Stochastik
in der Schule
Gauss 3D
Band 6(1986)
Heft 2

Rolf Biehler und Heinz Steinbring:
Bericht über die 2. Tagung des GDM-Arbeitskreises

Die Mitglieder des Arbeitskreises „Stochastik in der Schule“ innerhalb der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) haben beschlossen, sich zu regelmäßigen, jährlich stattfindenden Arbeitstagungen zu treffen. Über Inhalt und Verlauf der zweiten Tagung, die am Institut für Didaktik der Mathematik an der Universität Bielefeld vom 6.-7. Dezember stattgefunden hat, wird hier kurz berichtet.

An der 2. Arbeitstagung des GDM-Arbeitskreises „Stochastik in der Schule“ nahmen 20 Personen teil. Es wurden die folgenden Referate gehalten und diskutiert:

H. Althoff / D. Wickmann: Klassisches versus Bayesianisches Lösungskonzept, demonstriert an Beispielaufgaben
W. Riemer: Der subjektive Wahrscheinlichkeitsbegriff – Wie man den Schwierigkeiten beim Verständnis der Testtheorie vorbeugen kann
P. Bungartz: Projekte im Stochastikunterricht der Sekundarstufe II: Das Risiko bei Kernkraftwerken
A. Konrad: Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ohne Grundraum (common sense probability)

Mit den ersten beiden Referaten (Althoff / Wickmann und Riemer) wurde die kritische Auseinandersetzung mit der subjektivistischen Stochastik fortgesetzt, die auf der 1. Arbeitstagung im Dezember 1984 begonnen worden war. Dieses Mal standen neben grundsätzlichen Fragen zur subjektivistischen Stochastik vor allem auch unterrichtspraktische Aspekte im Vordergrund. Wissenschaftlicher Stellenwert und didaktische Potentiale der subjektivistischen Stochastik wurden kontrovers beurteilt. Einig schien man sich im wesentlichen jedoch darin zu sein, dass das Durchhalten eines streng objektivistischen Standpunktes über das gesamte Curriculum hinweg nicht günstig ist. Anschauungsmaterial dazu lieferte auch der Vortrag von P. Bungartz, in dem zunächst die Anwendung elementarer Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung zur Risikobestimmung bei Kernkraftwerken, wie sie in der einschlägigen Literatur vorgeschlagen und in der Praxis angewendet werden, vorgestellt wurde.

Das Ausmaß an 'Subjektivität' bei den Berechnungen und begrifflichen Definitionen war überraschend hoch. Der Stochastikunterricht würde möglicherweise seinen Bildungsauftrag verfehlen, wenn er sich mit derartigen Phänomenen nicht auseinandersetzte.

Im Vortrag von A. Konrad wurde ein weiterer unterschiedlicher Zugang zur Stochastik vorgestellt: die vor allem von H.-J. Bentz ausgearbeitete 'common sense probability', bei der der Erwartungswert zunächst den Leitbegriff darstellt und als wesentliches Veranschaulichungsmittel das Glücksrad dient. Vor- und Nachteile, auch aus der Sicht praktischer Erfahrungen mit diesem Ansatz wurden diskutiert. Dabei war besonders strittig, wie die Konzentration auf ein Veranschaulichungsmittel (Glücksrad) zu ungunsten von anderen oder einer Vielfalt von Mitteln didaktisch und lernpsychologisch zu beurteilen ist.

Die 3. Arbeittagung des Arbeitskreises wird vom 5.12.1986, 14 Uhr, bis 6.12.1986, 13 Uhr, wieder am Institut für Didaktik der Mathematik (IDM) in Bielefeld stattfinden. Auf dem Treffen des Arbeitskreises anlässlich der Bundestagung für Didaktik der Mathematik in Bielefeld (4.3. bis 7.3.1986) wurde festgelegt, dass der inhaltliche Schwerpunkt der Tagung bei der Auseinandersetzung mit der 'Explorativen Datenananalyse' liegen soll. Als Thema für die 4. Arbeitstagung wurde 'Empirische Forschungen zum Lernen und Lehren von Stochastik' ins Auge gefasst.