Kals am Großglockner

ZUM KALSER NAMENKUNDLICHEN SYMPOSIUM* siehe

http://members.chello.at/heinz.pohl/Tagungen.htm

*Seit 1986 finden in Kals am Großglockner mit Unterstützung der Gemeinde Kals a.Gr.

und von Osttiroler Bildungsinstitutionen die von den Instituten für Sprachwissenschaft der Universitäten Klagenfurt und Innsbruck veranstalteten Kalser Namenkundlichen Symposien statt

 

Zum Namen KALS:

Aus Anlass der 800. Wiederkehr der ersten urkundlichen Nennung von

Kals am Großglockner am 19.8.1197

(C) H.D. Pohl 

nach Kals a.G.: http://www.kals.at/

 

 

Die Gemeinde Kals am Großglockner in Osttirol gehört zu den namenkundlich bemerkenswertesten Regionen Österreichs: hier haben im Mittelalter Romanen, Slawen und Deutsche friedlich nebeneinander gerodet, gewirtschaftet und gelebt, was sich im Namenschatz des Kalser Tales noch heute deutlich zeigt, denn wir finden Namen romanischer (ladinischer), slawischer (alpenslawischer bzw. karantanischer) und deutscher (südbairischer) Herkunft. Diese Vielfalt betrifft nicht nur die (amtlichen) Siedlungs- und Hofnamen, sondern auch die Flur-, Berg- und Gewässernamen.

Der Name Kals (urkundlich 1197 de Calce, 1329 Chalt(e)s, 1545 Kallss) ist wahrscheinlich auf (alt)slowenisch kalec zu slawisch kalъ Schlamm, Pfuhl, Lache, Pfütze‟ zurückzuführen. Der Name der Gemeinde kommt vom Namen des Kalser Tales; der Kalser Bach fließt in seinem Mittelabschnitt in einem relativ ebenen Gebiet sehr ruhig dahin und sein Bett ist von Lachen und Pfützen begleitet, insbesondere im Frühjahr nach der Schneeschmelze und im Hochsommer nach ausgiebigen Regenfällen oder heftigen Gewittern. Von diesem Abschnitt muss auch die (slawische) Namengebung ausgegangen sein, wo sich auch andere Namen slawischer Herkunft finden, z.B. Lesach, Arnig und Staniska. Eine romanische Herkunft des Namens Kals ist aus lautgeschichtlichen Gründen unwahrscheinlich, da romanisch ca- im Ladinischen gewöhnlich zu tscha- wurde, z.B. Flurnamen wie Tschadin < romanisch catinus (Gebirgs-)Kessel, Kar‟ oder Tschamp < romanisch campus Feld‟. Weitere Siedlungsnamen romanischer Herkunft sind:

Glor: amtlich Glor-Berg, urkundlich 1329 Anglar, somit < romanisch angulare im Winkel gelegen‟ (das benachbarte Ködnitz, s.u., hat die gleiche Bedeutung).

Pradéll: < romanisch pratellu kleine Wiese‟.

Elleparte: gesprochen (heute) Elepå'rt(e), (vormals) Lepórte(n), < romanisch (ad) illam partem jenseitiger Teil‟. Der Name

Lana enthält zwar ein Wort romanischer Herkunft, mundartlich Lahn(e) (< romanisch labina Erdrutsch, Lawine‟, davon *labinarium Lawinenzug‟) bzw. das davon abgeleitete Lahner, ist aber wohl als deutsche Namengebung zu betrachten. Weitere Siedlungsnamen deutscher Herkunft sind Großdorf (s.u.), Haslach (etwa Haselstaudengegend‟) und Burg.

Von den insgesamt 13 Siedlungsnamen der Gemeinde Kals sind 6 slawischer Herkunft, gegenüber je 3-4 deutscher bzw. romanischer Herkunft. Daraus kann man schließen, dass es vor dem Eintreffen der bairischen, deutsch sprechenden Siedler zu einer Symbiose des romanischen und slawischen Elements gekommen war, und zwar in der Weise, dass in das ursprünglich im Frühmittelalter rein romanische Gebiet die Alpenslawen eingewandert sind und sich dort niedergelassen haben, wo noch Platz war. Erst im Laufe des 13. Jhdts. hat sich im Kalser Tal die deutsche Sprache durchgesetzt, doch gerade in den Namen widerspiegeln sich die alten Besiedlungsverhältnisse. Die slawischen Siedlungsnamen im einzelnen:

Arnig: urkundlich 1288 Abernig, 1307 Awernichk, < slawisch (j)avorьnikъ Ahorngegend‟ (vgl. slowenisch javor Ahorn‟).

Kals: s.o.

Ködnitz: sinngleich wie das benachbarte Glor (romanischer Herkunft, s.o.) Gegend im Winkel bzw. Winkelbach‟ < slawisch *kǫtьnica zu *kǫtъ, slowenisch kot Winkel‟.

Lesach: urkundlich 1244 Lescha, 1369 Lesach, < slawisch (pri) lešach(u) bei den Waldbewohnern‟, Einwohnername zu slawisch les(u), slowenisch les Wald‟.

Peischlach: urkundlich 1329 Peuschler, 1428 Päuschlarn, Peuschlärn (mit deutscher Wortbildung gegenüber der heutigen slawischen Lokativendung) < slawisch (pri) *pyšlachъ bei denen, die in einer windigen Gegend wohnen‟, Einwohnername zur Entsprechung von slowenisch pišlje Ort, wo der Wind weht‟ (vgl. deutsche Ortsnamen wie Windschnur(n), 5x in Österreich, d.i. (bei der) Windschnurre‟).

Staniska: urkundlich 1545 zu Tanitsch, Tanitschga, 1692 Stanischga, mundartlich Nischka, < slawisch *stanišće Standort, Lagerplatz‟, alte Bezeichnung für Almhütten (zu slowenisch stan Stand(ort), Stall, Wohnsitz usw.‟).

Auch die Hof- und Flurnamen der Gemeinde Kals enthalten Sprachgut aus diesen drei Sprachen. So weist der (heutige) Hofname Figer, urkundlich 1307 Zefig (< romanisch sub vico unter dem Dorf‟), 1428 Fyger, darauf hin, dass Großdorf einst *Fig (< romanisch vicus Dorf‟) geheißen haben könnte. Die Bezeichnung Großdorf (das wäre romanisch Vicone > Vigaun in Salzburg, auch villa major ist belegt) ist relativ jung, einst dürfte es bloß Dorf geheißen haben, denn der ehemalige Gemeinbesitz von Kals-Großdorf wird Dorfer Alm, amtlich Dorfer Tal genannt. Einige andere Hofnamen romanischer Herkunft sind u.a. Golliseller (Glor-Berg, zu collicellu Hügelchen, Bichl‟), Ranggetin(er) (Glor-Berg, zu *runcatina Rodung‟), Prädotzer (Großdorf, zu petra Stein‟ + -acea), Gliber (Großdorf, zu clivus Abhang, Hügel‟). Nur drei Hofnamen sind slawischer Herkunft, z.B. Perloger (Staniska, zu slowenisch prelog brachliegendes Ackerland, Anger, Lichtung‟), die überwiegende Mehrheit ist deutscher Herkunft (über 80%, Lagenamen wie Brugger zu Brücke, mundartlich Brugge(n), Kerer zu Kehre Wendung, Wegumkehr; (auch) Weideplatz, Almleger‟, Funktionsnamen wie Kastner Verwalter des Getreidekastens‟, Vornamen wie Gratz Pankratius‟, Fritz, Jans Johannes‟ usw.). Älter als die Hofnamen sind im allgemeinen die Flurnamen, je ein Beispiel aus dem Dorfertal: Pifang (ein mundartliches Wort < mittelhochdeutsch bi-fang-, geschrieben bivanc Umfang, von Furchen eingefasstes Ackerbeet‟ > eingefriedetes Grundstück‟), die Golz (< slawisch golica kahle Stelle‟, Bezeichnung für glatte, wiesenbedeckte Fluren und Berge), Gradalfe (< romanisch croda alba weißer Felsen‟). Für den Namen Daberklamm (zum Lehnwort mundartlich Daber Klamm‟ aus dem Slawischen, vgl. slowenisch deber, daber Klamm, Schlucht‟) gilt Ähnliches wie für Lana (s.o.); nicht zu entscheiden ist die Deutung von Muntanitz(bach), möglich ist sowohl ein lautlich sehr altertümliches altslowenisches *mǫtьnica Trübenbach‟ (vgl. slowenisch Motnica > deutsch Metnitz in Kärnten) als auch ein slawisiertes romanisches montan- Berg-‟ + slaw. -ica (denkbar, doch wenig wahrscheinlich, ist auch ein rein romanisches *montanitia, -ities etwa Bergland, Gebirge‟).

Auch unter den Bergnamen (s.a. http://members.chello.at/heinz.pohl/Bergnamen.htm) finden wir alle drei Sprachschichten, deutsch benannt ist z.B. der Großglockner, mundartlich Glockner, urkundlich 16./17. Jhdt. Glogg(n)er, entweder wegen seiner Ähnlichkeit mit einem Glockenturm (romanischen Stiles) oder wegen seiner glockenähnlichen Form, die früher (zur Zeit des Höhepunktes der Vergletscherung) wohl ausgeprägter war (ähnliche Namen auch im Arlberggebiet [Glogger] und in der Granatspitzgruppe [Glockenkogel]). Ein romanischer Name ist Golemizíl Mitterberg‟ (< collis medialis o.ä.), slawischer Herkunft sind z.B. Gramúl und Gremúl (zu slowenisch krmol, krmulja Felsvorsprung, Anhöhe‟ oder grmulja  Haufen, Klumpen‟).

 

Näheres siehe in den Arbeiten Nr. 173, 183 u. 217 in:

http://members.chello.at/heinz.pohl/SchriftenVerzeichnis.htm  

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