Heinz Dieter Pohl
Kärntner
zweisprachige Ortsnamen als verbindendes Kulturgut
Vortrag
am 10.2.2005 zur Präsentation des Buches:
Kattnig Franz / Kulnik Michael / Zerzer Janko Zweisprachiges
Kärnten - Dvojezična Koroška
Das vorliegende Ortsnamenverzeichnis ist die
völlig überarbeitete und auf den neuesten Stand gebrachte Ausgabe des
ursprünglichen Verzeichnisses aus dem Jahre 1982. Der Wunsch der Autoren und des Verlages ist es,
möglichst viele Menschen in Kärnten und in den Nachbarregionen zu ermutigen,
diese Zweisprachigkeit in der schriftlichen als auch mündlichen Kommunikation
spür- und erlebbar zu machen.
VERLAG HERMAGORAS/MOHORJEVA http://www.hermagoras.at/index.html |
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Siehe auch:
http://members.chello.at/heinz.pohl/Namen-Konflikt.htm
Jede Region hat ihre
landschaftlichen und kulturhistorischen Besonderheiten. Während die
Naturschönheiten im Allgemeinen nicht im Zentrum politischer Diskussion stehen
– sofern nicht wirtschaftliche
Interessen wie extensiver Tourismus, Energiegewinnung oder Bau von Verkehrswegen
dagegen stehen – ist dies bei Kultur und Geschichte ganz anders. Zu stark
betrachtet die Gesellschaft die heutigen Verhältnisse auf Grund historischer
Zusammenhänge. Was für die Republik Österreich Eckdaten wie 1918 und 1938 oder
die Formel unseres heurigen Gedenk- oder Gedankenjahrs 1945-1955-1995 sind, ist
für unser Bundesland der 10. Oktober des Jahres 1920, als ob dieses Datum die
letzte Rettung vor dem Untergang, eine Wiedergeburt oder ein Neubeginn gewesen
wäre. Was war es wirklich: ein Plebiszit, eine Volksabstimmung über die Einheit
in gemeinsamem Zusammenleben zweier Volksgruppen bzw. Sprachgemeinschaften oder
über die Trennung nach nationalen Gesichtspunkten. Ein großer Teil – rund 40%
derer, die bei der Volkszählung 1910 Slowenisch als Umgangssprache angegeben
hatten, sprach sich für eine gemeinsame Heimat, eine skupna domovina, aus. So gesehen war der 10. Oktober 1920 sicher
ein bemerkenswertes Datum – an den historischen Fakten und am täglichen
Zusammenleben der beiden Sprachgemeinschaften hat er wenig geändert. Die
„gemeinsame Heimat“, skupna domovina wurde
vor- und nachher von der schweigenden
Mehrheit gelebt, nicht aber von den
politischen Führungskräften beider
Volksgruppen. Im Völkerfrühling des 19. Jhdts. waren die politischen Führer darauf
bedacht, „ihre“ Völker nach Sprachgrenzen zusammenzuführen, zwei- und
mehrsprachige Länder wurden so zu Problemzonen und der nationale Gedanke verlor
sehr bald seine Unschuld, denn für eine gemeinsame Heimat, eine skupna domovina war im nationalen Zeitalter kein Platz.
Doch in Wirklichkeit
hat das Jahr 1920 nichts an den sprachlichen und kulturhistorischen
Gegebenheiten geändert: in Kärnten gab es seit seiner Begründung als Herzogtum
im Jahre 976 immer schon zwei Sprachen, damals Althochdeutsch und Karantanisch,
der alpenslawische Dialekt des Altslowenischen, wie er uns auch in den
„Freisinger Denkmälern“ entgegentritt. Früher nannte man im deutschen
Sprachgebrauch die slowenische Sprache „windisch“, diese Bezeichnung ist sowohl
in den Beschreibungen der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein in Karnburg
bezeugt als auch im „Windischen Herzogtum“ des 16. Jhdts., im Zeitalter der
Reformation, dem nicht nur die deutsche Sprache einen Martin Luther zu
verdanken hat, sondern auch die slowenische Sprache einen Primož Trubar – beide
waren Wegbereiter einer „reformierten“ Sprache – beide Sprachen wurden zu
europäischen Kultursprachen. Der slowenische Bezug zur Herzogseinsetzung ist
heute noch im Ortsnamen Blasendorf,
slowenisch Blažnja ves oder vas,
dem Wohnsitz des „Herzogbauern“, der bei der Zeremonie eine bedeutenden
Rolle spielte, erkennbar, erklärt sich doch der Name als „Dorf des blag, Richters, Verwalters oder Edlings“
– Hinweis auf die Verschränkung beider Sprachen in Kärnten seit Anbeginn.
Historisch verhält es sich so: die Vorfahren der heutigen Slowenen, die Alpenslawen, waren seit dem 7./8. Jhdt. bereits im Süden und Südosten Österreichs ansässig und haben die Namen- und Sprachlandschaft nachhaltig geprägt. In Kärnten gab es schon in der Monarchie amtliche slowenische Ortsbezeichnungen. Ortstafeln wie heute gab es noch nicht, aber es gab zweisprachige Aufschriften auf Bahnhöfen und Haltestellen. Weiters gab es die alten Ortstafeln, die an einem Haus in der jeweiligen Ortschaft angebracht waren und über Gemeinde, Gerichtsbezirk, Seehöhe u.dgl. Auskunft gaben. In der Monarchie waren sie in den jeweiligen Landessprachen abgefasst; gelegentlich findet man sie noch heute, aber sie sind selten geworden.
Wenn
man Namen wie Achomitz, slowenisch Zahomec (bzw. Zahołmec, etwa mit
„Hinterbichl“ zu übersetzen) hört,
denkt man sofort an einen der zahlreichen Ortsnamen slawischer Herkunft, die
den ganzen Süden und Osten Österreichs prägen, doch bei Namen wie Žihpolje, der slowenischen Bezeichnung
für Maria Rain südlich von
Klagenfurt, wird man eher ratlos sein. Aber ein Blick in alte Urkunden lehrt
uns, dass dieser Ort früher Sichpuchl (1200)
bzw. Seichbichl (1552) hieß, was
soviel wie „feuchter Bühel, Bichl“ bedeutet, wie auch die Ortschaft Seigbichl bei Moosburg, slowenisch
ebenfalls Žihpolje oder auch
übersetzt Močile (= „feuchter
Ort“). Die slowenische Namensform ist also aus dem Deutschen entlehnt und -bichl wurde erst sekundär zu -polje „Feld“ umgedeutet; zumindest
heute empfindet man es so, wahrscheinlicher ist die Annahme, dass es sich um
den Einwohnernamen des Ortes slowenisch *Žihpol
(aus altem Sichpuchl, s.o.)
handelt, denn Žihpolje ist ein
Pluralwort und das Adjektiv dazu lautet bei den Einheimischen žihpołski (nur in der
Schriftsprache žihpoljski).
Beide Namen, Achomitz und Žihpolje, legen Zeugnis von der sprachlichen Durchmischung Kärntens
auf Ebene der Toponomastik ab. Beide Sprachen, Deutsch und Slowenisch, sind
konstitutiv in Namengebung und Dialektologie, im deutschen Sprachgut Kärntens
findet sich viel Slowenisches, im slowenischen Sprachgut viel Deutsches. Die
jahrhundertelange Koexistenz beider Sprachen bzw. Kohabitation der Sprecher im
Lande ist an ihnen nicht spurlos vorübergegangen und beide Sprachen gehören zum
historischen Erbe Kärntens. In unserem Bewusstsein nehmen aber antike
Ausgrabungen, mittelalterliche Burgen oder neuzeitliche Kunstdenkmäler als
kulturelles Erbe aus der Vergangenheit den ersten Platz ein. Dabei wird in der
Regel vergessen, dass das älteste Erbe unsere Sprache ist und in der Sprache
selbst das Namengut. Gewässernamen wie Drau
und Lavant reichen in die
vorkeltische Zeit zurück und sind Zeugen der Indogermanisierung des alpinen
Raumes; für unsere ältesten Vorfahren war die Drau der „Flusslauf“ schlechthin und die Lavant ein „weißglänzender“ Fluss. Die ersten Kärntner im engeren
Sinn des Wortes benannten Achomitz
nach seiner Lage „hinter dem Hügel“
(slowenisch Zahomec, s.o.) und Seichbichl
„Maria Rain / Žihpolje“ nach einem „feuchten Bühel“ (s.o.). Die Ortsnamen gewähren
Einblick in die Siedlungsgeschichte, einmal waren bei der Namengebung Deutsche,
ein anderes Mal Slowenen aktiv, die Namen gingen von Mund zu Mund, d.h. von
einer Sprache zu anderen, und oft wurden Objekte unabhängig voneinander
verschieden benannt wie z.B. deutsch Hart
„Sumpfwald“ ~ slowenisch Breg „Ufer,
Böschung“ oder übersetzt, z.B. deutsch Aich
= slowenisch Dob. Manchmal ist die
slowenische Übersetzung früher überliefert als die heutige Form wie z.B. 993 Podinauuiz (das wäre slowenisch Podnja ves), heute Niederdorf (bei Hörzendorf). Wir haben also in den deutschen wie in
den slowenischen Namen altes Erbgut vor uns, sie sind Teil unserer Geschichte.
Sie zu vergessen, zurückzudrängen, würde einen schweren Verlust bedeuten, beide
Namensformen, die deutsche und die slowenische, sind eng miteinander verbunden
und ihre Geschichte ist unteilbar. Wenn auch der Anteil der Slowenisch
sprechenden Kärntner von fast einem Drittel der Gesamtbevölkerung unseres
Landes im 19. Jhdt. auf heute nur mehr wenige Prozent (3-4%, regional bis 95%,
z.B. Globasnitz 50-70%, Zell 90-95%) zurückgegangen ist – die slowenischen
Namen leben dennoch weiter und sie sind es wert, künftigen Generationen
weitergegeben zu werden. Darüber hinaus sind die Namen in beiden Sprachen als erstrangiges und auch unteilbares Kulturgut
unseres Bundeslandes zu betrachten, das Zeugnis von der gegenseitigen
Durchdringung beider Sprachen ablegt. Die Kärntner wissenschaftliche Tradition
ist sich dieser Tatsache voll bewusst:
„Das kulturelle Profil einer Landschaft, ihre
Eigenart, wird durch das bodenständige Namengut, ob nun deutsch oder
slowenisch, mitbestimmt. Diese Quelle für die Siedlungsgeschichte und das
eigene Selbstverständnis zu erhalten und zu schützen sollte Aufgabe nicht nur
der Historiker, sondern auch der Geographen und Linguisten sein“ (A.
Ogris).
Trotz aller Konflikte gab es in Kärnten (und
Österreich) nie Umbenennungen im großen Stil –à la Tolomei in Südtirol – weder bei den Deutschen
noch bei den Slowenen. Wohl scheint es oft nicht nur der Klang eines Namens
gewesen zu sein, der eine Umbenennung wünschenswert erscheinen ließ,
vielleicht war es beim Keutschacher See
(statt Plaschischensee) so, beim Turnersee (statt Sablatnigsee – so der alte Name, slowenisch Zablaško oder Zablatniško
jezero) wohl nicht, hier haben sich
die „Turner“ verewigt. Zwar kann sich der Tourist unter einem Vellacher Hochtal mehr vorstellen als unter der Bezeichnung Vellacher Kotschna (slowenisch Belska
Kočna) – doch dies ist
willkürlich, hier könnte die Namenforschung eingreifen, indem sie darauf
hinweist, dass mit Kotschna / Kočna ein bestimmtes (rotbraunes)
Gestein bezeichnet wird und diese letztlich aus dem Romanischen ins Slowenische
gelangte Bezeichnung v.a. in den Karawanken und Steiner Alpen verbreitet ist.
Solche Kunstnamen sind absolut kein Kulturgut (was m.E. auch für einen Großteil
der Südtiroler amtlichen italienischen Bezeichnungen gilt).
Was
das Alter der slowenischen Namen Kärntens betrifft, ist festzuhalten, dass sie
sich auf Grund linguistischer Fakten als größtenteils sehr alt erweisen, obwohl
die meisten von ihnen erst relativ spät überliefert sind. Wenn im Deutschen
einem slowenisch Bistrica, Suha ein Feistritz, Zauchen entspricht,
bedeutet dies, dass sie ins Deutsche bereits vor der Diphthongierung (also vor
dem 13. Jhdt.) entlehnt worden sind. Andererseits verrät slowenisch Pliberk, dass es schon sehr früh aus deutsch Bleiburg (urkundlich 1228 Pliburch)
entlehnt worden ist, während Slovenji
Plajberg „Windisch Bleiberg“ jünger ist – es wurde entlehnt, als es im
Deutschen schon Bleiberg hieß. Auch
die mit ves bzw. vas gebildeten Namen erweisen sich als alt, da deren deutsche
Entsprechungen sonst nicht erklärbar wären (z.B. Žitara ves „Sittersdorf“). Immerhin sind sechs slowenische Namen
urkundlich vor dem Jahre 1000 belegt:
Bela Vellach 975 Velach
Ostrovica Hochosterwitz 860 Astaruuiza
Ribnica Reifnitz 977 Ribniza
Zvirče Wirtschach 965 Vuirzsosah
Ferner
das bereits erwähnte:
Niederdorf (Hörzendorf) 993
Podinauuiz „Podnja (bzw. Spodnja) ves“.
Zwischen
1000 und 1250 sind weitere 39 Namen belegbar; sie scheinen alle in lateinisch
oder deutsch geschriebenen Urkunden auf. E. Kranzmayer hat eine Reihe von
Anhaltspunkten für die Chronologie der Übernahme von Ortsnamen ins Deutsche
geliefert.
Morphologisch
fallen unter den Siedlungsnamen drei Typen besonders auf:
(1) slowenisch -iče: Dieser Typus (mit
der Nebenform -ov-iče) geht auf
ein gemeinslaw. *-itje zurück, das im
Alpenslawischen bzw. Frühslowenischen -ik’e
(-ovik’e) gelautet haben muss, wie man aus zahlreichen deutschen
Namensformen erschließen kann, z.B. Förk (<
*Borik’e, heute Borče), Radweg (aus *Radovik’e,
das wäre heute Radoviče). Besonders häufig war dieser Typus im
sogenannten „Kroatengau“ im Glantal und Krappfeld: im Zentrum lag der Ort des Ban (Faning
/ Baniče, von einem alten
Fürstentitel abgeleitet, latinisiert banus),
im Umkreis an die 40 dem Terrain angepasste Siedlungen;
(2) slowenisch ves (bzw. vas) /
deutsch -dorf: meistens handelt es
sich hier um Ableitungen von Personennamen, also dem Namen der Person, die mit
der Gründung des Dorfes in irgendeiner Weise verbunden ist; sie liegen in der
mittelalterlichen Großkolonisation (vor 1100) begründet und stellen einen
althochdeutschen Benennungstyp mit seiner slowenischen Entsprechung dar, z.B. Köttmannsdorf, slow. Kotmara ves oder vas, etwa „Dorf
des Chotěmirъ“;
(3) slowenisch -je
/ deutsch -(j)ach: Auch dieser Typus
bezeichnet (wie -iče) ursprünglich
Einwohnernamen, meist von topographischen Bezeichnungen wie z.B. Borovlje „Ferlach“ = „Leute am Föhrenwald“.
Solche Namen sind bis etwa 1300 gebildet worden.
In
einem größeren Zusammenhang entspricht die slawische Sprachform, die den
Ortsnamen im Osten und Süden Österreichs (Ost-T, K, St, S-Lungau, südl. NÖ/OÖ)
zugrundeliegt, dem „Alpenslawischen“ (Ramovš, Kronsteiner usw.) bzw. der
Sprache der altslowenischen „Freisinger Denkmäler“, wie dies bereits der
slowenische Dialektologe und Sprachhistoriker Ramovš festgestellt hat. Die
Varianten in der deutschen Wiedergabe der slawischen Namen wollte er
dialektologisch deuten, mir ist es aber gelungen, diese Unterschiede
chronologisch zu erklären, woraus folgt, dass es im hohen und späten Mittelalter
eine über Kärnten hinausgehende weit verbreitete Gemischtsprachigkeit gab, was
sich auch in alten Lehnwörtern widerspiegelt, man denke u.a. an die alten
bäuerlichen Speisen Munken (von
altslowenisch *monka „Mehl“,
modern moka) und Talggen (von frühslawisch *talkuna
etwa „geschroteter Hafer“), an die Strankerln
„grüne Bohnen, Fisolen“ (von
frühslowenisch *strank-,
altslowenisch *stronk- „(Bohnen-)
Schote“) oder an den Füchsling „Eierschwammerl,
Pfifferling“ (wie slowenisch lisička
zu lisica „Fuchs“, sonst sagt man
in den bairisch-österreichischen Mundarten neben Eierschwammerl eher Rehling
oder Reherl). Diese Sprache weist einige Besonderheiten auf, die
sich in den slowenischen Kerngebieten nicht finden, u.a. den Ortsnamentyp auf -iče
und das häufige Wortbildungselement -nik (eingedeutscht meist -nig)
sowie einige Wörter.
Die Pflege dieses Namenguts sollte keine
volkstumspolitische, sondern ein kulturpolitische sein, die das Ortsnamengut
slowenischer bzw. alpenslawischer Herkunft in Österreich ganz allgemein ins
öffentliche Bewusstsein bringt. Zu diesem Zweck könnte ich mir neben den
zahlreichen Naturlehrpfaden, Kulturwanderwegen und Eisen- oder Barockstraßen
auch ein vergleichbares allgemeinbildendes namenkundliches Objekt vorstellen.
Denn es gibt in Österreich eine ganze Reihe von Naturlehrpfaden,
Kulturwanderwegen und touristisch
benannten Autostraßen, z.B. Karnische
Dolomiten-Straße (entlang der Gail, Kärnten / Tirol), Salzburger Dolomiten-Straße (von Abtenau nach Bischofshofen,
Salzburg) – mit einer großzügigen Auslegung des Begriffes Dolomiten (vgl. auch Lienzer
Dolomiten) –, Steirische Schlösser-Straße (2Î Steiermark), Großglockner Hochalpen-Straße (Kärnten / Salzburg) mit den Flügeln Gletscherstraße (Kärnten) und Edelweißstraße (Salzburg) sowie die Niederösterreichische Barock-Straße. In
Bayern fand ich sogar eine Bayerische
Ostmarkstraße – unwillkürlich fiel mir die Ostarrichi-Gedenkstätte in Neuhofen an der Ybbs (Niederösterreich)
ein – warum keine Ostarrichi-Straße
durchs liebliche Mostviertel? Wo der Name unseres Staates zum ersten Mal
dokumentiert wurde. An diesem Ort beging man 1996 das „Millennium“, das
eigentlich ein Namenstag war, aus welchem Anlass auch einige onomastische und
viele historische Arbeiten entstanden sind. Zu den genannten Straßen gesellen
sich in der Steiermark zwei Weinstraßen, die Sausaler Weinstraße und
die Schilcher-Weinstraße sowie anderswo einige lokale Straßen wie die Villacher (Kärnten) und Gasteiner Alpenstraße (Salzburg).
Zurück zu den Naturlehrpfaden und
Kulturwanderwegen. Ich könnte mir also vorstellen, dass man auf solchen Wegen
zusätzlich zu den biologischen und historischen auch namenkundliche
Informationen bietet. Das Interesse an solchen Dingen ist nämlich bei der
Bevölkerung weit größer als man denkt, wie dies Anfragen immer wieder beweisen.
[Ich bekomme viele Anfragen zu Namen, auch Familiennamen, habe es
aber nie erlebt, dass sich jemand ob der slawischen / slowenischen Herkunft
seines Namens entrüstet hätte. Manche entrüsten sich unwissend vielmehr wegen
ihrer Meinung nach nicht notwendiger zweisprachiger Ortstafeln und nicht
deswegen, dass der entsprechende Name ein slowenisches Etymon oder eine
slowenische Bezeichnung hat!] Um
ein Beispiel zu bringen: der Plöschenberg
bei Klagenfurt, wo sich ein schöner und anschaulich gestalteter Naturlehrpfad
befindet. Dieser Pfad ist von Norden her auf einem Wanderweg von
Viktring-Opferholz zu Fuß oder von Köttmannsdorf im Süden mit einem Fahrzeug
erreichbar; namenkundlich findet sich hier alles, was Kärnten auch sonst zu
bieten hat, der Name Plöschenberg
selbst beruht auf slowenisch pleš
oder pleša ‘kahle (baumlose) Stelle’,
was auch auf Rodung hinweisen kann. In den Süden blickt man ins Rosental und in die Karawanken – beides vorslawische bzw. vordeutsche Namen, der Name Wurdach (slowenisch Vrdi) konnte bisher nicht geklärt werden. Das Gebiet selbst gehört
zum Höhenzug der Sattnitz, in welchem
Namen das alte slawische Wort für „Gebirgsweg, Pfad“, *sont-, enthalten ist (verwandt mit romanisch sentiero). Im Norden liegt das Keutschacher
Seental. Der Name der Gemeinde Köttmannsdorf ist ein deutsch-slowenischer Mischname, Keutschach selbst ist wie Mostitz, Dobein und Dobeinitz slowenischen
Ursprungs, Höflein, Seebach und Opferholz sind wiederum deutsch; alle Objekte haben zwei Namen, je
einen in der deutschen und slowenischen Sprache, so heißt das ganze Gebiet auf
slowenisch Plešivec – ein mehrmals
vorkommender Bergname, den man auch ‘Kahlenberg’ übersetzen könnte. So zeigt
sich zwanglos das Ineinanderfließen zweier Sprachgemeinschaften. Die
entsprechenden Informationen könnten zusätzlich auf einigen der Info-Tafeln
gegeben werden, v.a. auf den Übersichten und Aussichtspunkten. Die
naturkundlichen Erläuterungen sollten dem Charakter des Lehrpfades entsprechend
freilich im Mittelpunkt bleiben. Auch bei Weitwanderwegen wäre dies möglich,
etwa an grenzüberschreitenden Wegen in den Karawanken, worin die gemeinsame
Namengebung dokumentiert würde. Hier gäbe es ein gutes Beispiel, der Name Nemški vrh bei der Bielschitza / Belščica
hat auch die übersetzende Bezeichnung Deutscher
Berg im Gebiet der Vertatscha / Vertača evoziert – in Wirklichkeit handelt es sich um einen
„Mönchsberg“, umgedeutet aus slowenisch-mundartlich menški vrh, weil die
Klöster Viktring und Stična / Sittich dort Besitzungen hatten – also keine
mutwillige Germanisierung, wie man glauben könnte, die sich aber nie recht
durchgesetzt hat. Ähnlich ist es auch beim Dobratsch
/ Dobrač, denn der von der
Touristik bevorzugte zweite Name Villacher
Alpe hat auch einen slowenischen
Namen – Beljaščica (von Beljak / Villach), nach den alten Weiderechten der Villacher Bauern. Um
nicht missverstanden zu werden, Namen wie Frauenkogel
für Baba und Geißberg für Kozjak
bleiben Kunstnamen, wie auch Mokrine
für Nassfeld oder Golica für Koralpe. Eine größere Sorgfalt im Umgang mit dem Namengut könnte
dann mithelfen, Orts-, Berg-, Flur- und
Gewässernamen als prägenden Teil einer Kulturlandschaft zu begreifen
und als solche wahrzunehmen. Amtlich festgelegt sind nur die Siedlungsnamen
und bis zu einem gewissen Grad auch die Gewässernamen.
Das Slowenische war also – wie das Deutsche –
immer schon in Teilen Kärntens heimisch, es ist daher gerechtfertigt, das
zweisprachige Namengut öffentlich sichtbar zu machen, wie eben in zweisprachigen
topographischen Aufschriften und wie dies u.a. im berühmten Artikel 7 des
Staatsvertrages von 1955 festgelegt ist – nach dem Erkenntnis des
Verfassungsgerichthofes vom 13.12.2001 nicht im ausreichenden Ausmaß. Ich komme
zum Schluss: Die Vorgeschichte dieses VfGH-Urteils ist bekannt und es stehen
derzeit nicht einmal die rund 90 nach dem Volksgruppengesetz 1976 vorgesehenen
Ortstafeln zur Gänze, sondern derzeit nur rund 2/3 davon. Egal, wie man
persönlich dem Problem gegenübersteht, das Urteil des VfGH hat gezeigt, dass
Handlungsbedarf besteht und eine rechtskonforme Lösung herbeigeführt werden
muss, zumal das zweisprachige Namengut Kärntens wertvolles kulturelles Erbe aus Jahrhunderte
langem gemeinsamen Zusammenleben repräsentiert, das beide Sprachgemeinschaften
verbindet, also altes Kulturgut (das man wohl nicht nur
auf die Straßenverkehrsordnung reduzieren sollte!). Hier geht es nicht um
territoriale Ansprüche, wie dies immer wieder herbeigeredet wird – ein sehr
beliebtes Argument – denn mit den heutigen sprachlichen und nationalen
Verhältnissen haben Namensformen und Herkunft der Ortsnamen überhaupt nichts zu
tun. Dass ein Ort je eine Namensform in zwei verschiedenen Sprachen hat, besagt
nur, dass das entsprechende Objekt auch in der anderen Sprachgemeinschaft so
bekannt ist, dass man es auch in der eigenen Sprache besonders benennt. Dies
ist eine Tatsache, die in Grenz- und Mischgebieten selbstverständlich ist und
die die gemeinsame Heimat, die skupna
domovina eben, sprachlich abbildet.
Ein weiteres Sachbuch zum Thema:
Pohl
Heinz Dieter
Koroška ... slovenska in nemška imena
VERLAG
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