargestellten Bezüge zur Analysis und zur linearen Algebra.

Der Lehrtext bietet ein Minimum an Informationen, das durch die Anregungen zum Weiterlesen in den Mathematischen Exkursionen ergänzt wird. Manche Darstellung gerät allerdings sehr knapp und erscheint mir zu rezepthaft (insbesondere im Kapitel V). Es kommt auch zu unzulässigen Verkürzungen. Hier muss der auf inhaltliches Verständnis ausgerichtete Unterricht unbedingt die erforderliche Vertiefung bis hin zu einer erforderlichen Korrektur leisten. Ich möchte dies durch einige Beispiele belegen.

Nicht gelungen erscheint mir vor allem der Umgang mit dem für die Stochastik fundamentalen Begriff der Unabhängigkeit. Dies beginnt mit einer asymmetrischen Definition (S. 15), es wird zu wenig für das inhaltliche Verständnis getan und die Produktformel wird nicht herausgestellt. Bei den Bernoulli-Ketten wird (diskret) in der Randspalte (S. 17) von unabhängigen Experimenten gesprochen, ohne dass dieser Begriff wirklich erklärt wird. Im Rückblick (S. 38) kommt die Unabhängigkeit gar nicht mehr vor. Mehrstufige Experimente, die sich aus n Bernoulli-Experimenten mit gleicher Trefferwahrscheinlichkeit zusammensetzen, sind aber nicht notwendig Bernoulli-Ketten. Die Unabhängigkeit von Zufallsgrößen wird gut über die Produktformel eingeführt (S. 71), aber es wird kein Bezug zur Unabhängigkeit von Ereignissen hergestellt. Besonders unzulässig verkürzt scheint mir die Einführung zu stochastischen Prozessen und Markoff-Ketten (S. 106-108). Die charakteristische Eigenschaft einer Markoff-Kette kommt überhaupt nicht zum Ausdruck, da der in diesem Kontext m.E. unverzichtbare Begriff der Unabhängigkeit gar nicht benutzt wird. Die Begründung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen auf S. 37 oben ist ein Beispiel für eine sehr knappe Darstellung. Zudem fehlt die Forderung für alle ε > 0.

Bei der Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung werden im Buch Faustregeln benutzt. Diese Regeln sollten auch als solche bezeichnet werden, sonst ist für den Schüler kein Unterschied zwischen der Pfadregel und der Regel σ > 3 erkennbar. In der Begründung der Näherungsformel auf S. 67 ist die Stetigkeitskorrektur nicht nachvollziehbar. Außerdem ist unverständlich, warum zwei verschiedene Faustregeln erwähnt werden, von denen die eine auf S. 68 auch noch anders verwendet wird. Die Bemerkung auf S. 68 ist so nicht richtig, denn es kommt ja darauf an, was für Fehler man akzeptiert. In der Lerneinheit 2 von Kapitel II wird bei der Behandlung des Mindestumfangs der Stichprobe die hinreichende Bedingung mehrmals als notwendig hingestellt. Die Darstellung (S. 62) des sogenannten Unabhängigkeitstests knüpft leider nicht an die des Anpassungstests an und bleibt so im reinen Rezept stecken. Ein besonders krasses Beispiel für eine knappe Darstellung ist die Herleitung der Differenzialgleichung auf den Seiten 82 und 83. Diese Umformungen sind für Schüler wohl kaum nachvollziehbar. Auf S. 96 ist die Verteilungsfunktion der Exponentialverteilung falsch und bei der Abbildung auf S. 104 hat die Ordinatenachse eine Prozenteinteilung, was leider suggerieren könnte, dass es sich bei den Funktionswerten um Wahrscheinlichkeiten handelt. Die Aufgaben decken ein breites Spektrum ab:

In diesem reichhaltigen Angebot wird der Leser das für ihn Passende finden. Positiv hervorzuheben sind auch die zahlreichen Hinweise und bereitgestellten Dateien für den Computereinsatz zum Zwecke der Veranschaulichung, zum Experimentieren und Simulieren. Die Mathematischen Exkursionen auf den Seiten 148-151 beispielsweise unterstützen sehr gut die Ausführungen um die Normalverteilung. Sehr gut gefallen mir die Projektvorschläge mit den Themen

Auch dem Projektvorschlag Hausnummern liegt eine gute Idee zugrunde, allerdings enthält die Ausführung zu viele Mängel. Das Beispiel (S. 160) ist falsch (Man vergleiche mit Aufgabe 3). In der Aussage von Aufgabe 2d) ist ein Fehler. Die Aussagen zum Mittelwert und zum Erwartungswert der Hausnummern sind unklar. Wäre der Erwartungswert der größten Hausnummer gemeint, dann wäre die Aussage von Aufgabe 2e) richtig. Dann hätte auch die Anleitung einen Sinn. Fig. 1 und Aufgabe 3 auf S. 161 suggerieren aber, dass das arithmetische Mittel aller Hausnummern in einem Versuch (10 Straßen bzw. 20 Straßen) gemeint ist. Dann ist die Aussage 2e) falsch.

Eine zusammenfassende Wertung fällt schwer, wie aus der Schilderung der Vorzüge und Schwächen des Buches hervorgeht. Ich möchte es so formulieren: Das Buch enthält eine Fülle von Anregungen für einen interessanten Stochastikunterricht, aber es kann wohl nicht als alleinige Grundlage dafür dienen.

Elke Warmuth

Institut für Mathematik/ Didaktik der Mathematik
Humboldt-Universität
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Stochastik in der Schule 23(2003) 3, 30-3

 

 

Stochastik
in der Schule


Gauss 3D

Band 23 (2003)
Heft 3

Helmut Wirths: Rezension von
'Elemente der Mathematik 12/13 – Grundkurs'
Schroedel Verlag, Hannover 2003

Zusammenfassung: Es handelt sich um ein neubearbeitetes Schulbuch für Mathematik-Grundkurse in der Kursstufe (Jahrgänge 12 und 13) der gymnasialen Oberstufe, das alle drei Gebiete (Analysis, Lineare Algebra und Analytische Geometrie sowie Stochastik) enthält. Die nun folgende Rezension bezieht sich nur auf die stochastischen Inhalte des Buches.

Zum allgemeinen Aufbau:

In drei Kapiteln (Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Zufallsgrößen - Verteilungen - Erwartungswert, Beurteilende Statistik) wird genug Stoff angeboten, aus dem ein interessantes und anspruchsvolles Grundkurs-Curriculum gestaltet werden kann. Die Hinführung zur Theorie und zu Problemlösestrategien erfolgt durch motivierende Aufgaben mit ausführlich ausgearbeiteten Musterlösungen. Weiterführende Aufgaben, Übungsaufgaben zur Festigung und Vertiefung des Erarbeiteten und Informationen runden den jeweiligen Abschnitt ab. Am Ende jedes Kapitels befinden sich vermischte Übungen, Klausuraufgaben und Fragen zum Basiswissen. In den Stochastikteil werden drei Blickpunkt genannte Abschnitte ("Das Geburtstagsproblem oder Wiederholungen treten bei Zufallsversuchen öfter auf als vermutet", "Das 1/e-Gesetz und die Eulersche Zahl e in der Stochastik", "Test auf Zufälligkeit") sowie drei Exkurse ("Anmerkungen zur Geschichte der Wahrscheinlichkeit", "Mathematisches Modellieren" sowie "Meinungsbefragung als Beispiel einer Stichprobenentnahme") eingebettet, in denen interessante Erweiterungen und Vertiefungen angeboten werden. Am Ende des Stochastikteils werden Aufgaben zur Vorbereitung auf das Abitur gestellt, zwei Tabellen (kumulierte Binomialverteilung für ausgewählte Erfolgswahrscheinlichkeiten p mit n = 10 und n = 100, Wahrscheinlichkeiten für σ-Umgebungen) abgedruckt, Lösungen zu den Klausurtrainingsaufgaben sowie ein Überblick über den gesamten Stochastikkurs gegeben. Ein Stichwortverzeichnis und ein Verzeichnis aller verwendeten Symbole runden das Buch ab.

Mit diesem Buch wird ein Stochastikunterricht möglich,

in dem die Lernenden stark an der Erarbeitung und Darbietung teilhaben können, und bei dem exemplarisch der Umgang mit wissenschaftlicher Literatur eingeführt und eingeübt werden kann. Die Grundlagen werden sehr ausführlich und sorgfältig gelegt. Dies werden alle Lehrenden begrüßen, die ihren Stochastikunterricht in der gymnasialen Oberstufe voraussetzungslos beginnen müssen, da Lernende leider immer noch nicht überall bis zur 10. Klasse stochastische Vorkenntnisse erwerben können und in stochastisches Denken eingeführt werden. Bewährte Aufgaben und Probleme der bisherigen Auflagen wurden beibehalten. Neue Aufgaben beleben die Darstellung. In Zusammenhang mit bedingten Wahrscheinlichkeiten und Vierfeldertafeln werden unterschiedliche Darstellungs- und Interpretationsmöglichkeiten für alltägliche Phänomene vorgestellt. Dieser Teil kann Lehrende wie Lernende motivieren, in Zeitungen nach solchen interessanten aktuellen Beispielen aus ihrer eigenen Umgebung zu suchen. Historische Bezüge (Mathematiker auf Briefmarken und Probleme, die die Entwicklung der Stochastik geprägt haben) bereichern die Darstellung im Theorieteil wie in den Aufgaben. Beim Testen von Hypothesen wird sehr sorgfältig die Testlogik des klassischen Testens herausgearbeitet und die unterschiedlichen Interessen (Produzent, Konsument) bewusst gemacht. Im Stochastikteil dieses Buches wird die enorme Bandbreite stochastischer Fragestellungen und die große Relevanz stochastischer Methoden beispielhaft auf Grundkursniveau aufgezeigt.

Bei allen Vorzügen, die dieses Buch aufweist:

Es bleiben noch einige Wünsche, deren Erfüllung zur weiteren Verbesserung zukünftiger Neuauflagen führen kann:

Wägt man die Schwächen und die Stärken dieses Buchs gegeneinander ab,

bleibt ein insgesamt sehr positiver Eindruck. Wer bereits mit den bisherigen Ausgaben gearbeitet hat, wird sich gern auf diese Neubearbeitung einlassen, den anderen Lehrenden sei eine intensive unterrichtliche Erprobung dieses Schulbuchs unbedingt empfohlen.

Helmut Wirths

Cäcilienschule Oldenburg
Haarenufer 11
26122 Oldenburg
helmut.wirths@uni-oldenburg.de
w@caeci.de

Stochastik in der Schule 23(2003) 3, 32-33