Zur
Schreibung
Es musste ein Kompromiss zwischen
„hochdeutscher“ und mundartlicher Schreibung gefunden werden. Auf zu viele
Sonderzeichen wurde bewusst verzichtet; im Wörterverzeichnis werden nur
Buchstaben des deutschen Alphabetes verwendet, ausgenommen die langen Vokale,
die mit einem Balken gekennzeichnet (ā
ē ī ō ū) sind, und das typische
bairisch-österreichische å (kurz) bzw. ǡ (lang), ein Mittellaut zwischen a und o,
z.B. er håt „er hat“, Schlǡg „Schlag(rahm/-obers/-sahne)“;
ä wird durch e ersetzt. Weiters bleiben die
Buchstaben v und f erhalten; auf Doppelvokale, Umlaute (die
es in der Mundart in der Art wie in der Hochsprache nicht gibt),
Doppelkonsonanten sowie ß,
tz und ck wurde bewusst verzichtet. Die
Diphthonge (Zwielaute) ei und
ai wurden
vereinheitlicht zu ai.
Der Laut „Schwa“ (phonetisch [ə]) wird im Wortauslaut meist er, in vortonigen Silben meist ə, gelegentlich auch er geschrieben, also z.B. Vǡter [fǡtə] „Vater“ und meist auch vərukht [fərúkht bzw. farúkht], selten verrukht.
1.Kärnten
Im Allgemeinen teilt man
die Kärntner Mundarten in Ober-, Mittel- und Unterkärntnerisch ein. Keine
"echt" kärntnerische Mundart wird im Lesachtal gesprochen – dieses
gehört mundartkundlich eher zu Tirol; ferner haben sich im Katschtal und im
obersten Mölltal salzburgische und um den Obdacher Sattel auch auf Kärntner
Gebiet steirische Merkmale durchsetzen können. Die Grenze zwischen der Ober-
und Mittelkärntner Mundart verläuft etwa von Nötsch im Gailtal nach Nordwesten
über Stockenboi, geht westlich an Spittal an der Drau vorbei und dann
nordwestlich über das Reißeck und die Hochalmspitze bis zur Landesgrenze. Zu
Oberkärnten im mundartkundlichen Sinn gehören also das Gail-, Möll- und obere
Drautal mit dem Lurnfeld. Mittelkärntnerisch wird im Liesertal, unterem Drautal
sowie im Villacher und Klagenfurter Becken, in der "Gegend", im
Metnitz-, Gurk- und Glantal sowie auf dem Zoll- und Krappfeld gesprochen; dem
gleichen Mundarttyp gehört auch das heutige gemischtsprachige (vormals
mehrheitlich slowenische) Gebiet Unterkärntens an (seit Anfang unseres
Jahrhunderts nicht ganz zutreffend auch "Südkärnten" genannt). Im
mundartlicher Hinsicht ist "Unterkärnten" das Görtschitz- und
Lavanttal. Keiner dieser drei genannten Mundarträume ist in sich einheitlich,
sondern in weitere kleinere Einheiten untergliedert.
Karte
s. http://www.uni-klu.ac.at/groups/spw/oenf/WoerterbuchNeuDateien/KarteKM.jpg
Außer einer räumlichen
ist auch eine soziologische Unterteilung der Kärntner Mundart feststellbar: es
gibt die allgemeine landesübliche Verkehrssprache und die zwischen ihr und der
eigentlichen bäuerlichen Mundart stehende "Stadtsprache".
Oberkärntnerisch gliedert sich in die Mundarten des
oberen, mittleren und unteren Mölltales, des oberen Drautales, des Gailtales,
des Gitschtales und des Gebietes um den Weißensee. Geographisch gesehen gehört
auch das Lesachtal dazu. In lautlicher Hinsicht ist v.a. die Aussprache von st
im Inlaut als št in der westlichen Hälfte sowie ein heller Vokal in
auslautenden Silben in Wörtern wie sūne "Sonne", mīlech
"Milch" oder hirbišt "Herbst" zu erwähnen. Ferner ist
charakteristisch die Aussprache des r, einst fast im ganzen Bezirk Spittal im
Anlaut mit h-Einsatz (z.B. Ross [hrous] oder Bergname Hruckenkopf,
schriftsprachlich "Rücken" enthaltend); einst muss diese Aussprache
in fast ganz Kärnten verbreitet gewesen sein, denn die sekundär entstandene
Lautfolge gr- (< ge-r...) wird allgemein zu khr-, z.B. khret
"geredet", khrempl "Gerümpel" und in Ortsnamen Kreut usw.
"Gereute".
Stark gerollt wird das
r u.a. im Gailtal; das Gitschtal hat ein (dem englischen r ähnliches)
kakuminales r. In weiten Gebieten wird o vor r wie å gesprochen (z.B. dårf
"Dorf"). Typisch die Hebung von ea und oa vor Nasalen zu iə und
uə (giən "gehen" gegenüber gean in Mittelkärnten, luən
"Lohn" gegenüber loan in Mittelkärnten). Örtlich (v.a. im Mölltal)
palatale Aussprache der Vokale (z.B. röükh "Rock", häüs
"Haus" usw.).
Mittelkärntnerisch umfasst den Kärntner Zentralraum und
nimmt das größte Gebiet ein. Man kann es in vier Gruppen unterteilen, und zwar
in Westmittelkärntnerisch (westlich von Sirnitz, Himmelberg und Treffen,
mit Spittal an der Drau und dem Liesertal), Übergangszone zum
Oberkärntnerischen hin; Nordmittelkärntnerisch (Gurk- und Metnitztal
sowie Krappfeld und Wimitz) mit dem Hauptmerkmal oa (< mhd. ei) und sowie
stark gerolltem Zungen-r; Zentralmittelkärntnerisch (im Bereich des
Städtevierecks Klagenfurt – St. Veit an der Glan – Feldkirchen – Villach) mit
dem Hauptmerkmal ā (< mhd. ei); Südmittelkärntnerisch im unteren
Gailtal, Rosen- und Jauntal einschließlich der deutschsprechenden Kanaltaler).
Letzterem fehlt der sonst zu beobachtende Unterschied zwischen städtischer und
bäuerlicher Sprachform; man kann es daher als einen Ableger der städtischen
Variante vom Zentralmittelkärntnerischen betrachten – mit einem höheren Anteil
slowenischer Einflüsse als im Kärntner Durchschnitt.
Durch das Wirken des
Kärntners Mundartdichters Gerhard Glawischnig und seine Bedeutung (zusammen mit
Justinus Mulle) bei der Entstehung des "Neuen Kärntner Liedes" ist
der von ihm in seinen Werken und Liedtexten verwendete Glantaler Dialekt zu
einer Art "Kärntner Koiné" geworden und genießt das bei weitem höchste
Ansehen. Viele Liedtexte aus anderen Gegenden Kärntens sind an diese Sprachform
angeglichen worden.
Unterkärntnerisch umfasst das Görtschitz- und Lavanttal;
während das Görtschitztal dem Nordmittelkärntnerischen recht nahe steht,
erinnert die Mundart des Lavanttales in vielem an weststeirische Mundarten. In
der älteren Mundart wird die Lautgruppe rn > dn, z.B. štǟdn
"Stern" (mit langem ä), khǡdn (mit langem å) "Korn" oder Vokal + r zu
silbischem r, z.B. khrchn "Kirche", wrbm "Wurm"; da in anderen
Gegenden Kärntens (v.a. im Zentralraum) vor r ein ə gesprochen wird
(khiərchn, wuərm), ergeben sich hier deutliche und hörbare
Unterschiede.
Ganz Kärnten gehört –
zusammen mit dem größten Teil von Tirol, dem Salzburger Lungau und den
angrenzenden steirischen Gebieten (v.a. die Bezirke Murau, Judenburg, Voitsberg
und Deutschlandsberg) dem südbairischen Dialektareal an. Dieses Gebiet
gehört zu den altertümlichen bairischen Mundarten, deren Altertümlichkeit nur
durch die vorgelagerten Sprachinselmundarten (z.B. Pladen/Sappada, Friaul,
Zarz/Sorica, Slowenien [erloschen], Gottschee [die Gottscheer, deren Gebiet
Hitler Italien zugesprochen hatte, wurden 1941 ausgesiedelt und in anderen
Gebieten, v.a. der Südsteiermark, wieder angesiedelt; nach Kriegsende konnten
sie nicht mehr zurückkehren, sondern mussten fliehen]) übertroffen wird.
Dementsprechend finden wir sehr viele südbairische Merkmale in den Kärntner
Mundarten: was Kärnten mit Tirol verbindet, aber deutlich von den
mittelbairischen Mundarten abhebt, ist das Bewahren der Vorsilbe ge- im
Mittelwort der Vergangenheit (PPP) vor allen Verschlusslauten: es heißt er håt
gepētet / getrībm / gekhocht (gegenüber mittelbair. er håt pēt /
trībm / kocht). Die Aussprache des e in ge- ist schwankend, z.T. gehoben, also
etwa [gi-] gesprochen, z.T. ist die Aussprache offener, etwa [gε-],
oder leicht reduziert, etwa [gə-]. Mitunter fehlt das Präfix auch im
Südbairischen, z.B. in "kommen", vgl. er is tswēgŋ khem
"er ist des Weges gekommen", doch dies ist keine Ausnahme, sondern
ein Archaismus. Weiters bleibt der Selbstlaut im Artikel die immer erhalten, es
heißt im Südbairischen immer de oder di Khia "die Kühe", de oder di
Muater "die Mutter", nie (wie in anderen bairischen Gebieten) d' Kia
bzw. d' Muater. Auch das "affrizierte" k [also Verschlusslaut +
entsprechender Reibelaut (wie pf und z [ts])], von mir geschrieben kh, genauer
[kch], gehört hieher; im Südbairischen wurde jedes alte k
affriziert, im Gegensatz zum Mittel- und Nordbairischen sowie zur deutschen
Hochsprache. Wir haben also Aussprachen wie khem "gekommen", Khua
"Kuh", khōchn "kochen" usw. Ein weiters südbairisches
Merkmal ist die Verkleinerungsform -le, in der Flexion -len (in Oberkärnten)
bzw. -lan (in Unterkärnten), z.B. Diandle bzw. Deandle "Mädchen", Fēgele
bzw. Fōgəle "Vöglein" (Pl. -len bzw. -lan).
Ein konservativer Zug
des Südbairischen ist auch das Unterbleiben der Nasalierung und der r- und
l-Vokalisierung. Ein mittelbairisches šẽ "schön", i wui oder
wŷ (mit langem ü) "ich will" und
wiat "Wirt" lautet im Südbairischen šean, i wil und wirt. Allerdings
muss festgestellt werden, das die r- und l-Vokalisierung nach Wiener Vorbild
immer mehr um sich greift; auch die Rundung von e und i vor l ist zumindest in
den Städten heute recht allgemein (z.B. göld "Geld", štül
"still"). Mittelbairische Formen wie kafa "kaufen" oder
kema "kommen" sind aber im Süden bis heute nicht üblich, es heißt nur
khāfn und khem(an). Manches spricht dafür, dass nasalierte Formen früher
in weiten Teilen Kärntens üblich waren, wie bestimmte Restformen zeigen, wie
z.B. ādlə "Großmutter" < Ahnlein (woraus andl im
Mittelbairischen). Aus dem Gebiet des Millstätter Sees sind auch Relikte wie hādl
"Hähnlein" und khoas "keines" bekannt.
Weitere
Besonderheiten: In der
Formenlehre haben wir südbairisch dēs "ihr" (statt
mittelbairisch ess) sowie die Endung der 2. Person Mehrzahl des Zeitwortes auf
-ts (wie auch in den anderen bairischen Mundarten), z.B. dēs khemts /
khemps "ihr kommt", entstanden aus der Verbindung der Endung -(e)t
mit dem nachgestellten Pronomen ess (< mhd. ëz). In manchen bairischen
Mundarten wiederholt sich dies bei der 1. Person Mehrzahl, in Österreich nur in
Kärnten (der größere Teil von Oberkärnten, v.a. Lesach- und oberes/mittleres
Mölltal ist ausgenommen): mir ēsmə "wir essen" (< {essen
+ wir}), allerdings in Unterkärnten (und nur dort) auch im Nebensatz und
Fragesatz möglich, z.B. iatsən weamə ēsn wås mə gekhaft
hǡmə "jetzt werden wir essen was wir gekauft haben", ēsmə
mir ane fīš ? "essen wir Fische?". eŋkh (mhd. ënk) für
"euch" ist in den bäuerlichen Mundarten noch verbreitet, doch sein
Gebrauch ist heute stark rückläufig. Auffallend sind ferner die hybriden
Bildungen wie šrainan "schreien" (neben šrain), flǡšnan
"Flaschen" und puəman "Buben, Knaben" (neben flǡšn
und puəm) und geghεərt "gehört"
(PPP, ziemlich allgemein), also mit Verdoppelung der Endung ({schreien + en},
{flaschen + en} und {ge + gehört}).
Wie auch in den anderen
bairischen Mundarten spielt der unbestimmte Artikel ein auch die Rolle des
Teilungsartikels, also i hǡb an huŋger und an duršt "ich habe
Hunger und Durst", i trinkh gern a pīr "ich trinke gerne
Bier". Doch auch in der Mehrzahl ist der Gebrauch des unbestimmten
Artikels allgemein, z.B. hōl ane epfl aus də špais "hole Äpfel
aus der Speis (Vorratskammer)", dås sant då ane peasn waiber! "das
sind doch böse (zänkische) Weiber!".
Ziemlich allgemein ist
im Bairischen der "Einheitsplural", d.h., es gibt beim Hauptwort nur
mehr eine einzige Kasusform, z.B. di oder de khinder "die/den
Kinder(n)"; im 3. Fall Mehrzahl (auch im 3. Fall Einzahl bei den
weiblichen Hauptwörtern) gibt es einen präpositionalen Dativ, z.B. gib dås in
di khinder bzw. in də muater "gib das den Kindern bzw. der
Mutter" (in der Mehrzahl auch [seltener] gib dås de khinder, in der
Einzahl [heute meist] gib dås də muater). Ob dieser präpositionale 3. Fall
auch bei den männlichen und sächlichen Hauptwörtern anzunehmen ist, bleibt aus
Sicht der heutigen Sprache unklar, da sowohl der Artikel "dem/den"
als auch "in dem/in den" zu mundartlich in (oder ən) geworden
ist, z.B. in mǡn "dem/den Mann" und in pεrg
"im/in den Wald".
Die Vorsilben er- und
zusammen- heißen auch in Kärnten der- (meist [də-]) und tsåm- und haben
ein breiteren Anwendungsbereich als in der Schriftsprache, z.B. derpåkhŋ
"zu etwas fähig sein, vollbringen (wörtlich: erpacken)" oder tsåmpåkhŋ
"zusammenpacken (auch übertragen)". – Einige bemerkenswerte
Mittelwörter der Vergangenheit: geprent "gebrannt (transitiv)", geprūnan
"gebrannt (intransitiv)", gšnībm "geschneit", gwaicht
oder gwīchn "geweiht", (tsåm)khrōchn
"(zusammen)gerecht (mit dem Rechen)".
Ein besonderes Merkmal
ist die sogenannte Kärntner Dehnung, diese den Klang (das
"phonologische System") der Kärntner Mundarten nachhaltig geprägt
hat. Sie ist aus einer Umwandlung der mittelhochdeutschen Gruppen kurzer
Selbstlaut + verdoppelter Reibelaut in langer Vokal + einfacher Reibelaut
hervorgegangen; später folgten auch die Gruppen mit t. Beispiele: mhd. hoffen,
macchen, gewisse, waʒʒer, fischen > kärntnerisch hōfn
"hoffen", mǡchn "machen", gwīs
"gewiss", wǡser "Wasser", fīšn
"fischen". Eine Folge dieser Entwicklung besteht darin, dass Wörter
wie offen und Ofen, Wiese und wissen gleich lauten, nämlich [ōfn] und [wīsn].
Später folgte auch t, daher heißt "Mitte" heute [mītn]. Vor
Mitlautgruppen tritt die Kärntner Dehnung nicht ein, es heißt zwar ēsn
"essen", aber dēs ests "ihr eßt", daher das Schwanken
von Lang- und Kurzvokal in offenen und (primär) geschlossenen Silben, z.B.
"ich gebe/esse" i gīb / īs, aber "er gibt/isst"
er gip (< gipt) / ist. Lautgeschichtlich ist die "Kärntner
Dehnung" eine Ersatzdehnung unter den Bedingungen des slowenisch-deutschen
Sprachkontaktes.
Weiteres aus der
Lautlehre: Im
Wortauslaut werden die Gruppen Verschlusslaut + -t vereinfacht, z.B. er såk
< er sagt, ghåp < gehabt, nach Dental schwankt der Gebrauch, es heißt
u.a. nur er ret < er redet, khret < geredet, aber er tritet "er
tritt", selten trit (dazu 2. Person tritest, aber retst). Nach stdt. (c)k
bleibt -t stets erhalten, z.B. er håkht < er hackt, ghåkht < gehackt,
weil dieses ja zur Affrikate wurde. Ähnlich wird auch -ts > -s vereinfacht
(z.B. dēs geps, s.o.). Auch die aus mittelhochdeutsch -ent entstandene
Endung -nt (3. Person Mehrzahl) wird assimiliert, so heißt es meist si gēbmp/sǡgŋk
"sie geben/sagen". Eigenartige und vielfältige Formen hat sie tun
entwickelt: se teamp, toamp, schwachtonig tåmp, daneben auch tuamp (aus der
älteren Stadtsprache); diese Formen sind von "haben" beeinflußt (se
håmp < alt habent). Daneben kommen auch die älteren Formen wie tuant, tiant
vor, z.T. (v.a. heute stadtmundartlich) unter Wegfall von -t.
Zum Wortschatz: Im
Bereich des Wortschatzes sind die beiden Wörtchen a (Fragepartikel, z.B. a
khimpst hai(n)t tsu uns? "kommst du heute zu uns?") und lai
"nur" zu erwähnen, letzteres ergibt zusammen mit lǡsn die
typisch kärntnerische Redewendung lai lǡsn "nur lassen" (im
Sinne von "sich nur nicht anstrengen" bzw. "nur nicht
aufregen"), worin zwei Kärntner Eigentümlichkeiten vereint sind: das (v.a.
auch in Ost- und Südtirol sehr beliebte) lai und die (bis ins steirische Murtal
reichende) "Kärntner Dehnung". Einige weitere Wörter: Strankerl
"Fisole, grüne Schnittbohne", zwillen "jammern, klagen (v.a. von
Kleinkindern)" (aus dem Slowenischen), tschentschen "nörgeln,
jammern", Granten "Preiselbeere", (aus dem Romanischen),
Reinling "Art Gugelhupf" (in der Reine ohne Loch in der Mitte aus
eingerolltem und mit Zimt und Rosinen gefüllt [auch andere Füllungen sind
üblich: Mohn, Nuss, Apfel]), Fischl "Lungenbraten", Schwarzbeere
"Heidelbeere", Rotbeere [roapə] "Erdbeere", Füchsling
"Eierschwammerl, Pfifferling" usw.
Karte
der österreichischen Mundarten
2.
Die österreichischen Mundarten
Vorbemerkung: Hier können
im Überblick nur einige bekanntere Merkmale stark vereinfacht dargestellt
werden. Genauere Angaben bieten u.a. M. Hornung - F. Roitinger, Unsere
Mundarten (Wien 1950, überarbeitete Neuauflage soeben erschienen, bearbeitet
von G. Zeillinger, Wien, öbv&hpt 2000) und (fürs gesamtdeutsche
Sprachgebiet) W. König, dtv-Atlas zur deutschen Sprache (dtv 3025).
Auf dem gesamten österreichischen
Bundesgebiet werden oberdeutsche Mundarten gesprochen. Einem sehr großen
bairischen Gebiet steht ein recht kleines alemannisches Gebiet gegenüber:
Vorarlberg und Teile von Tirol (Lechtal).
2.1. Bairisch
(-Österreichisch)
Der bairische Anteil
gliedert sich in drei von West nach Ost verlaufenden Streifen, Mittelbairisch
(Nieder- und Oberösterreich samt der Bundeshauptstadt Wien) und Südbairisch
(Tirol und Kärnten samt Salzburger Lungau und Teilen der Steiermark) und mit
einem dazwischen liegenden Übergangsgebiet (nordöstliches Tirol, Salzburg,
Steiermark und Burgenland); siehe dazu die Karte.
Gemeinbairische
Erscheinungen in Österreich sind z.B. die Verdumpfung von a > å (z.B. dåg
bzw. tåg "Tag"), das Bewahren der mittelhochdeutschen Dipththonge ie
uo üe (mhd. liep, bruoder, brüeder > bair. liab, bruada, briada "lieb,
Bruder, Brüder"; statt ua haben wir teilweise auch ui, "ui-Mundarten",
nördliches Niederösterreich und ganzes Burgenland, bis in die Oststeiermark
reichend, z.B. bluid "Blut" < mhd. bluot), die Entwicklung von
sekundärem ä zu a, z.B. glasl "Gläschen" oder i war "ich wäre",
ferner ǖ > ai (z.B. haisa "Häuser", mais "Mäuse").
Allgemein verbreitet
sind auch die sogenannten bairischen Kennwörter, z.B. Er(ge)tag
"Dienstag", Pfinz-/Pfingstag "Donnerstag", Fasching,
Kirchtag, Maut, ēß (südbairisch dēß) "ihr", enk
"euch", aper "schneefrei", Bussel usw. "Kuss",
Kuchel "Küche" u.v.a. mehr, z.T. nur mehr in alten bäuerlichen
Mundart.
Merkmale des
Mittelbairischen sind u.a.:
1.
Abschwächung von p t k ("Starklaute") zu (den stimmlosen
"Schwachlauten") b d g (vor l n r) bzw. gh (vor Selbstlauten), also
Pech, Tag (Dach), Knecht, Kuh klingt etwa wie bech, dåg (wie dåch), gnecht,
ghua; inlautend werden die alten Doppellaute geschwächt (z.B. supm
"Suppe", hitn "Hütte"), die Schwachlaute zu Reibelauten
(z.B. wewa "Weber") oder schwinden überhaupt (z.B. pua
"Bub", re’n "reden", nå’l "Nadel" mit silbischen
n und l);
2.
weit verbreitet ist die l- und r-Vokalisierung, z.B. håjs "Hals" oder
i wŷ (mit langem ü) "ich will"
bzw. fåda / muada "Vater / Mutter";
3.
langes mittelhochdeutsches e und o bleiben meist erhalten (glē
"Klee", brōd "Brot", teilweise diphthongiert broud,
gegenüber südbairisch kchleə "Klee" und roət
"rot");
4.
die Vorsilbe ge- wird zu g- verkürzt (z.B. gsunga "gesungen") und
schwindet vor Verschlusslauten überhaupt (z.B. trunga "getrunken").
Das Südbairische ist beharrlicher:
1.
Stark und Schwachlaute werden unterschieden (ausgenommen einheitliches p- im
Anlaut), also z.B. dåch neben tåg (s.o. 1); altes k ist lautverschoben zu kch,
z.B. kchleə "Klee";
2. in
der älteren Mundart fehlt die r- und l-Vokalisierung (es heißt håls und i wil
bzw. wül, s.o. 2), sie ist aber im Begriffe vorzudringen (v.a. in den
Stadtmundarten);
3.
s.o. 3;
4. die
Vorsilbe ge- bleibt immer erhalten (gsungan, gətrunkchn, s.o.
4);
5.
auch auslautende Silben werden bewahrt, z.B. Kärnten sune "Sonne", hirwišt
/ hirwəst "Herbst", u.a. in Kals (Osttirol) pai tǡge
"bei Tag".
Einige Erscheinungen
sind anders verteilt, so ergibt sich eine West-/Ostschichtung nach der
Aussprache des st im Wortin- und -auslaut, im Westen sagt man herbešt
"Herbst" oder du pisch / pišt "du bist" usw., im Osten nur
-s- (siehe Karte; Wörter wie duašt "Durst" sind eine scheinbare
Ausnahme, das -rs- meist wie -rsch- lautet, z.B. ferschn "Ferse"). Ähnlich
verhält es sich mit der Verallgemeinerung des -n in der Einzahl der schwachen
weiblichen Hauptwörter, im Osten heißt es etwa ålm / åjm (< alben)
"Alpe, Bergweide" oder wīsn "Wiese", im Westen ålwe
und wīse. Beide Erscheinungen nehmen ein relativ kleines Gebiet ein,
finden aber im Alemannischen ihre Fortsetzung, wo dann weiter westlich auch das
-e schwindet (alp, wīs).
Wiederum anders
verteilt ist die Entwicklung von mittelhochdeutsch ei (siehe Karte);
gemeinbairisch ist oa (z.B. i woaß "ich weiß"), Wien und (der größere
Teil von) Kärnten haben langes a (also i wāß); letzteres kommt auch in
anderen Gegenden vor (z.B. im Pustertal) und breitet sich in letzter Zeit immer
mehr aus. Die Herkunft dieses (langen) a ist nicht ganz klar, wahrscheinlich
ist es durch Adelsgeschlechter und deren Gefolge hieher verpflanzt worden
(durch die Habsburger nach Wien, die Sponheimer nach Kärnten).
Unterschiede gibt es
auch im Wortschatz, der Osten und Süden hat u.a. slawische Lehnworte, z.B.
Jause, Potitze, Golatsche / Kolatsche, Preiselbeere usw., nach romanischen
Vorbildern sagt man in Tirol Marende statt Jause, in Tirol und Kärnten Grante
statt Preiselbeere usw. Aber auch im deutschen Wortschatz gibt es Unterschiede,
z.B. Nachtmahl im Osten und Süden gegenüber Nacht- oder Abendessen im Westen
oder, anders verteilt, für Mädchen im Nordosten und im äußersten Westen Madl,
dazwischen Dirndl (diandle usw.), im Südwesten (v.a. Süd- und Osttirol bis in
Kärntner Gailtal) Gitsche.
2.2. Alemannisch
Obwohl das Bundesland
Vorarlberg recht klein ist, weist es doch eine Fülle von verschienen
Ortsmundarten auf. Auffallend ist vor allem das Unterbleiben der
Diphthongierung von mittelhochdeutschem ī und ū, es heißt hier mīn
"mein", hūs "Haus", ebenso bleiben altes a und ä
(letzteres sehr offen ausgesprochen) erhalten, also gartə
"Garten", gärtli "Gärtlein" (in Tirol gårtn bzw. gartl). n
schwindet meist im Auslaut (s.o.), aber auch vor Reibelauten im Inlaut (z.B.
wysche "wünschen", sāft "sanft"). Dazu kommt ein oft
recht eigenartiger, meist mit der Schweiz übereinstimmender Wortschatz, z.B.
Ziestag "Dienstag", die Fluh "Felsen", z.T. luege statt
schauen sowie gsī für "gewesen" (< ge-sīn).
3. Zum Bairischen
(als deutscher Großdialekt)
3.1.Was ist "Bairisch"?
Übersichtskarte
nach L. Zehetner, Bairisches Deutsch, S. 6:
Unter Bairisch
mit -i- versteht man den bairischen Stamm und die bairische Mundart, unter
bayrisch mit -y- die Zugehörigkeit zum Freistaat Bayern. Nur ein Teil – wenn
auch der größere – ist bairisch, fast ganz Österreich ist ebenso bairisch. Auf
der Ebene der bäuerlichen Volksmundarten wirkt sich die Staatsgrenze zwischen
Bayern und Österreich kaum aus, im Bereich der Amts-, Schul- und
Verkehrssprache haben sich durch die verschieden verlaufene staatliche
Entwicklung einige Unterschiede ergeben, z.B. das dunkle bayerische a (auch in Lehnwörtern, z.B. Bayern Bank mit einem nach å hin
gefärbtem a, in Österreich wird das Geldinstitut mit reinem a gesprochen,
hingegen lautet die Sitzgelegenheit in beiden Ländern mundartlich Pånk) oder
Brotzeit gegenüber Jause, Fleischpflanzl gegenüber faschiertes Laiberl usw.
Der gesamtbairische Dialektraum umfasst die bayerischen Regierungsbezirke
Ober- und Niederbayern und die Oberpfalz, vormals auch das Egerland, ferner
einen Streifen von Ober- und Mittelfranken, alle österreichischen Bundesländer
außer Vorarlberg und das Tiroler Lechtal sowie das zu Italien gehörende
Südtirol. Er hat eine West-Ost-Ausdehnung von etwa 500 km – vom Lech und
Arlberg bis zum Neusiedler See – und misst von Nord nach Süd an die 450 km –
vom Fichtelgebirge bis zur Salurner Klause in Südtirol. Das geschlossene
bairische Dialektgebiet grenzt im Norden und Westen an andere deutsche
Dialektlandschaften – an das Ostmitteldeutsche (Obersächsische), an das
Ostfränkische und an das Schwäbisch-Alemannische. Im Süden und Osten
hingegen berührt es nicht-germanische Sprachen: das Rätoromanische, Ladinische,
Friaulische, Italienische, Slowenische, Magyarische (Ungarische), Kroatische,
Slowakische und Tschechische. Diese Ausdehnung des Bairischen deckt sich mit
dem Stammesgeblet der Baiern = Bajuwaren (aus Bai(w)ariōz). Es ist ein
Gebiet, das flächenmäßig viermal so groß ist wie die ganze Schweiz. Die
geographische Reichweite des Bairischen geht über die mancher europäischer
Nationalsprachen, z. B. des Ungarischen oder Finnischen, weit hinaus.
Einige
wichtige Merkmale des Bairischen:
Hier kann
keine kurzgefasste bairische Grammatik vorgelegt werden, doch es sollen einige
markante Kennzeichen der bairischen Mundarten in Bayern und Österreich
vorgestellt werden – was in Lautlehre, Wortbildung, Wortschatz und Satzlehre
als besonders eigentümlich zu betrachten ist.
3.2.
Lautlehre
3.21. Die vom
Bairischen ausgegangene Diphthongierung (Verzwielautung) der
mittelhochdeutschen Langvokale ī, ū, (lang-) ü zu ei, au, eu (äu) ist
Bestandteil der neuhochdeutschen Schriftsprache geworden, hingegen ist die
entsprechende Entwicklung von ō zu ou, oa oder eo (rout, roat, reot
‘rot’), von ā zu ou (Strouss ‘Straße’)
und von ē, (lang-) ö zu äi oder ea (Schnäi oder Schnea bzw. bäis oder beas
‘Schnee, böse’), wie sie in Teilen des Gebietes gilt, auf die Mundart
beschränkt geblieben. Das Gleiche trifft auch auf die Weiterentwicklung von
mittelhochdeutsch ei zu oa (bzw. åi) oder ā (hoaß/hāß, proat/prāt, Goaß/Gāß, Loata/Lāta ‘heiß,
breit, Geiß, Leiter’).
3.22. Ebenso ist
es mit der Bewahrung der mittelhochdeutschen Diphthonge ie, üe, uo als ia und
ua (bzw. ui in Randgebieten und Sprachinseln, „ui-Mundarten“), z.B. liap,
griaßn, Pruada (bzw. pruidr u.a. in Pladen/Sappada) ‘lieb, grüßen, Bruder’ .
Hierin unterscheidet sich das Bairische deutlich vom Ostfränkischen, das –
ebenso wie die Hochsprache – einfache Langvokale kennt, z. B. Brūda
‘Bruder’.
3.23. Eine
bairische Kennlautung ist das „überhelle“ a für den mittelhochdeutschen
Sekundärumlaut ä, æ, wofür die Nachbarmundarten und die Schriftsprache einen
e-Laut haben. zāch, Schār, Rādi/Rattach, Māndl, Sackl, Antn
‘zäh, Schere, Rettich, Männlein, kleiner Sack, Ente’.
3.24. Wie auch
in anderen oberdeutschen Mundarten werden die mittelhochdeutschen Vokale ö (œ),
ü, iu (= langes ü), üe, öü entrundet und somit zu e, i, ai, ia/äi. Daher
entsprechen einander schriftsprachlich rösten, böse, Zügel, neu, müde, Freude,
Häuser und bairisch restn, bēs/beas/bäis, Zīgl, nai(ch), miad/mäid,
Fraid, Haisa.
3.25. Ähnlich
wie andere binnendeutsche Dialekte ist das Bairische durch eine weitgehende
Konsonantenschwächung gekennzeichnet, die weitgehend zur Aufhebung des
Unterschiedes zwischen b, d, g und p, t, k (letzteres
v.a. vor Konsonanten) geführt hat (nicht im Südbairischen!), z.B.
mittelbairisch Pēda, Pǡda, Wēda, Lēda, tringa,
Schǡ(d)n ‘Peter, Bader, Wetter, Leder; trinken; Schatten/Schaden’. Eine
Folge dieser Entwicklung, zusammen mit der Einsilberdehnung, ist der Umstand,
dass es im heutigen Mittelbairischen nur mehr zwei Silbentypen gibt: entweder
Langvokal + schwacher Konsonant (Lenis) oder Kurzvokal + starker Konsonant
(Fortis), z. B. Drēg – dreke (Dreck, dreckig). Bei Reibelauten führt die
Schwächung zu Formen wie gwen (gewesen) oder Pǡ (‘Bach’, im Gegensatz zum
Plural Bach ‘Bäche’), sēne ‘solche(ne)’).
3.26. Das
Mittelbairische ist gekennzeichnet durch die „Vokalisierung“ des l, das nach
Vokalen zu i (oder e) wird bzw. mit vorangehendem e und i neue Lautungen
entwickelt hat: viel wird zu vui / väi / vüü, Geld zu Göid / Gööd, Gabel zu
Gǡwe usw.
(nach L. Zehetner, Das bairische Dialektbuch,
S. 56)
Weiter
verbreitet ist im Deutschen die r-Vokaliserung (in den beharrlicheren
südbairischen Mundarten erst ansatzweise), z.B. Aussprachen wie Schnur [schnuà]
oder Kern [keàn].
3.3. Wort-
und Formbildung: Ein Merkmal des Süddeutschen ist die
Verkleinerung durch mittelhochdeutsch -līn zu -lein, was in den heutigen
Mundarten als -l, -àl (geschrieben -erl), in l-vokalisierenden Mundarten als
-ai oder -e, im Südbarischen auch als -(à)le erscheint. Beispiele, z.B. Glasl ‘Gläschen’,
Haserl / Hāsàle ‘Häschen’, Kaiwe ‘Kälbchen’ usw. – Ferner ist
charakteristisch das Präfix der- statt er- (z.B. derschrecken, derschlagen,
auch in Wörtern ohne Vorbild in der Schriftsprache, z.B. dertreten ‘zu Tode
treten’) sowie das Suffix -ach für Sammelbezeichnungen, sehr lebendig noch im
Südbairischen (z.B. Kräutlach ‘Suppenkräuter’).
Die zweite Person Mehrzahl des Zeitwortes lautet im Bairischen auf -ts (d.i.
-et + ēs).
3.4.
Wortschatz: Einige besondere Wörter, darunter die sogenannten „Bairischen
Kennwörter“, wie die persönlichen Fürwörter ēs (südbairisch dēs), enk
(‘ihr, euch’), weiters Er(ge)tag (Irtig
usw.) und Pfinztag / Pfingstag ‘Dienstag, Donnerstag’, oder aper ‘schneefrei’,
Budel ‘Ladentisch’, Bussl, busseln ‘Kuss, küssen’, Fasching ‘Karneval’,
iterucken ‘wiederkäuen’, Kuchel ‘Küche’ u.v.a.
Bearbeitet nach: Ludwig ZEHETNER, Das bairische
Dialektbuch (München 1985), insbes. S. 54-59; empfehlenswert weiters vom
gleichen Verfasser Bairisches Deutsch. Lexikon der deutschen Sprache in
Altbayern (München 1997) sowie – zu Österreich – Maria HORNUNG - Franz
ROITINGER, Die österreichischen Mundarten. Eine Einführung (Wien 2000).
3.5. Zur Herkunft
der Baiern und des Namens Baiern
Hypothesen über die
Herkunft der Baiern gibt es viele, die wahrscheinlichste ist eine
Stammesbildung aus verschiedenen Splittern vor Ort (Ethnogenese), so lautet es
im „Brockhaus“: germanischer Stamm, hervorgegangen aus verschiedenen nach
Bayern eingewanderten Bevölkerungsgruppen. Zwischen 490 und 530 besetzten die
Baiern die Gebiete südlich der Donau; es folgte das Vordringen in die
Alpentäler bis zur Etsch (1). Der
bayerische Historiker J. Bosl spricht genauer von einer Ethnogenese bzw.
Stammesneubildung aus Keltoromanen, von einem „keltoromanisch-römisch-germanischen
Mischvolk“,
das als „Folge
der Überlagerung durch die Franken, die eine Art führenden Kern bildeten, der
seine Sprache den Untertanen aufzwang“ zum Althochdeutsch sprechenden Stamm
wurde (2). Der Kern dieser Keltoromanen waren
die Boier und es heißt in einer Quelle aus dem Jahre 624: Boiae, qui
nunc Baioarii vocantur „Bojer,
die jetzt Bajuwaren genannt werden“. Deren Sprache ist oberdeutsch und stand in
althochdeutscher Zeit dem Alemannischen sehr nahe, sodass W. Mayerthaler
meinte, das germanische Element seien weniger die Franken gewesen, vielmehr die
Alemannen (3). Einiges spricht auch für
ostgermanische Einflüsse, so u.a. die bairischen Wochentage Ergetag ‘Dienstag’ und Pfinz- bzw. Pfingstag
‘Donnerstag’.
Ein bislang ungelöstes
Problem ist die Herkunft des Namens Baiern. Die traditionelle Deutung
des Namens ist *Bai-warjoz ‘Männer
aus *Baia (Boiohaemum = Böhmen)’. Ein lautliches Problem
bleibt bestehen, denn der Diphthong bereitet Schwierigkeiten: wenn *Baia-warjoz
< *Baiahaim-warjoz gekürzt ist, wäre wegen der Entwicklung des
Vorläufers lat(einisch). Boiohaemum > althochdeutsch Behaim
eher ein *Be-warjoz zu erwarten, aber auch ein *Bai-warjoz müsste
zu -e- führen – denn vor h und w tritt der Wandel
von -ai- > -e- ein (vgl. althochdeutsch lehē < germ. *laih ‘lieh’,
See < germ. *saiwi,
althochdeutsch seo). Wenn auch der lateinisch-romanische Einfluss auf
das Bairische und die bairischen Mundarten deutlich erkennbar ist, erscheint dennoch
die Herleitung des Namens der Baiern aus rom(anisch) Pago Ivaro ‘Salzachgau’
(„Kronsteiner-Mayerthaler’sche Hypothese“ (4))
aus lautgeschichtlichen, morphologischen und sachlichen Gründen sehr
bedenklich; soferne der Baiernname überhaupt ein rom. pagus ‘Gau, Bezirk’ enthält (sicher ist dies ja
nicht), ist er jedenfalls mit germ(anisch) -warja- (vgl. lat. Baiuarii
(5)) gebildet. Es ist ja nicht auszuschließen,
dass jene Gegend, die in viele Gaue (Chiemgau, Mattiggau, Pongau
usw.) gegliedert war, rom. *Pagi geheißen hat, volkstümliche
bzw. regionale Aussprache etwa [pa(j)i] und so ins Germanische entlehnt wurde.
Zu einem Einwohnernamen *pa(j)iwarja- wäre es dann kein weiter Weg mehr.
Die traditionelle Deutung des Namens als ‘Männer aus Böhmen’ wäre dann durch die
‘Männer aus den Gauen’ zu ersetzen – immerhin eine Möglichkeit. Ein
schwerwiegendes lautliches Problem bleibt bestehen: warum wurde nicht p >
pf verschoben? (ai > oa ist in rom. Lehnwörtern möglich: magister
> Moaster ‘Meister’,
maior (domus) > Moar ‘Meier’
in der Mundart, daher auch mundartlich poarisch „bairisch“). Außerdem ist der Name im
Lat. immer mit B- geschrieben – sehr seltsam, wenn ein pagus
zugrunde gelegt wird! Also: die endgültige Erklärung des Namens muss offen
bleiben.
Anmerkungen:
(1)
© Bibliographisches Institut & F.
A. Brockhaus AG, 2004
(2) K. Bosl,
Bayerische Geschichte. Münschen 1971,
S. 23-24.
(3) W. Mayerthaler,
Woher stammt der Name „Baiern“? In: D. Messner
(Hg.). Das Romanische in den Ostalpen. Österreichische Akademie der
Wissenschaften: Wien, S. 65f.
(4) Vgl. die in ÖNf
26 (1998) Heft 3: 11f. zitierten Arbeiten von O. Kronsteiner u. W. Mayerthaler
aus den Jahren 1984/85, zuletzt dazu Kronsteiner 1998: 87 – mit unsachlicher
(und unnötiger) Kritik an Germanisten und Historikern.
(5) gerade die Existenz
dieses -warja- wird von O.
Kronsteiner und W. Mayerthaler entschieden abgelehnt und ins Reich der Mythen
verbannt (obwohl deutsch -er in Herkunftsnamen
[Bürger, Römer] auf dieses zurückgeht und von -er [wie in Lehrer,
Lehnsuffix aus lat. -arius] zu
trennen ist). Dieses germanische Wortbildungselement (latinisiert -varii) war sehr produktiv, auch mit
fremdem Sprachmaterial, z.B. Ripuarii (zu
lat. ripa) oder Raetobarii (zu Raetia, zu
erwarten wäre *Raetuarii) oder von
Flussnamen Amsi-/Chasuarii ‘Ems-/ Haseanwohner’.
4.
Die anderen Sprachen und Mundarten (in Österreich)
Rund 1% der österreichischen
Bevölkerung gehört den autochthonen Minderheiten an. Wenn wir nach der
Geschichte gehen, beginnen wir mit den (Kärntner) Slowenen und enden mit den
(Wiener) Tschechen.
Hinweis: Genauere
Angaben u.a. in Ch. Pan - B.S. Pfeil, Die Volksgruppen in Europa (Wien 2000, S.
125-127) sowie in Handbuch Kontaktlinguistik II/2 (Berlin-New York 1997, hg. v.
H. Goebl u.a., Beiträge und Karten von H.D. Pohl und G. Neweklowsky).
4.1. Die
slowenischen Mundarten
Die österreichischen
Slowenen gehören zu den historisch ältesten Einwohnern Österreichs. Sie sind
die Nachkommen der Alpenslawen, deren kurzlebiges Fürstentum Karantanien die
Keimzelle des späteren Herzogtum Kärnten war. Ihre Spuren sind v.a. in den
Ortsnamen erhalten, die meisten auf -itz und -ach endenden sind
alpenslawisch-slowenischer Herkunft, auch die häufigen Familiennamen aus
-nig(g). In Kärnten gibt es laut Volkszählung 1991 rund 15.000 Slowenen, die
sich als solche ausdrücklich bekennen; dazu kommt eine größere Zahl weiterer
Menschen, die teils Slowenisch als Muttersprache, teils als Zweitsprache haben,
insgesamt höchstens 40.000 (v.a. in der älteren Generation). Für die Steiermark
werden 1695 Personen angegeben (v.a. im Grenzgebiet.
Die Kärntner Mundarten
werden in vier Gruppen geteilt: Gailtal (ins Kanaltal ausgreifend), Rosental
(auch das Gebiet nördlich des Wörthersees und der Umgebung von Klagenfurt
umfassend), Jauntal (auch auf den Südabhängen der Saualpe, sich nach Osten über
die Staatsgrenze fortsetzend) sowie das Gebiet der Gemeinde Eisenkappel-Vellach
("Obir- oder Remschenig-Dialekt"). Dadurch, dass die Kärntner
slowenischen Dialekt sich erheblich von der slowenischen Schriftsprache
unterscheiden (etwa wie Schweizerdeutsch vom "Hochdeutschen"), kam
die irrige Meinung auf, die in Kärnten gesprochenen Mundarten seien gar nicht
slowenisch, sondern "Windisch".
4.2. Ungarisch
Ungarn leben verstreut
im Burgenland, hauptsächlich in den Bezirken Oberpullendorf und Oberwart. Deren
Anzahl wird mit rund 10.000 angegeben, dazu kommen rund 9000 Personen, die in
Wien leben.
4.3. Die kroatischen
Mundarten
Die Burgenländer
Kroaten sind die Nachkommen von Flüchtlingen, die teils vor den Türken
geflüchtet waren, teils von kroatisch-ungarischen Magnaten, die auch in
Kroatien Besitzungen hatten, dorthin verpflanzt wurden. Das kroatische
Siedlungsbebiet setzt sich nach Osten in Ungarn und im Norden bis in Slowakei
fort. Ihr Siedlungsgebiet sind meist Sprachinseln; ihre Anzahl dürfte rund
30.000 Menschen betragen, zu denen noch rund 10.000 in Wien lebende
Burgenland-Kroaten kommen. Deren Mundarten gehören größtenteils zu den
sogenannten čakavischen (in Westkroatien), im Süden des Burgenlandes auch
zu den štokavischen Dialekten. Das Burgenländisch-Kroatische hat eine eigene
Schriftsprache entwickelt, die sich von der ehemaligen serbokroatischen in
mancher Hinsicht unterscheidet.
4.4. Tschechisch und
Slowakisch
Die Tschechen sind die
Nachkommen von Zuwanderern aus den Ländern der böhmischen Krone; ihre Zahl wird
mit 9.800 Personen angegeben. Im östlichen Marchfeld lebt noch eine kleine
Anzahl von Slowaken, zusammen mit den in Wien wohnenden dürften es rund 1000
Menschen sein.
4.5. Romanes
Die Sprache der Roma
und Sinti (vormals "Zigeuner") – zu den indoarischen Sprachen
gehörend – wird von 5-10 Tausend Personen gesprochen. Die Vorfahren aller Roma
(die am meisten verbreitete Eigenbezeichnung) sind Ende des ersten
nachchristlichen Jahrtausend in mehreren Wellen aus Nordwestindien abgewandert
und gelangten teils über den Bosporus, teils über die Straße von Gibraltar nach
Europa, wo sie in allen Ländern anzutreffen sind. Es ist erstaunlich, wie sehr
sie trotz ihrer Wanderungen in anderssprachiger Umgebung (aus der sie viele
Lehnwörter aufgenommen haben) ihre neuindische Sprache hinsichtlich ihrer
Struktur und des Grundwortschatzes bewahrt haben – Zeugnis eines hochentwickelten
Zusammengehörigkeitsgefühls über die Staatsgrenzen hinweg.
siehe
auch meine private Homepage: http://members.chello.at/heinz.pohl/Startseite.htm
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