Aus 10 Jahren Kärntner Solidarität mit Nicaragua
Bernd Liepold-Mosser, Helmut R. Stockhammer, Gerhard Hammerschmied


Inhaltsverzeichnis

An der Stelle des Vorwortes
Nicaragua, mein geliebtes (Janko Messner)
Das Land der Seen und Vulkane (Werner Hörtner)
Das gelobte Land? (Janko Messner)
Ein Gespräch - 10 Jahre Solidarität (Gerhard Hammerschmied, Helmut Stockhammer, Ilse Stockhammer-Wagner)
Als Brigadistin in Nicaragua (Angelika Pichler)
Eine gynäkologische Ambulanz (Sonja Kofler)
Kommunismus und Solidarität (Regina Taupe)
Die Kreuze (Janko Messner)
Trotzalledem (Peter Kaiser)
Interkulturelle Erfahrungen (Georg Gombos)
Kulturschocks eines Euroskeptikers (Dietmar Larcher)
Eine Passage zwischen Managua und Klagenfurt ... (Christof Subik)
Partnerschaft zwischen der UCA Managua und Universität Klagenfurt im Februar 1994 (Ivan Rodriguez)
Lichtschrift (Barbara Putz-Plecko, Peter Putz)
Steckbrief; Sozialdaten; Geschichtliche Eckdaten
Kärnten-Nicaragua: Versuch einer Chronologie (Helmut Stockhammer)
Laufende und in Begutachtung befindliche Projekte
Die Gabe des Wortes (Michele Najlis, Übersetzung: Martin Schöffmann)


An der Stelle des Vorwortes:
Ein Gespräch von nicaraguanischen Bäuerinnen und Fischern über das Leben Jesu in Lateinamerika

Der alte Tomas Peña sagt: Der Engel beglückwünschte Maria zur bevorstehenden Geburt des Messias, und gleichzeitig beglückwünscht er damit uns alle, weil der Heiland nicht unter den Reichen zur Welt kommt, sondern unter den armen Leuten wie unsereins.
Felix: Der Befreier musste aus dem Volk geboren werden.
Don Julio: Weil er die Unterdrückten befreien wollte, darum musste er einer von ihnen sein. Wenn er gekommen wäre, um die Reichen zu befreien, wäre er unter den Reichen geboren ....
Pablo: Die Reichen brauchen nicht befreit zu werden, sondern die Armen. Es sollen ja wohl nicht die Ausbeuter befreit werden!
Oscar: Doch, sie sollen von ihrer Ausbeutung befreit werden.
Olivia: Beide sollen befreit werden, Arme und Reiche. Wir Armen sollen von den Reichen befreit werden, und die Reichen von sich selbst, das heißt, von ihrem Reichtum. Sie sind nämlich viel mehr Sklaven als wir.

Sie erschrak über seine Rede und dachte bei sich selbst: welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden.

Tomas Peña sagt: Sie wird wohl erschrocken gewesen sein. Sie war ja nur ein armes Mädchen, ganz bescheiden. Sie erschrak, als sie hörte, dass sie so wichtig sein sollte.
Der junge Alejandro: Aber davor braucht man keine Angst zu haben. Wir können vielleicht auch Angst davor haben, wichtig zu sein. Aber wir haben auch wichtige Aufgaben, Führer zu sein vielleicht ... einige von uns ... andere befreien, eine Aufgabe innerhalb der Gemeinschaft übernehmen oder sogar außerhalb von Solentiname, in San Miguelito oder San Carlos, wer weiß.

Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, den du Jesus nennen sollst.

Ich sage: Der Name „Jesus“ wurde früher für gewöhnlich mit „Retter“ oder „Rettung“ übersetzt, heute sagt man besser „Befreier“ oder „Befreiung“.
Der hebräische Name ist Jeshua, das heißt „Jahwe befreit“ oder „Jahwe ist Befreiung“.
Jemand sagt: Dieser Engel war ziemlich subversiv, als er das verkündigte. Genauso als ob hier in Nicaragua Somozas jemand einen Befreier ankündigte ...Ein anderer fügte hinzu: Und Maria wird sofort auch subversiv, indem sie diese Botschaft anhört. Ich glaube, sie fühlte sich da schon so ähnlich, als ob sie in den Untergrund ginge. Die Geburt eines Befreiers musste geheimgehalten werden. Oder es wussten vielleicht nur ihre besten Freunde davon und ein paar Arme aus der Umgebung, alles Leute aus dem Volk. Sie waren damals ja auch unterdrückt. Schon dieser Name „Jesus“ war ein gefährlicher Name ...
Ein anderer: Und das ist er auch immer noch. Auch wenn wir hier von diesem Befreier oder dieser Befreiung sprechen, sind wir subversiv.

Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben. Er wird für immer ein König sein über das Volk Israel, und sein Reich wird kein Ende nehmen.

William sagt: In der Bibel hat sich dieser höchste Gott immer als der Befreier des Volkes gezeigt. Zuerst damals, als Mose dem Pharao eins auswischte. Und danach bekämpfte er durch die Propheten immer wieder alle Arten von Unterdrückung. Sein Sohn Jesus, dieser Jahwe-Befreit, wird sein wie er. Und er wird König sein.
Oscar: Der Engel kündigt mit ihm eine neue Regierung an. Das ist das Reich der Armen und Demütigen. Seit Christus auf die Erde kam, wird an diesem Reich gebaut. Es ist aber noch nicht vollständig.
Don Julio: Ich würde sagen, es hat noch kaum angefangen.

Da fragte Maria den Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß?

Marcelino: Das ist so, als wenn wir hier in Solentiname uns fragten: Wie kann aus uns irgendein Befreier hervorgehen, wenn wir doch ganz unwissend sind, wenn keiner von uns zur Universität gegangen ist und manche nicht einmal lesen können, wenn wir so wenige sind und über gar keine Mittel verfügen?

Der Engel antwortet: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.

Ich sage: Wir wissen bereits, dass der Heilige Geist der Geist Gottes ist, so als ob wir sagten „die Art und Weise Gottes“ oder der „Charakter“ Gottes, also mit anderen Worten: die Liebe. Die Kirche nannte diesen Heiligen Geist oft den „Vater der Armen“.
Der junge Julio: Wenn es der Geist der Liebe ist, dann ist es also auch der Geist der Gerechtigkeit. Der Geist der sozialen Gerechtigkeit, der Geist der Veränderung, der Geist der Revolution. Aus diesem Geist wird Jesus geboren.
Und Natalia, die als Hebamme fast allen diesen jungen Leuten auf die Welt geholfen hat: Jesus ist der Sohn Marias und der Liebe.
Und Olivia, die Mutter Glorias und Alejandros: So hat sich Maria also mit der Liebe verheiratet oder mit dem Geist der Liebe.
Ich: Wie jeder von uns dazu berufen ist, sich mit dieser Liebe zu verheiraten.

Maria sprach: Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.
Tomas: Das beweist, dass sie sehr demütig ist. Sie fühlt sich arm und gering, anstatt auf das, was ihr gesagt wurde, stolz zu sein.
Natalia: Sie war eine Frau aus dem Volk, wie wir Frauen hier.
Alejandro: Ich meine, hier müssen wir vor allem ihren Gehorsam bewundern. Genauso sollen auch wir bereit sein, zu gehorchen. Denn diese Art Gehorsam ist revolutionär. Dieser Gehorsam gegenüber der Liebe ist wirklich revolutionär, weil er uns befiehlt, allem anderen gegenüber ungehorsam zu sein.

aus: Ernesto Cardenal: Das Evangelium der Bauern von Solentiname; Hammer Verlag, Wuppertal 1980, S. 21 f.


Nicaragua mein geliebtes
Gedicht von Janko Messner

land der grünen und blauen sterne
die klarer funkeln am nächtlichen himmel
als sonstwo in der weiten welt
land der gleißenden tropensonne
mit der erfrischenden brise
vom pazifik
Nicaragua mein gelobtes
land der süßen mangonen
auf langen stengelfäden
geduldig reifend
land der unbekümmert schwatzenden schwärme
von grünen papageien
auf den noblen platanen des südens
und den roten flammenbäumen
Nicaragua mein geschätztes


kein einziger deiner hunde bellt mich an
keiner versucht mich zu beißen
die maus auf dem regal
zum greifen nahe vor meinen augen
knabbert am reis
meiner täglichen opfergabe
ohne mich eines blickes zu würdigen
und die cucarachas1 vor dem waschbrett
in der engen dunklen diele
die ich barfuß so gefürchtet
in den ersten tagen
trippeln respektvoll in ihre ecken
und warten nachsichtig in ihren verstecken
bis ich mich gewaschen habe


Nicaragua mein neues
buch der erfahrungen
ich habe umzulernen
aus armut wächst dein edelmut
aus erniedrigung dein schöner stolz
aus überwindung der angst deine stärke
aus dem sieg über den schrecken deine zuversicht
und deine liebe für patria libre
unermeßlich
wie die tiefen des pazifiks


Nicaragua du hast nichts zu lachen
und hast doch
das schönste lächeln der welt
wie du mich damit wärmst


1) Cucaracha - große braune Schabe, die armen Indianern zur Nahrung dient:
sie wird gekocht, sodann aus ihrem Hinterteil wertvolles Eiweiß gewonnen.


Das Land der Seen und Vulkane
Ein Porträt Nicaraguas von Werner Hörtner aus: Schwerpunktland Nicaragua, Wien BKA 1994

Eine wechsel- und leidvolle Geschichte prägte das Land im Herzen Zentralamerikas in diesem Jahrhundert - und immer aufs engste verknüpft mit der Hausordnung, die der ungeliebte große Bruder im Norden für seinen „Hinterhof“ bestimmt hatte. Nach Jahren der Besetzung und Unterdrückung besiegen die NicaraguanerInnen unter Führung von Augusto César Sandino die nordamerikanischen Truppen und zwingen sie zum Abzug.
Sandino wird im Auftrag eines jungen Offiziers ermordet, den die USA vor ihrem Abzug als Chef einer neugegründeten Nationalgarde eingesetzt hatten: Anastasio Somoza.
Doch Sandino lebt weiter. Nach 45 Jahren der Somoza-Diktatur stürzt die 1961 gegründete Sandinistische Befreiungsfront (FSLN, Frente Sandinista de Liberacion Nacional) Anastasio Somoza II. Am 19. Juli 1979 herrscht Jubel im ganzen Land: Der verhasste Diktator ist geflüchtet, die Bevölkerung feiert den Beginn einer neuen, verheißungsvollen Ära.

Wie würde die jüngere Geschichte Nicaraguas aussehen, wenn Ronald Reagan an jenem Novembertag des Jahres 1980 nicht die Wahlen in den USA gewonnen hätte? An diesem Tag wurde im hohen Norden Nicaraguas Geschichte geschrieben. Die Folgen sind bekannt: Aufbau antisandinistischer Einheiten, der Contras, Wirtschaftsembargo, Verminung nicaraguanischer Häfen. Doch Sandinos Enkel leisten Widerstand. Zu einem verheerenden Preis: Nachdem schon im Befreiungskrieg gegen Somoza etwa 50.000 Menschen ums Leben gekommen waren, forderte der fast ein Jahrzehnt andauernde Krieg gegen die Contras noch einmal so viele Opfer. Zurück blieb ein zerstörtes, ausgeblutetes Land.
Unter den Bedingungen einer Kriegswirtschaft mussten die Sandinisten ihren Anspruch, eine sozial gerechte egalitäre Gesellschaft aufzubauen, immer mehr an die brutale Wirklichkeit anpassen. Die mit so vielen Hoffnungen angetretene „humanste Revolution der Geschichte“ (Ernesto Cardenal) sah sich auf einen erschöpfenden Überlebenskampf reduziert. Bei den Wahlen vom Februar 1990 passte sich auch die Bevölkerung dieser Realität an und wählte die Sandinisten ab.

Die neue Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro - Kandidatin der „Nationalen Oppositionsallianz“ (UNO), eines Bündnisses von 14 antisandinistischen Parteien - konnte nach ihrem Wahlsieg den Krieg mit den Contras beenden. Dennoch liegen die Schatten des Konflikts immer noch über dem Land.
Die neoliberalen Wirtschaftsprogramme der neuen Regierung haben wohl die Inflation drastisch reduziert und die Währung stabilisiert, für die Bevölkerung aber keine Verbesserung gebracht und auch die Wirtschaft nicht reaktiviert. Im Gegenteil - trotz relativen Friedens (in Kriegszeiten wurde der Staatshaushalt zu 60% vom Militärbudget aufgefressen) und trotz massivem Abbaus der Sozialausgaben sind keine Mittel für produktive Wirtschaftsinvestitionen vorhanden. Die völlige Liberalisierung der Gütereinfuhr überschwemmt das Land mit Billigware aus den Nachbarländern.
Die Arbeitslosigkeit hat unvorstellbare Höhen erreicht. Der Großteil der Bevölkerung sucht sich im informellen Sektor ein Überleben zu sichern als Straßenverkäufer, Tauschhändlerinnen, Schuhputzer, Prostituierte oder Hausmädchen ...
Und trotz umfassender Auslandshilfe ist ein Wirtschaftsaufschwung in der nächsten Zeit nicht in Sicht.

Die Führung der FSLN hatte ihre Abwahl als demokratische Willensentscheidung akzeptiert und sich nach elf Jahren der Machtausübung in die Opposition begeben. Es war und ist ihr erklärtes Ziel, gemeinsam mit der Chamorro-Regierung die Polarisierung der nicaraguanischen Gesellschaft zu überwinden und so die Basis für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau zu schaffen. Doch die politische Realität im postsandinistischen Nicaragua zeigt ein anderes Bild.
Schon bald nach dem Wahlsieg des UNO-Bündnisses kam es zu Zerwürfnissen zwischen einem gemäßigten Sektor um die Präsidentin Chamorro auf der einen und einem rechten, radikal antisandinistischen Flügel auf der anderen Seite.
Diese Auseinandersetzungen gingen so weit, dass Ende 1992 ein Großteil der UNO-Abgeordneten der Präsidentin die Gefolgschaft aufkündigte und aus dem Parlament auszog. Daraufhin konnte sich die bürgerliche Regierung nur mit Zustimmung der sandinistischen Parlamentsfraktion an der Macht halten. Diese Zusammenarbeit der FSLN-Führung mit der Chamorro-Regierung führt an der sandinistischen Basis zu wachsender Unruhe, da diese eine radikalere Oppositionspolitik und eine prinzipientreuere Verteidigung der sozialen und ökonomischen Interessen der Bevölkerung fordert. Im Zusammenhang mit der Ausarbeitung eines Verfassungszusatzes erfolgte Anfang Januar 1994 eine De-facto-Spaltung der UNO: Mehr als die Hälfte ihrer bisher das Parlament boykottierenden Abgeordneten kehrte wieder in die Nationalversammlung zurück. Sie wollen sich wieder am parlamentarischen Leben beteiligen.
Von außen betrachtet, vermittelt Nicaragua heute wieder den Eindruck eines Anormalen@ Dritte-Welt-Landes mit einer kleinen wohlhabenden Elite und einer notleidenden Bevölkerungsmehrheit. Dennoch ist das sandinistische Jahrzehnt nicht spurlos an den Menschen vorübergegangen. Die Landarbeiter und Bäuerinnen, die Angestellten und die Hausfrauen sind sich ihrer Rechte und Ansprüche bewusst. Ein stabiler Frieden und ein Wirtschaftsaufschwung ist nur möglich, wenn Regierung und Unternehmerschaft diese Rechte akzeptieren. Anderenfalls stehen die Zeichen auf Sturm. Neue soziale Unruhen und das Erstehen von Aufstandsbewegungen rücken als gefährliche Perspektive in den Bereich der Möglichkeit.
Sandinos rebellischer Geist lebt weiter.


Das gelobte Land?
Janko Messner über sein Verhältnis zu Nicaragua.

Frage: Warum „Nicaragua mein geliebtes“? Was zwingt Dich, dieses Land zu lieben?

Janko Messner: Mein Selbsterhaltungstrieb, so seltsam das auch klingen mag. Jeder Mensch besteht aus Wasser mit Spurenelementen und der unbegreiflichen Seele. Einige Menschen haben eine dürstende. Meine dürstet unentwegt nach dem Licht der Freiheit aller arbeitenden Menschen, nach einem Zuhause ohne politische Gängelung, Täuschung und bewussten Missbrauch von idealen Leitsprüchen durch politische Parteien; nach einer Solidarität aller unegoistischen Politiker aller demokratischen Parteien, nach einem Marxismus der Tätigkeiten, der Worte, die Fleisch geworden und dabei nicht verfault sind.
Aufgrund der ins Deutsche übersetzten Literatur von Ernesto Cardenal erahnte ich ein Land und eine politische Konstellation, die meiner dürstenden Seele entsprachen: die FSLN, die Revolution der LIEBE, ohne Machtrausch der Sieger, ohne Rachsucht und Tötung der Besiegten; Sieg des Marxismus (Alphabetisierung, Agrarreform usf.), veredelt mit der Bergpredigt, mit Solentiname. Es trieb uns - meine Frau Marta und mich - zu diesem reinen Quell, zu dem bereits zahlreiche Solidaritäts-Arbeitsbrigaden aus West und Ost geeilt waren, zum Propheten des hungernden Südens Ernesto Cardenal. So wurde Nicaragua zu unserem Mekka.

Frage: Was fasziniert Dich an der Person Ernesto Cardenal?

M: Seine Einfachheit, persönliche Anspruchslosigkeit, seine sorgfältig, langsam, bedacht vorgetragenen Gedanken, druckreif formuliert. Sein Fahrrad, mit dem er als Kulturminister ohne Bodyguard in sein Restaurant fährt (fuhr), sein Glaube an Fidel Castros sozialistische Vision (sein „Kubanisches Tagebuch@“.

Frage: Können die SandinistInnen ein Vorbild für uns in Europa sein?

M: Selbstverständlich. Für die gesamte Welt. Aber das ist Utopie. Leider. Ein Kleinstland wie Österreich, mit 3000 Milliarden Schilling auf Sparkonten und mit ein paar Hundertstel des Brutto-Nationaleinkommens für die Entwicklungsländer? Das ist im Weltmaßstab bereits eine todgeweihte Gesellschaft. Ohne Ideen, ohne Ideale, ohne Idealisten, ohne élan vital, ohne Liebe zum Menschen, Mitmenschen, ohne echten Opferwillen, verlogen und moralisch versaut (=verdorben), korrupt bis ins Knochenmark, Olympiagröße in indolenter Selbstherrlichkeit und fressherrlicher Cholesterinproduktion ... Welch ein Jammer!

Frage: Zwei Bücher zu Nicaragua gehen auf Dein Konto: „Nicaragua mein geliebtes“, Gedichte von Janko Messner, illustriert von Hans Staudacher, und die Anthologie nicaraguanischer Lyrik: „Unter dem Flammenbaum“. Wie ist es dazu gekommen?

M: Die eigentliche Anregung und Motivation erhielt ich aus Cardenals Philosophie „Revolution der Liebe“!
Welche Revolution in der Menschheitsgeschichte könnte schon mit Nicaraguas FSLN verglichen werden?
Welche Revolutionssieger waren bisher fähig, Worte wie jene des Innenministers Tomas Borge, des Mitbegründers der Befreiungsfront gegen Somoza, zu sprechen: „Diese Revolution hat das Volk viel Blut gekostet. Aber wir haben sie nicht gemacht, um noch mehr Blut zu vergießen. Es soll eine Revolution der Liebe werden. Unser Motto im Kampf: unerbittlich! Im Sieg aber großzügig!“ Und er ließ den Henker seiner eigenen Frau, der diese vor dem Tod noch vergewaltigt hatte, nicht töten! Und er bot seinen früheren Folterern im Staatsgefängnis von Tipitapa, wo er fünf Jahre gesessen hatte, Zigaretten an mit den Worten: „Meine einzige Rache ist, dass ich euch vergebe. Versucht Mitglieder dieser Gesellschaft der Gerechtigkeit zu werden. Dazu gibt die Revolution Euch die Chance.“

Frage: Du hast eine Kunstauktion für Nicaragua durchgeführt, mit unglaublichem Erlös: eine Viertel Million Schilling.

M: Ich beschäftige mich zeitlebens mit der bildenden Kunst in Kärnten und Slowenien, habe zahlreiche Freunde unter den Malern, Bildhauern und Graphikern. Eine Aussendung ihres Verbandes in Slowenien genügte, dass viele von ihnen ihre Werke in die Koemskega ulica in Ljubljana brachten. Die Kärntner Presse brachte Vorbesprechungen der Auktion, meine Kärntner Kunstfreunde erschienen vollzählig im Mladinski dom in der Miksch-Allee, es wurden innerhalb von zwei Stunden 240.000 öS. Es wurde einer der herrlichsten Abende meines Lebens. Aber dahinter steckten drei Monate Solidaritätsarbeit von Marta und mir.
Insgesamt, also nicht nur von dieser Auktion, gingen in Cardenals Hände etwas weniger als eine halbe Million Schilling: für die Herausgabe indianischer Volkspoesie, für den Ankauf von Malmaterial, für Cardenals Bauernmalereiwerkstatt, für den Kauf von Schreibmaschinen etc. für die Poeten des Landes.

Frage: Wie beurteilst Du die derzeitige politische Situation in Nicaragua?i

M: Wie ich den Nicaragua-Nachrichten von Werner Hörtner entnehme, sind heute nicht nur die Sandinisten in einer schwierigen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Lage, sondern die gesamte Regierung Violeta Chamorros. Wie mein Freund Pater Sigmund Kripp erzählt, gibt es wieder Straßenkinder in Managua, die Analphabeten werden wieder mehr, die Sozialleistungen abgeschafft, Somozas Anhänger fassen wieder Fuß in der Wirtschaft: siehe die vom „Kommunismus“ befreiten Ostblockländer!
Der Sozialismus war und ist immer noch „Würde und Brot“, das, was dem Kapitalisten macht Sorgen und Not. Die ganz Armen, die mittellosen Massen halten den Sandinisten immer noch die Treue. Es sind 40 Prozent der Wähler. Und das ist immer noch Hoffnung.
Immer noch ist Nicaragua meine geistige und seelische Heimat. No pasarán!

Es: „Man lässt sich’s einfallen, man schlägt’s vor und man führt’s selber durch.“


Ein Gespräch mit Gerhard Hammerschmied, Helmut Stockhammer und Ilse Stockhammer-Wagner über 10 Jahre Solidarität

Frage: Was repräsentiert man als Obmann eines Vereines mit Namen „Kärntner Solidarität mit Nicaragua“?
Hammerschmied: Gründungsvater sprich!
Stockhammer: Was heißt repräsentieren?
H: Da muss man drei Phasen unterscheiden...
S: ...was heißt drei, zwanzig! Bei jeder Aktion: Man lässt sich’s einfallen, man schlägt’s vor und man führt’s selber durch.
H: Vereinssgeschichtlich muss man drei Phasen unterschieden: ein wirklicher Aufbruch war der Anfang, dann hat man sich über Jahre so alle zwei Wochen getroffen, da sind auch so Leute von der SJ, der KAJ etc. regelmäßig gekommen. Da wurden Presseaussendungen vorbereitet, BrigadistInnen beworben, viele Veranstaltungen wurden organisiert, Nicaraguanische Kunst, Theater, Wandmalerei mit Fest, Podiumsdiskussionen etc. Die Zäsur war dann das Wahljahr in Nicaragua...
S: ...ein schwerer Schlag. Solidaritätsarbeit ist oft eine bestimmte Phasen im Leben von Menschen, die danach in ähnlichen Bereichen, vielleicht sogar sinnvoller, weiterarbeiten. Aber die Infrastruktur ist ja stark genug, auch die Informationssituation ist mit den „Nicaragua Nachrichten“ gut.
Frage: Warum Solidarität ausgerechnet mit Nicaragua?
S: Womit sonst. Die politische Einschätzung war, dass man in Nicaragua mit geringen Mitteln am meisten erreicht. Das war eine der schärfsten Auseinandersetzungen von arm und reich. Im 84er Jahr war das Ganze unserer Meinung nach an der Kippe: die Häfen waren vermint, die Contras wurden vermehrt unterstützt, und die Sandinisten haben uns gesagt, dass es wichtig wäre, wenn Brigaden nach Nicaragua kommen würden. Da war nicht nur die Arbeitsleistung wichtig, sondern die symbolische Handlung und die Verbundenheit mit Nicaragua. Da ist es gegen den amerikanischen Imperialismus gegangen, der ein kleines Land in die Knie zwingen wollte.
Frage: Da schwingt ein starker Anti-Amerikanismus mit?
S: Nein, ein starker Anti-Imperialismus.
H: Es waren viele US-amerikanische Entwicklungshelfer drüben...
S: ...du hast einfach das Gefühl gehabt, du ziehst mit allen Kräften des Lichtes an einem Strang. Alles war da, Amis, und andere. Quer durch die politischen Lager, Kummerln, Grüne, Rote, Schwarze.
Frage: Welche Erfahrungen brachte die Brigade?
S: Wir, Ilse und ich, waren im Februar 84, alles schön durchkomponiert. Zusammenarbeit mit Nicas, Dschungel, viel Diskussion, begleitende Videodokumentation.
Ilse Stockhammer-Wagner: Unsere Brigade hat „Februar 1934W geheißen.
S: Der sitzt nicht nur uns in den Knochen, sondern da ist auch Sandino erschossen worden, also auch dort der Faschismus im Vormarsch. Die erste Brigade im Jänner war nach „Jura Soyfer“ benannt.
S-W: Wir waren richtig im Busch, um ein Dorf zu bauen. Wir haben ein riesiges achteckiges Gemeinschaftshaus und eine Bootshütte gebaut, unter der Anleitung eines 70-jŠhrigen Maurers, der auch mit war.
S: Wir waren 50 Leute, alle mšöglichen Berufe.
Frage: Wirkt in so einer Brigade ein politischer Pathos, der aus der Distanz nicht mehr so gehalten werden kann?
S: Für mich ist dieser Pathos immer noch aktuell. Der alte Pena hat recht: Der Name „Jesus“ heißt „Gott ist Befreiung“.
S-W: So eine Brigade ist ja insgesamt eine sehr pathetische Angelegenheit...
S: ...da waren wir die, die noch am meisten Schmäh g’führt haben über die Sache. Pathos mit Schmäh.
Frage: Was bedeutet die Wahl 1990 für die Solidaritätsarbeit?
S: Für meine Solidarität bedeutet sie nicht viel. Es war traurig, es war abzusehen, dass die soziale Lage sich verschlechtert, deshalb habe ich auch weitergemacht. Für jene mit vollem heldischen Bewusstsein war das sicher ein Knick. Für mich hingegen war ein positiver Effekt, dass der Krieg mit diesem Wahlausgang ein Ende finden würde, das erklärt ja auch den Wahlausgang. Die Sandinisten hätten es nie geschafft, sich die Amis militärisch vom Hals zu schaffen.
H: Ich war ein Jahr vor der Wahl in Nicaragua und hatte den Eindruck, dass viele Nicaraguaner sich von den Sandinisten im Stich gelassen gefühlt haben. Die sind ja z.T. aus reichen Familien gekommen, und es hat durchaus einige Korruptionsaffären gegeben. Die Begeisterung hat nicht den Blick dafür getrübt, dass auch die Sandinisten allzumenschlich waren. Die Nicas haben sich ja von einigen Sandinisten verraten gefühlt, obwohl auch sie nicht scheinheiliger waren als hier irgendein Sozialdemokrat oder Christ.
S: Ich tue dennoch weiter, weil ich den Eindruck habe, dass es den Leuten dreckig geht, beim Essen, im Bildungswesen, im Gesundheitswesen. Bei den Sandinisten haben wenigstens alle zu Essen gehabt. Jetzt betteln Kinder zu Hunderten an den Straßenkreuzungen, die Prostitution nimmt zu, es ist zum „Speiben“. Man neigt ja dazu, wegzutauchen und sich in irgendwelchen akademischen Diskursen zu verfangen, aber dann bin ich wieder froh, wenn ich sehe, wo hinten und vorne und oben und unten ist.
Frage: Ihr beide repräsentiert ja biographisch die beiden Wurzeln der Solidarität: Christentum und Marxismus. Wie verträgt sich das?
S: Am Anfang steht auch bei mir der katholische Hintergrund: von der katholischen Hochschulgemeinde über den CV und den Linkskatholizismus zum Maoismus und den Grünen. Da geht es überall um so etwas wie eine Christusnachfolge.
H: Für mich hat das entwicklungspolitische Engagement einfach zu meiner Arbeit als Pastoralassistent dazugehört, so richtig geändert hat sich das erst, nachdem ich selbst in Nicaragua war, mit allen Widersprüchlichkeiten, die es da jenseits des Pathos der Befreiungstheologie gibt. Warum sollen die dort, nur weil sie unterdrückt sind, bessere Menschen sein? Die Reaktionen auf die Unterdrückung sind dort ja ähnlich wie hier. Dennoch sind die Nicas für mein eigenes politisches Engagement Vorbilder geblieben. Die Befreiungstheologie ist für mich, von der Theodizee-Frage einmal abgesehen, prägend gewesen.
Frage: Vorbild Nicaragua?
H: Ernesto Cardenals Radikalität, die Bibel zu lesen, hat mir immer imponiert. Auch wenn Gott nicht existiert, geht es trotzdem darum, nicht einfach tatenlos zuzuschauen.
S: Die Kampferfahrungen der Nicaraguaner waren für mich wichtig. Das Beispiel, sich trotz der miesesten Bedingungen zu ermutigen und den Amerikanern die Stirn zu bieten. Die Radikalität der Jesuitenuniversität, die Utopie einer kollektiven Kunst, einer Religion im Zusammenhang mit politischen Kampf, da haben die Nicas einiges geleistet und sind insofern auch Vorbild...
S-W: ...als gewonnene linke Revolution. Die sind dann einfach wer, die sind vorerst einmal die Guten.
Den ersten Hammer hat es gegeben, als wir im Busch auf Brigade waren und nicaraguanische Arbeiter, die mit dem Floß angereist sind, es einfach ablehnten, unter solchen Umständen zu arbeiten. Auch das waren die sandinistischen Arbeiter. Da wirst du als Europäer auf einmal zum fleißigen Depp, das hat mich aus der Romantik herausgeholt.
Sicher ein Grund für die verlorene Wahl war ja auch, dass die Nicaraguaner selbst nicht nur Helden der Revolution sein wollten, sondern einfach wollten, dass es ihnen besser geht, was aber unter Violetta Chamorro nicht eingetreten ist.
Frage: Sie wollten die Vorbildfunktion, die sie für den europäischen Zuseher hatten, abstreifen?
S-W: Ja, so ähnlich.
S: Für mich war Nicaragua lernen am exemplarischen Beispiel. Die haben Sender gebaut, Kampferfahrungen gesammelt. Auch von der Jesuitenuniversität UCA können wir, abgesehen von der starren Verschultheit, einiges lernen: die haben ein ganztägiges Radioprogramm, eine Theatergruppe. Da bekommt man Anregungen, um bestimmte Selbstverständlichkeiten zu labilisieren. Es gab natürlich auch problematische Sachen: die fehlende Trennung von Partei und Staat.
S-W: Die ganze Revolution hatte ja auch etwas unheimlich Pathetisches. Über diesen Pathos haben wir ja schon damals geschmunzelt.
H: Außerdem gab es ja totale Brüche. Die Fernsehserien waren alle US-amerikanisch, die Jugendlichen haben Baseball gespielt. Die Massenkultur war ja trotz Sandinismus absolut amerikanisiert.
S-W: Heiß begehrte Kultobjekte: Ray Ban-Brillen, Rebook-Schuhe etc.
H: Auf der anderen Seite der sandinistische Durchhaltediskurs: wir werden alle hinausschmeißen.
Frage: Ist Euer Engagement ein sandinistisches Engagement?
S: Wenn sandinistisch auch heißt: Mittelständler an der Seite der kämpfenden Armen, dann ja. Aber was das präzis dort heißt und auch da in der Festung Europa, da habe ich viele Fragen - wie wir alle.
Frage: War die sandinistische Revolution eine machistische Revolution?
S-W: Nein. Erstens haben Frauen mitgekämpft, zweitens hat es eine große Frauenorganisation gegeben. Andererseits muss man sagen: alles was dort passiert, ist vom Machismo mitgeprägt.
H: Der Machismo ist kleiner geworden, aber es gibt ihn einfach.
S-W: Der Machismo ist ein Grundpfeiler der dortigen Gesellschaft, das gehört zu den Männern einfach dazu. Es gibt allerdings gut organisierte Gegenbewegungen.
S: In gewissen Bereichen sind die Männer aber schwächer als bei uns. In Nicaragua sind unheimlich viele Haushalte ohne männlichen Vorstand.
S-W: Stellt sich die Frage, ob nicht gerade das der Machismo ist. Die Familien zu verlassen ist dort üblich.
S: Aber Frauen haben auch andere Männer. Die letzten Daten der Sexualforschung für Nicaragua sind: Frauen haben dreimal wöchentlich Geschlechtsverkehr, Männer 2,1 mal die Woche!
S-W: Was heißt das jetzt?
S: Abgesehen von den methodischen Problemen einer solchen Untersuchung: die nicaraguanische Gesellschaft nimmt’s mit dem sechsten und dem neunten Gebot nicht zu streng. Immerhin sind Frauen auf der Uni sehr stark: die Leitung untersteht vier Patres, aber das Dekanat und viele Professuren sind weiblich besetzt.
Frage: Warum ist die Städtepartnerschaft Klagenfurt - Managua nicht zustande gekommen?
H: Der stete Tropfen hat den Stein nicht gehöhlt.
S: Meiner Meinung nach ist der Kabinettschef von Guggenberger, Lindner, Schuld daran. Wir haben einen Brief von Bürgermeister von Managua gehabt, und der ist einfach verschwunden.
H: In den Wartezeiten beim Bürgermeister sind wir mit Lindner ins Gespräch gekommen und der hat von einem furchtbaren Erlebnis in Kuba berichtet, wo er gesehen hat, wie ein Oppositioneller von der Polizei brutal abgeführt wurde. Das war für ihn dann der Inbegriff des lateinamerikanischen Sozialismus.
S: Die Klagenfurter Politiker haben nur Ausflüchte gefunden, aber immerhin haben wir eine Städtefreundschaft. Die Klagenfurter Schwarzen sind auch nicht besser als die Sozis in Villach, denn die wollten auch nicht, nur um einen politischen Konflikt zu vermeiden. Aber die Hauptstadt Managua wäre für eine Städtepartnerschaft ohnehin zu groß. Jetzt versuchen wir, eine Partnerschaft zwischen Klagenfurt und Granada anzuregen.

Frage: Welche konkreten Projekte für die Zukunft gibt es?
S: Es gibt viele Phantasien und teilweise konkrete Projekte. Das Bloque-Projekt, das „Miriam“-Projekt wird unterstützt, an der UCA wird ein Videoklub installiert, eine Kammermusik wird aufgebaut. Das Institut für Sozialarbeit entwickelt eine Quentothek, das sind Sammlungen von Erzählungen. Im Norden von Nicaragua gibt es ein Zentrum für traditionelle Kräutermedizin, um die hohen Kosten der Pharmazie zu umgehen. Von unserer Seite sinnvoll wäre eine weitere Evaluation der österreichischen Entwicklungshilfepolitik.
Der andere fruchtbare Sektor ist Kunst und Kultur. Wenn sich vom UNIKUM jemand dahinterklemmen würde, könnte ein eigenes Kulturprojekt entwickelt werden, mit der UCA und dem „Haus der drei Welten“ in Granada. Die Nicaraguaner brauchen eine prozessorientierte Zusammenarbeit. Der Hortus Musicus und Christof Subik wären dazu bereit, wir würden mit den „Trauerarbeitsplätzen“ ebenfalls hingehen, auch Gerhard Hammerschmied würde im philosophischen Kontext kooperieren wollen.
H: Also ich möchte dort nicht traditionelle Philosophie lehren. Was mich interessiert ist, welche einheimischen Traditionen in die Philosophie eingebunden werden. Gibt es eine spezifisch lateinamerikanische Philosophie?
S: Wer einmal drüben war, möchte ohnehin wieder hin. Es ist immer ganz gut, wenn man einmal aus der Festung Europa rauskommt. Man steht einfach anders am Boden, wenn man einmal sieht, was dort los ist, man sieht die eigene Kultur ganz anders.
In diesem Sinn plädiere ich für eine gewisse Weltläufigkeit. Der regelmäßige Kontakt mit Nicaraguanern hilft mir selber weiter, um das, was in mir als „Nachfolge Jesu“ programmiert wurde, zu bearbeiten. Die Leute meiner Generation, die politisch gekämpft haben, die haben ja alle einen ähnlichen „Schuss“. Auch die Verständigung darüber mit solchen Leuten gibt mir was.
Solidarität beginnt mit „ES“ und endet im Gespräch - nicht.


Als Brigadistin in Nicaragua
Ein persönlicher Bericht von Angelika Pichler

1986 war ich zwei Monate in Nicaragua. Über den Verein „Kärntner Solidarität mit Nicaragua“ erfuhr ich von der Mäglichkeit, als Brigadistin in einem Dorf mitzuarbeiten. Damals war ich arbeitslos - Zeit hatte ich also mehr als genug.
Mit einer Brigade, die aus 15 Personen bestand, flogen wir Anfang Juli 1986 nach Nicaragua.
San Jeronimo, das Dorf, mit dem der Wiener Verein „Nicaragua Brigaden“ in Kontakt stand und zu dem unsere Brigade hinfuhr, liegt im Norden von Nicaragua, an der Grenze zu Honduras, auf 1200 m Seehöhe.

Dienstag 8.7.1986
Gestern früh so gegen neun Uhr Ortszeit sind wir in Nicaragua angekommen. Ich konnte und kann es kaum glauben - dass ich in NICARAGUA bin. Palmen habe ich gesehen! Und die Luft ist auch ganz anders - feucht.
Ernst, der Koordinator vom Wiener Verein, der ständig hier war, holte uns ab und wir fuhren nach Condega. Auf so einem kleinen, offenen LKW hinten oben bei vollem Fahrtwind. die Vegetation ist eine ganz andere. Und die Landschaft ist wunderschön. Wenn bloß die Contras nicht wären.
Ernst sagte, dass es nicht sicher sei, ob wir nach San Jeronimo raufdürfen, weil die Contras immer näher kommen. Angeblich haben sie auch Raketen, mit denen sie Estelí (= größere Stadt) sofort niedermachen könnten. Paul, ein Brigadist, meinte, dass die Contras jetzt sicher wegen der bevorstehenden Revolutionsfeiern schärfer wären. Ich bekam zum ersten Mal Angst.
San Jeronimo liegt 30 km von der nächsten Stadt, Condega, entfernt und dadurch, dass es im Kriegsgebiet lag, konnten wir uns nur in einem Umkreis von etwa 500 m bewegen. Damals hatte das Dorf 350 EinwohnerInnen. Die Menschen lebten in Holzhütten mit Blechdächern und einem Fußboden aus festgestampfter Erde.

Freitag, 11.7.1986
Wir sind in San Jeronimo! Die Fahrt herauf war fürchterlich. Aber das wurde mir erst bewusst, als wir da waren. Wir fuhren aufgeteilt auf zwei so offenen LKW und zwei vom Militär waren auch drauf.
Am Anfang, kaum aus Condega raus, hatten wir noch Spaß. Wir fuhren im zweiten Auto und kamen irgendwie auf Minen zu reden:
Othmar: „Na ja, wir sind eh das zweite Auto.“ Ernst: „Es sind ferngesteuerte Minen.“
Wir fuhren ein Stück und überholten das andere Auto.
Susanne zu Othmar: „Na, ist nichts mehr mit Deiner Theorie vom zweiten Auto.“ Othmar: „Na ja, nachdem’s eh ferngesteuerte Minen sind.“
Wir alle lachten. Die zwei Militärs luden das Gewehr durch und uns verging das Lachen. Ich dachte, wenn etwas passiert, kann ich eh nix machen.
Am Abend in der Hütte ging es ernst zu. Ernst sagte, es vom Dorf das Angebot gibt, uns mit Gewehren zu versorgen. Im letzten Monat gab es vier- oder fünfmal Alarm. Plötzlich hatte ich wieder Angst. Wir sollen ein Notpackerl zusammenrichten, falls wir evakuiert werden. Mulmig.
Aber ich schlief gut. Was soll’s auch. Wenn was passiert, passiert es sowieso. Ob ich nun Angst habe oder nicht.
Ich kam damals hin, 22 Jahre jung, österreichisch sozialisiert und maß natürlich alles aus meiner Sichtweise. Krieg kannte ich nicht aus eigener Erfahrung und diese Angst, die ich hatte, war schrecklich. Als ich die Tagebücher vor einem Jahr zum ersten Mal seit 1986 las, stellte ich fest, dass ich die Angst heruntergespielt und verdrängt hatte.
Im Dorf waren wir in einer Riesenholzhütte mit einem Riesenstockbett untergebracht, in dem wir mit Schlafsäcken schliefen.
Dass es im Dorf kein Geschäft gab, wo mensch Lebensmittel und sonstiges kaufen konnte und auch kein Gasthaus, warf mich beinahe um. Reis, Mais und Bohnen waren für die BewohnerInnen hier und nun auch für uns rationiert und wurde regelmäßig per LKW nach San Jeronimo geliefert. Sonst gab es nur, was wir aus Österreich „importiert“ hatten. (Packerlsuppen, Schokoladen, Gewürze etc.)
Die BewohnerInnen lebten vom Kaffeeanbau, wo auch die meisten Frauen beschäftigt waren. Die Männer hingegen waren bei der Armee. Dadurch, dass San Jeronimo im Kriegsgebiet lag, wurde es gut bewacht. Die Kinder haben vormittags Schule, die Erwachsenen nach der Arbeit.
Dass alle etwas zum Essen hatten, dass alle in einer Hütte wohnten, dass alle in die Schule gehen konnten, dass mindestens einmal pro Woche ein Arzt und/oder eine Krankenschwester kam - das alles waren Auswirkungen der Revolution.
Die Aufgabe unserer Brigade war es, ein Kinderhaus zu bauen. Das Geld dafür wurde von SpenderInnen in Österreich aufgebracht. Das Kinderhaus war wichtig zur Gleichstellung der Frau. Sie kann die Kinder ins Kinderhaus geben, wo sie auf Kosten des Dorfes betreut werden und auch zu essen erhalten. Die Frauen können so unbeschwerter ihrer Arbeit nachgehen.
Die Juli-Brigade war hauptsächlich damit beschäftigt, mit Schaufeln, Pickel und Scheibtruhe einen Hügel abzutragen, um eine Ebene für das Kinderhaus zu schaffen.

Montag, 14.7.1986
Beim Arbeiten war es lustig: Wir müssen pickeln und schaufeln: es ist so, dass zwei eine Scheibtruhe vollschaufeln, eine dritte Person führt sie weg, ein oder zwei Leute pickeln, d. h. sie lockern die Erde. Wir haben ein paar Spaßmacher dabei. Die Arbeit ist schon sehr anstrengend, weil wir es ja nicht gewohnt sind. Aber es geht allen so.

Montag, 28.7.1986
Mit dem Graben sind wir heute fertig geworden. Das war super! Jetzt müssen wir nur noch „Kleinigkeiten“ machen wie planieren und so.
Im Tagebuch habe ich viel beschrieben, wie ich mich fühle, wie es mir mit der Gruppe geht usw. Ich habe wenig beschrieben, was ich mit den BewohnerInnen erlebt habe. Im Nachhinein finde ich es schade, aber damals war ich wohl aufgrund der ganz anderen Situation zu sehr mit mir beschäftigt.
Im August war die Ebene fertig, wir konnten schon mit anderen Kleinarbeiten beginnen. Außerdem wurde ein Bunker gebaut, Straßen ausgebessert, eine Wasserleitung und ein Wasserdamm gebaut. Alles mit einfachen Mitteln. Bei uns wäre z. B. eine Ebene mit einem Bagger schnell geschafft.
Mitte August mussten wir vorzeitig abreisen. Alle Brigaden aus Kriegsgebieten mussten abziehen. Es gab zwei Gründe: erstens will die Regierung nicht riskieren, dass noch mehr AusländerInnen von den Contras umgebracht werden - Ende Juli wurden drei Entwicklungshelfer aus der Schweiz und der BRD in die Luft gesprengt - und zweitens hatten die USA nun endgültig 100 Millionen Dollar (!) an die Contras bewilligt. Die Regierung in Nicaragua kann nicht abschätzen, welche Waffen die Contras dafür kaufen werden.
Es war interessant, dass der Regierung die Schuld am Tod der AusländerInnen zugeschoben wurde unter dem Vorwand, sie tue zu wenig für deren Sicherheit. Dass die Contras terrorisieren, wird hingenommen und stattdessen die Opfer zum Täter gemacht.
Das Kinderhaus konnte daher von uns nicht fertiggestellt werden. Das haben nach uns Arbeiter aus Nicaragua und einige ÖsterreicherInnen getan.

Donnerstag, 7.8.1986
Heute ist es mir mulmig ergangen. Ich weiß nicht, ob es Angst ist. Ich kann dieses Gefühl nicht beschreiben.
Es war vielleicht 19.00 Uhr, als wir hintereinander zwei Schüsse hörten. Drei Schösse bedeuten Alarm. Es kam eine kurze Pause, ganz kurz - Erleichterung. Dann noch ein Schuss und noch einer. Dann hörten wir Maschinengewehre. Ein paar Mal. Wolfgang sagte: „Ja, dann tun wir was!“ Wir packten unser „Notpackerl“. Ich schaute vor die Türe. Es war ganz finster. Wohl war mir nicht. Grauslich ist es, nicht zu wissen, was los ist. Wir hörten wieder Maschinengewehre Ð weiter weg. Es legte sich dann. Sollten wir mit oder ohne Taschenlampe zum Bunker sausen?
Hoffentlich erleben wir keinen Ernstfall.

Freitag, 8.8.1986
Zwei Männer sind gekommen, die gesagt haben, wir werden heute evakuiert. Mir kommt das so unwirklich vor. Es werden keine GrŸnde genannt, weswegen einige nicht fahren wollen.

Samstag, 9.8.1986
Es ist fix! Wir fahren morgen um 10 Uhr. Grund: Nicaragua kann es sich nicht mehr erlauben, dass InternationalistInnen erschossen werden. Daher werden BrigadistInnen aus Kriegsgebieten abgezogen.
Unsere nächste Station war daher Estelí, wo wir Teile für WC’s aus Beton und Eisen anfertigten.

Montag, 11.8.1986
Wir sind seit gestern hier in Estelí. In so einem kleinen Raum - es gehört zu einer neuerbauten Siedlung hier.
Gestern beim Fahren machten wir in Condega Rast. Hier kam es mir schon sehr reich vor. Häuser aus Ziegel und Beton. Wir kauften Mais, Bananen, Bananenchips. Und weiter ging’s nach Estelí. Ist es hier reich! Als wir vor Wochen hier und in Condega waren, kam uns alles so ärmlich vor. Aber jetzt - nach San Jeronimo - nicht mehr. Schöne Häuser, die Menschen tragen Schuhe und schöne Kleidung, keine Kinder mit Hungerbauch. Nur 70 km auseinander und so ein Unterschied! Es gibt hier viele Geschäfte und Restaurants. Gestern habe ich viel gegessen: Reistörtchen, Eis, Hamburger É richtig aufgehaust. Das Ausgehen gestern war klass - wohin ich will, soweit ich will, so lange ich wollte.
Wenn ich nur in Estelí oder nur in San Jeronimo gewesen wäre, hätte ich einen jeweils anderen Eindruck von Nicaragua gehabt.

Donnerstag, 14.8.1986
Heute vormittag gab es in einer „escuela normale“ eine Versammlung. Ein Minister war da und viele BrigadistInnen, die auch evakuiert worden waren. Der Minister versuchte uns zu erklären, warum die Evakuierung notwendig war: Die Frente Sandinista will keine toten InternationalistInnen mehr riskieren. Sie will und braucht aber die internationale Hilfe, finanzielle und humanitäre. Die InternationalistInnen kommen in Zukunft nur noch in die Städte.
Nach sechs Wochen BrigadistIn sein konnten wir zwei Wochen „Urlaub machen“ und Nicaragua bereisen, was mir sehr zugesagt hat. Ich schreibe hier ein paar Passagen aus meinem Tagebuch:

Samstag, 16.8.1986
Wir, einige BrigadistInnen, sind in León. Wir sind mit dem Bus hierhergefahren. Der war pumpvoll. Wir hatten aber Glück und ergatterten einen Sitzplatz. Als wir aus dem Bus ausstiegen, hatten wir das Glück, dass uns einer mit seinem Auto bis ins Zentrum mitnahm. Ja, und jetzt sind wir hier. León sieht wieder ganz anders aus: Alte Bauten, noch mehr Stadt als Estelí. Sogar Straßenampeln gibt es hier. Es ist total heiß hier.

Dienstag, 19.8.1986
Jetzt sind wir in Poneloya, an der Pazifikküste. Es ist schön hier. Viel Meer, viel Strand, viel Sand und wenig Menschen. León ist 18 km entfernt. Heute wollten wir mit dem Bus herfahren, doch der kam nicht. Wir warteten zwei Stunden, obwohl uns gesagt wurde, dass stündlich einer fährt. Mit der Zeit wird es hier nicht so genau genommen.
Poneloya ist lang. Sonst nichts. Rechts und links stehen die Häuser. Dahinter ist nichts mehr. Die Häuser sind fast alle aus Beton und bunt. Geschäft gibt’s hier auch keines. Wie die Leute hier leben, kriege ich gar nicht mit. Ich bin wirklich nur noch Touristin.
Beim Lesen der Tagebücher fiel mir auf, dass ich mein Leben in Österreich als Maßstab gesehen habe, an dem ich das Leben in Nicaragua gemessen habe. Irgendwie geniere ich mich dafür, aber es war damals eben so - jedenfalls fiel mir auf, dass ich beschrieb, wie ein Cafe aussah, was es da zu essen gab, ob es eine Dusche in der Herberge gab usw.

In einem gesamtösterreichischen Seminar war ich zwar auf diese komplett andere Welt vorbereitet worden, aber das ging ja nur über den Kopf. Wenn mensch diese Welt dann erlebt, ist es wieder etwas ganz anderes. Es war für mich eine lehrreiche Zeit, auch wenn mir vieles erst später, im Nachhinein bewusst geworden ist. Ich möchte diese Zeit nicht missen, in dem ich eine andere Lebensweise kennengelernt habe und zum Teil auch an meine Grenzen gestoßen bin.


Eine gynäkologische Ambulanz
Über die Entwicklungsarbeit von Sonja Kofler

Sonja Kofler, diplomierte Krankenschwester aus Himmelberg, war insgesamt fünfeinhalb Jahre in Nicaragua. Ihr erster Einsatz, finanziert vom Österreichischen Entwicklungsdienst (YED), war im Frauenspital Berta Calderon in Managua von 1987-1990. Nach ihrer Rückkehr nahm sie Kontakt mit dem Verein „Kärntner Solidarität mit Nicaragua“ auf, der in Zusammenarbeit mit einer ÄrztInnengruppe rund um Dr. Waltraud Schnattler das Konzept für eine Gynäkologische Ambulanz für Fabriksarbeiterinnen entwickelte, die im Zusammenhang eines von der nicaraguanischen Gewerkschaft ins Leben gerufenen Frauenprojektes etabliert wurde. Neben dieser medizinischen Einrichtung wurden auch noch eine Rechtsberatung, Möglichkeiten zur Weiterbildung und Dokumentationszentren eingerichtet. Die Finanzierung des Projektes setzte sich aus internationalen Hilfen und Beiträgen der Arbeitgeber zusammen.

Von 1991-1993 war Kofler wieder in Managua, um neben einer praktischen Ärztin, einer Zytologin und einer halbtags beschäftigten Gynäkologin als Krankenschwester beim Aufbau der gynäkologischen Ambulanz mitzuhelfen. „Neben der ärztlichen Betreuung war uns besonders wichtig, mit den Frauen intensive Gespräche aufzunehmen. Zuerst einmal, um ihnen die Angst vor der gynäkologischen Untersuchung zu nehmen, denn 80% dieser Frauen waren niemals bei einem Frauenarzt. Die Gespräche drehten sich weiters um so wichtige Themen wie Familienplanung, d.h. Empfängnisverhütung, Krebsvorsorge und die oft erlittene Gewalt der Frauen und Sexualität im Klima des südamerikanischen Machismo.“

Das Ziel dieser Gespräche war, den Frauen durch Information zu Selbstverantwortung zu verhelfen.
Die großen Einbußen im Gesundheitswesen nach der Wahl von Staatspräsidentin Chamorro führten zu einer Veränderung der Arbeitssituation. Das Projekt hatte als gewerkschaftliches einen hohen politischen Stellenwert, bekam aber durch häufige Entlassungen und neue Arbeitgeber, die nicht mehr kooperativ waren, verstärkt Probleme.

Die Verschärfung des Arbeitskampfes führte zu einer Zuspitzung: „Wir waren daran interessiert, die medizinischen Ansprüche weiterhin zu erfüllen. Die Sandinisten wollten uns aber, als Herzeigeprojekt, politisch missbrauchen. So wurden wir von den Sandinisten nun bei Streiks eingesetzt, erhielten aber von ihnen niemals ein wirkliches Finanzierungskonzept für die Zukunft.“ Das medizinische Ziel wurde so nicht mehr erreicht, die politische Umwälzungen verunmöglichten die wesentliche Arbeit der gynäkologischen Ambulanz.
Durch die Privatisierungen lastete großer Druck auf den Gewerkschaften. Aus ihrer Sicht ist sicher zu verstehen, dass sie unsere Ambulanz nach Gutdünken einsetzen wollten. Die Schuld der Gewerkschaft besteht aber darin, sich den neuen politischen Verhältnissen nicht angepasst zu haben.“

Sonja Kofler macht derzeit in Klagenfurt eine Hebammenausbildung, und bereitet sich so auf ihr nächstes Nicaraguaprojekt vor. Sie möchte im Jahr 1995 mit „empirischen“ Landhebammen, und das sind 80% der nicaraguanischen Geburtshelferinnen, arbeiten: Das Ziel dieser Arbeit ist eine Senkung der Müttersterblichkeit (1990: 11 von 1000 Frauen bei Geburt gestorben) und der Säuglingssterblichkeit (1990: 71/1000, 1993: 120/1000; in 40% Todesursache Durchfall).
Dieses Projekt möchte Sonja Kolfer mit einem nicaraguanischen Gynäkologen durchführen, den sie bei ihrem Aufenthalt in Managua kennengelernt - und vor drei Jahren geheiratet hat.


Kommunismus und Solidarität
Aus einem Gespräch mit Regina Taupe

„Ich bin vor 10 Jahren zum Nicaragua-Komitee gekommen, weil es mir irrsinnig imponiert hat, dass ein so kleines Land wie Nicaragua die eigenen feudalen Fesseln abgeworfen und dem großen Amerika die Stirn geboten hat.“
Diese Leistung wollte Regina Taupe unterstützen und dazu beitragen, die Basis der Solidarität für Nicaragua international zu machen. Denn das Beispiel Nicaragua helfe auch den andern südamerikanischen Staaten, in ihrem Widerstandskampf nicht nachzugeben.
In der kommunistischen Gemeindezeitung wurde kontinuierlich über Nicaragua berichtet, um auch in Kärnten eine breitere Öffentlichkeit über die revolutionären und sozialen Vorgänge in diesem Land zu informieren. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Nicaragua einen traditionellen Schwerpunkt der politischen Arbeit der KPY darstellt.
„Nach den Wahlen in Nicaragua hat es dann aber einige Orientierungsprobleme gegeben, die heute noch andauern. Wir unterstützen weiterhin die Sandinisten und deren organisierten Widerstand gegen die konservative Politik Chamorros. Solidaritätsarbeit muss neu definiert werden und eine andere Qualität bekommen: früher konnte man mit der Regierung kooperieren, heute geht die Hilfe verstärkt an Basisinitiativen.“ Insgesamt hat Taupe aber den Eindruck, dass der Solidaritätsbewegung durch die Wahlen der Atem ausgegangen ist.

Derzeit gilt die Unterstützung konkreten Projekten wie dem Frauenausbildungsprojekt „Miriam“ und der Förderung eigenständiger Projekte in alternativer Energietechnologie. „Es lässt sich heute leichter Geld für konkrete Projekte auftreiben, um das Problem zu umgehen, dass große Organisationen den Großteil ihrer Spenden für ihren eigenen Verwaltungskram aufwenden.“
Taupe würde für den Verein „Kärntner Solidarität mit Nicaragua“ gern mehr tun, hätte sie mehr Zeit zur Verfügung: „Was mir am Verein immer gefallen hat war das solidarische Umgehen miteinander, trotz verschiedener politischer Lager und Konfessionen. Deshalb habe ich mich im Verein immer sehr wohl gefühlt. Die Gruppenarbeit hat immer gut funktioniert, weil sich nie jemand besonders wichtig gemacht und in den Vordergrund gedrängt hat, was sicher den Fähigkeiten von Helmut Stockhammer zuzuschreiben ist.“


Die Kreuze
Gedicht von Janko Messner
(März 1993; unveröffentlicht)

Die Kreuze
auf der ganzen Welt
sind eins wie das andere:
ein Längsbalken
und ein Querbalken
aus Holz
So auch in Lateinamerika

Und doch unterscheiden sich diese
ihrem Wesen nach
von jenen
der übrigen Welt:
kein nackter Jesus
ist darauf angenagelt
sondern ein Guerillero
in zerschlissener Uniform


Trotz alledem ...„Adelante marchemos companeros, avancemos a la revolucion“
Von Peter Kaiser

Wer aus der linkspolitischen Szene verspürte dieses Gefühl der inneren Erregung beim Erklingen der Sandinisten-Hymne nicht? Dieses Gefühl, das den Widerstand gegen übermächtige Aggressoren, den verwegenen Trotz zu siegen oder zu sterben (patria libre - vencer o morir), aber auch die Entschlossenheit über tausende Kilometer hinweg helfen zu können, widerspiegelt. Dieses Gefühl ist ein wesentlicher Bestandteil der internationalen Solidarität. Einer Solidarität, die sich am Beispiel Nicaraguas quer durch Organisationen zog, die sich in unterschiedlichsten Veranstaltungen äußerte und die sich auch in längerfristigen Partnerschaften und Projekten manifestierte. Einer Solidarität aber auch, die, angesiedelt zwischen Euphorie und Resignation, dem zermürbenden Faktor Zeit zu trotzen hat.

Die entscheidenden Fragen nach zehnjähriger Tätigkeit des Vereines „Kärntner Solidarität mit Nicaragua“ müssen daher im Sinne selbstkritischer Reflexion gestellt werden: „Was ist von der Solidarität mit Nicaragua geblieben?“ „Hat das Komitee sein Ziel erreicht?“ und „Welche Möglichkeiten gibt es, die Arbeit fortzusetzen?“
Geblieben sind aus unserer Arbeit gewonnene Erfahrungen und erworbene Kenntnisse. Gleichzeitig aber auch das Wissen, dass gegenwärtig eine solche Tätigkeit wie jene des Nicaragua-Komitees kaum mehr möglich ist. Denn der Begriff der internationalen Solidarität hing und hängt fälschlicherweise scheinbar untrennbar mit den antagonistischen Weltsystemen Kapitalismus und Kommunismus zusammen. Diese vereinfachende Zuordnung, „wer gegen die USA ist gilt als Kommunist und wer gegen die ehemalige UDSSR protestierte als Imperialist“, erscheint erst heute, angesichts der konkreten Weltlage, als absurd. Gerade Nicaragua suchte ja nach dem oft zitierten dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus - vielleicht war auch gerade deshalb die Verbindung mit den skandinavischen Ländern und Österreich so eng.

Die konkrete Analyse der Entwicklung und der wirtschaftlichen Situation Nicaraguas machte die Verantwortlichkeit der USA für die Missstände klar. Somit erfolgte quasi automatisch eine pseudopolitische Stigmatisierung nach dem bereits erwähnten Muster all jener, die sich für die Sandinisten einsetzten. Im Unterschied zu heute - und ich erinnere daran, dass es sich lediglich um zehn Jahre handelt – blieb die Solidaritätsarbeit davon eher unbeeinflusst. Die gegenwärtig offensichtliche Entwertung ideologischer Positionen reduziert jedoch die QualitŠt von Solidaritätsarbeit insgesamt auf einen „Gewissensfreikauf durch Spenden“. Der Suche nach historischen und ökonomischen Ursachen von Unterdrückung und revolutionären Strömungen wird kaum Zeit und Energie geopfert.

Aus dieser Perspektive betrachtet, hat die Kärntner Initiative durch mehrere inhaltliche Veranstaltungen

(Pater Kripp, Entwicklungspolitische Wochen, ...) und politische Aktionen, z.B. Protestaktion gegen den Honorarkonsul Mielke, dieser verlorenzugehen drohenden Qualität von Solidaritätsarbeit entsprochen.
Eine Fortsetzung der Arbeit des Nicaragua-Komitees ist daher wichtig. Grundlage zukünftiger Tätigkeiten könnte der kürzlich installierte Entwicklungspolitische Beirat des Landes Kärnten sein. Dieses Gremium umfasst alle entwicklungspolitisch relevanten Gruppen und stellt sich die Aufgabe, Projekte zu initiieren, zu koordinieren und Öffentlichkeits- sowie Bewusstseinsarbeit vor Ort zu forcieren.
Ein inhaltlicher Ansatz, der, erweitert um spezifische Interessen des „Nica-Komitees“, zweifelsohne den Motivationen jener, die vor zehn Jahren diese Organisation gründeten, entspricht.

Allen jenen, welche die Notwendigkeit internationaler-solidarischer Kooperationen erkennen und sich diesbezüglich „wider den Zeitgeist“ engagieren, sei abschließend eine persönliche Maxime, aus der Feder Ernesto Che Guevaras stammend, gewidmet: „Wer kämpft kann verlieren Ð wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Im Sinne dessen: Venceremos!


Interkulturelle Erfahrungen
Auszüge aus dem persönlichen Tagebuch von Georg Gombos

Freitag, 16.7.1993, Managua
Ich sitze in einem Bastsessel, frisch geduscht mit angenehm nassen Haaren. Wir sind todmüde am Ende dieses ersten vollen Tages. Die sieben Stunden Zeitunterschied machen uns noch zu schaffen - zuhause ist es jetzt ca. halb sechs Uhr morgens. Das Klima hier lässt sich wohl am besten mit den Worten Dschungel und türkisches Dampfbad beschreiben - obwohl ich weder bereits im Dschungel war, noch ein richtiges türkisches Dampfbad kenne - außer jenes in Bad Kleinkirchheim. Vorhin musste ich an die Sauna denken und daran, wie ich wohl Sandra erklären könnte, was eine Sauna ist.
Wir sind gerade von einer „Fiesta“ zurückgekehrt. Sandra lernt in einer privaten Tanzschule tanzen und diese Tanzschule hat das Fest veranstaltet, um etwas Geld für den Weiterbestand hereinzubekommen. Wir haben Gloria, die Leiterin kennengelernt. Sie ist klein, sehr zart und dürfte schwarze Vorfahren haben. Sie ist ungemein kommunikativ, sehr sympathisch und spricht hervorragendes Englisch - sie stammt aus Bluefields, wo die meisten Englisch sprechen. Sie sagte, es gäbe dort Menschen, die nur Englisch sprechen und solche, die Misquito - eine Indianersprache sprechen. Ich bin jetzt vor lauter Müdigkeit unfähig, weiter zu schreiben.

Sonntag, 18.7.93 Selva Negra bei Matagalpa
Wir sitzen hier mitten im Dschungel. Es ist neun Uhr morgens - ich sitze auf der Veranda unserer Cabana, der Urwald rauscht um mich - vielleicht ist auch ein Wasserfall in der Nähe. Die Vögel geben für mich völlig unbekannte Töne von sich, Schlangen soll es geben, viele verschiedene, die meisten giftig. Pumas soll es geben, aber die lassen sich nicht blicken, gehen den Menschen aus dem Weg. Die Pflanzenwelt hier ist ganz toll. Es gibt z. B. jede Menge Yukas in allen möglichen Größen, Bäume und Büsche mit großen roten Blüten.
Selva Negra heißt Schwarzwald und liegt eigentlich mitten in einer Kaffeeplantage. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts kamen Deutsche ins Land, bekamen von der Regierung Land geschenkt und intensivierten den Kaffeeanbau. Sie bauten eine Straße und ein „Terrocarril“, eine Art Eisenbahn, die jedoch nicht auf Schienen lief, sondern auf breiten Metallrädern. Die Lokomotive sieht eher aus wie eine Dampfwalze. Von ihr ist noch das Vorderrad irgendwo hier im Dschungel erhalten. Der Zug, beladen mit Kaffee für den Export brauchte 5 bis 8 Tage bis Leon, versank öfters in der weichen Straße, war schließlich zu teuer und wurde eingestellt.
Ein Nachfahre eines Herrn Kühl besitzt heute die Plantage, hat ein eigenartig bayrisch-nicaraguanisches Hotel gebaut Ð genauer gesagt ein Restaurant-Gebäude und über zwanzig kleine Cabanas rund herum. Auf den Dächern dieser Hütten mit spitzen Dächern à la Bayern - was hier völlig unüblich ist - breitet sich langsam aber sicher wieder der Dschungel aus.

Gestern führte uns der Besitzer ein wenig rund um die Anlage, das heißt wir saßen auf dem Rücken der wohl gutmütigsten Pferde Nikaraguas und wurden durch den Urwald geführt, während es abwechselnd Funkgespräche mit seinen Untergebenen und mit Mausi, seiner in Deutschland geborenen Frau führte und uns über die Anlage erzählte. Er sei in der Opposition zu Somoza gewesen, habe in der Revolution mitgekämpft und sei ein Monat lang Botschafter in Deutschland gewesen, habe Olof Palme, Willy Brandt, Bruno Kreisky und andere Größen der Politik gekannt. Er sei aber bald zurückgetreten, als er sah, dass die Sandinisten sich mehr der Sowjetunion zuwandten. Heute versucht er mit allen klarzukommen, bezeichnet sich als Sozialdemokrat und als Unternehmer. Die Sandinisten wüssten schon, dass er die Menschen nicht ausbeute. Neben der Hotelanlage besitzt er eine große Kaffeeplantage, 200 Arbeiter arbeiten für ihn. Er behauptet, in einem guten Jahr 120.000 US-Dollar machen zu können. Und das in einem sehr sehr armen Land mit einer enormen Arbeitslosenrate.
Die Luft hier ist sehr feucht. Im Gegensatz zu Managua ist es hier relativ kühl - vielleicht so um die 15 Grad - wir tragen Pullover.

Affen gibt es hier auch - einige haben sie in Käfige eingesperrt - die im Wald sollen allerdings eine andere Art sein. Die Affen im Käfig sind 30-40 cm groß, haben lange Arme und Beine, vier Finger an den Händen, fünf an den Füßen und einen langen Schwanz, mit dem Sie sich anhalten können.
Auf der Herfahrt saß eine Frau in Shorts vor uns, drei Männer hinter uns. Von den Männern wussten wir, dass zwei von ihnen aus Spanien kommen und einer aus Amerika, California, wie sich herausstellte. Wir haben alle Spanisch begrüßt und uns vorgestellt. Marta - die Frau vor uns - erschien mir auch typisch spanisch. Ich sagte zu Ilse, ich würde wetten, sie sei Spanierin, sie sei ganz typisch für eine Spanierin. Nach einiger Zeit begannen wir mit ihr zu sprechen und nach fünf Minuten stellte sich heraus, dass sie aus Matagalpa stammt und ausgezeichnet Deutsch spricht, weil sie insgesamt sieben Jahre in Leipzig war. Mir war das recht unangenehm. Ich weiß bis jetzt nicht, ob sie gehört hat, wie ich selbstsicher mein Vorurteil ausposaunt habe.
Die Zeit in Leipzig sei sehr schwer gewesen, voller Depressionen und Konflikte. Erst als sie gemerkt habe, dass die Menschen auch zueinander so waren, wie ihr gegenüber, konnte sich damit abfinden, dass in Deutschland die Menschen Beziehungen anders definieren und pflegen als in Nikaragua. Ihre Freundin Monika habe ihre Mutter wochenlang nicht gesehen, habe öfters ein Wochenende allein in ihrer Wohnung verbracht. Das ist und bleibt Marta unverständlich. Den Vorwurf von Monika, sie sei von ihrer Mutter abhängig bejaht sie. Sie sei abhängig, ihre Mutter sei ihr - genauso wie ihre acht Geschwister - sehr wichtig, sie sähe keinen Grund, Unabhängigkeit mit wenig Kontakt zur Familie zu definieren.
Wenn sie zwischendurch wieder zuhause war, wollte sie gar nicht mehr zurück. Jetzt soll sie im September wieder fahren, wieder hat sie wenig Lust. Ich frage nach Rassismus, Ethnozentrismus in Nikaragua, danach, ob bei den Menschen eher Angst oder eher Neugierde im Umgang mit Fremden überwiege. Neugier, sagt Marta, die Menschen seien primär neugierig, offen und freundlich. Natürlich gibt es auch eine hohe Kriminalität, besonders seit die Arbeitslosigkeit an die 70% erreicht hat, aber das könne man nicht verallgemeinern. Ich muss, während Marta spricht, an meine Studentinnen und Studenten zuhause denken, wie sie wohl Marta erleben würden. Marta spricht offen aus, was sie über die Deutschen denkt, ist für Kärntner Begriffe sehr, sehr offen. Sie erzählt von ihrem Leipziger Psychologie-Professor, der an Theorie interessiert war, der aber jede Lebendigkeit anscheinend verloren hat. Hier sind Menschen wichtig. „Ohne Menschen bin ich nichts“, sagt sie wörtlich.

Dienstag, 20.7.93
Gestern hatte ich den bisher stärksten emotionalen Eindruck. Es begann mit der Fahrt zur Plaza de la Republica, wo die Feierlichkeiten zum 14. Jahrestag der Revolution stattfanden. Bereits am Hinweg sagte uns Sergio, wir sollten nichts Wertvolles mitnehmen, man wisse nie, wer einem etwas entreißen könnte. Ich nehme trotzdem die Kamera und das kleine Tonbandgerät mit. Von überall strömen Menschen auf den Platz, fast alle tragen sandinistische Abzeichen: ein rot-schwarzes Tuch, einen rot-schwarzen Hut, sind rot-schwarz gekleidet oder tragen ein „Daniel Presidente“ T-Shirt. Es ist ziemlich laut, von weitem hören wir die Ansprachen der Politiker, zwischendurch schießt jemand in die Luft, die Menge schreit „Viva“ oder etwas ähnliches. Von weitem sehen wir einen der beiden Kathedraltürme. Es steht jemand oben drauf in einer Höhe von vielleicht 80 Meter und schwenkt eine rot-schwarze Fahne. Es ist sehr heiß, überall stehen Unmengen von Menschen, es ist ein eigenartiges Gefühl. Uns sieht man das Fremdsein an, den Reichtum, ich weiß nicht, wie die Menschen unsere Anwesenheit empfinden. Es scheint mir ein wenig Voyeurismus dabeizusein. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass die Menschen hoffentlich wissen, dass wir mit ihnen und den Sandinisten sympathisieren und dass wir wichtige Informanten unserer Länder sind. Aber wahrscheinlich ist das den Leuten ganz egal, wir hören von 70% Arbeitslosigkeit, von Tausenden von Frauen, die mit durchschnittlich fünf Kindern sich alleine durchschlagen müssen, von verschlechterten Bedingungen im Gesundheitswesen, hohe, unbezahlbare Medikamentenpreise, von Korruption, von einer sagenhaften Kriminalitätsrate. So schreibt die rechtsgerichtete Zeitung La Tribuna von überfüllten Gefängnissen, von bewaffneten Banden im Norden und Südosten. Und wir schauen uns die Revolutionsfeiern an. Mit Fotokamera und Kassettenrecorder.
Den Rekorder stecke ich mir sicherheitshalber vorne in den Hosenbund Ð nur das Mikrofon schaut heraus. Mir ist das nicht sehr angenehm, aber doch der gangbarste Weg. Wir nähern uns der Sprechtribüne seitlich, stehen rechts davon, können nur erahnen wo die Sprecher sind, lauschen den Worten von verschiedenen Sprechern. Alle sprechen mit starker Emotion. Einmal beginnt einer langsam und fast informell, aber nach einigen Minuten hat auch er sich warmgeredet und redet voller Emotion und laut auf die Menge ein.

Zwischen den Hauptsprechern agiert ein unsichtbarer „Master of ceremony“, fordert die Menge immer wieder auf, die rot-schwarzen Fahnen, Mützen, Schirme zu schwenken, lässt sie immer wieder Parolen rufen. Alle warten auf Daniel Ortega. Rechts von uns ist das ehemalige Regierungsgebäude von Somoza, das die Sandinisten am 19. Juli 1979 eroberten, ca. 200 Meter von uns ist die riesige Kathedrale, deren Dach beim Erdbeben 1972 eingestürzt ist. Die Türme haben weithin sichtbare Risse, auf den beiden Kuppeln befinden sich Kreuze, das eine ist umgestürzt. Es raubt einem den Atem, wenn man die Jugendlichen auf dem einen Turm, auf der Kuppel, neben dem Kreuz stehen sieht. Ich kann mir kaum vorstellen, wie sie da hinaufkommen, geschweige denn heil herunter. Auf einmal beginnt einer da oben noch zu tanzen - er steht neben dem Kreuz, hält sich mit der Linken an, schwingt die Rechte und zeigt den hier üblichen Hüftschwung - es ist aus der Distanz klar zu erkennen.
Die ganze Kathedrale ist voller Menschen, sie stehen an den unmöglichsten Stellen Ð ich wundere mich, dass nicht dauernd einer herunter fällt.

Endlich kommt Daniel - das Volk begrüßt ihn mit viel Emotion. Er beginnt langsam, obwohl die Lautsprecher sehr gut seine Stimme über den Platz schicken, verstehe ich nicht viel von dem, was er sagt, nur soviel, dass er der Regierung die Zusammenarbeit aufkündigt.
Wir stehen unter einem Baum Ð es ist drückend heiß und schwül. Dennoch, der Baum spendet Schatten und ab und zu bringt eine Brise etwas Abkühlung. Ich spüre, wie mir der Schweiß den Rücken hinunterrinnt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Menge die Hitze, meist die pralle Sonne aushält. Wir verlassen unseren schattigen Baum, auf dem mindestens ein Dutzend Personen sitzen und suchen etwas zum Trinken. Wir sehen mehrere Personen, die aus einem Nylonsackerl Coca-Cola, Fruchtsaft oder einen grell lila Saft saugen. Anscheinend bekommt niemand eine Flasche mit. Wir finden einen Coca-Cola Verkäufer, dessen Cola in viel Wasser und etwas Eis schwimmt, also noch annehmbar kühl sein dürfte. Während wir das Cola trinken, schleppen ein Polizist und einige Helfer jemanden vorbei, der offensichtlich ohnmächtig ist. Zwischendurch rutscht er ihnen aus der Hand. Sofort sind 20-30 Personen bei ihnen, der Polizist hat Mühe, seinen Kranken zu schützen, dann wird er weitergeschleppt.

Wir gehen durch die Stadt, vorbei an zwei Brunnen links und rechts der Straße. Das Wasser des einen Brunnen ist blutrot gefärbt, das des anderen grauschwarz. Managua ist eigentlich keine Stadt - jedenfalls findet man sogar im Zentrum nur sporadisch Häuser. Diese sind weit verstreut, groß und beheimaten die Post oder sonst irgendeine Institution. Es handelt sich aber nur um eine Handvoll solcher Gebäude. Dazwischen gibt es Felder, hie und da eine Ansammlung von Hütten, manche so ärmlich, aus Holz und Blech, dass sie das Wort „Slum“ reichlich verdienen. Ganz Managua scheint ein riesiges Feld mit Gestrüpp und Bäumen zu sein, zwischen denen sich größere oder kleinere Ansammlungen von Hütten oder Häuser finden.

Das Gefühl, in einer Stadt zu sein, will nicht so recht aufkommen. Diese Grünlandschaft wird von Straßen durchzogen. Nur die wichtigsten, wie etwa die Carretera del Norte haben einen Namen. Ansonsten gibt es hier weder Straßen- noch Gassennamen. Wenn man irgendwohin will, muss man wissen, in welches Barrio man muss und einen öffentlich wahrnehmbaren Ort nennen - etwa eine Tankstelle, einen Buchladen o. Š. - will man sein Ziel erreichen. Ein Beispiel aus El Nuevo Diario vom 21.7.93: Eine Familie lädt zur „misa de nueve dias“ (Neuntagesmesse) eines Verstorbenen und gibt die Adresse wie folgt an: Barrio Camilo Chamoro, de la Rocargo ocho cuadurs al lago, cuatro abajo y una al lago. Auf deutsch: Stadtviertel Camilo Chamoro, vom „Rocardo“ acht Häuserblöcke in Richtung See, vier hinunter und einen zum See.


Kulturschocks eines Euroskeptikers
Dietmar Larcher über seine Erfahrungen in Nicaragua

Ich möchte drei Kulturschocks schildern, die ich im Nicaragua des Jahres 1989, im letzten Jahr der sandinistischen Regierung, erlebt habe. Ich wähle mit Absicht nicht die unzähligen kleinen Schrecknisse aus, die mich dutzende Male den „sozialen Tod“ (Mario Erdheim) sterben ließen, sondern beziehe mich im folgenden nur auf Kulturschocks aus dem Bildungsbereich, weil die Kulturschocks gerade hier besonders aufschlussreich und weil unser aller Eurozentrismus gerade hier besonders seltsam ist.

Mein wissenschaftlicher Auftrag war, in der Region 5, Hauptstadt Juigalpa, die Bildungsarbeit der österreichischen Entwicklungshelfer zu evaluieren. Dabei erlebte ich viel Positives und durchaus Erfreuliches, vor allem in jenen Bereichen, wo die Nicas auf lateinamerikanische Traditionen zurückgegriffen hatten, etwa im Bereich der Educacion popular. Und ich war begeistert vom großen Erfolg, den die österreichischen Bildungsarbeiter unter schwierigsten Bedingungen erzielt hatten. Die Kulturschocks, die mir widerfuhren, haben mit ihren Leistungen rein gar nichts zu tun, sondern mit ganz anderen Bildungstraditionen. Ich lese aus meinem Forschungstagebuch:
Sofort müssen wir in die Lehrerbildungsanstalt. Dort soll ich den versammelten Lehreraus- und weiterbildnern erzählen, wie ich das in Österreich denn so mache.
Nun der große Kulturschock, der aber nicht in der Unterschiedlichkeit, sondern in der Ähnlichkeit der Kulturen seine Ursache hat. Ich betrete den Raum und finde genau jene autoritäre Sitzordnung vor, die ich vor weniger als vierzehn Tagen beim letzten Fortbildungsseminar in Bozen mit aller Kraft bekämpft hatte: Vorne ein gedeckter Tisch und vier Stühle für die Autoritäten, ihnen gegenüber Sitzreihen für die gewöhnlichen Teilnehmer, vier oder fünf hintereinander. Dort saßen sie dann auch, die zu Belehrenden, brav aufgefädelt und artig wie die Kinder, den Schreibblock auf den Knien. Bis in die Körperhaltung und das artige Lächeln glichen sie den braven österreichischen und südtiroler LehrerInnen, denen ich mit viel Mühe im Verlauf der Jahre zu vermitteln versucht hatte, dass sie den aufrechten Gang und das nötige Selbstbewusstsein gewinnen müssten, um gute Lehrer zu sein, und dass das mit solchen sozialen Arrangements wie Sitz- und Kommunikationsordnungen beginne: Wenn man da in autoritäre Strukturen gezwängt werde, dann brauche man mit der Entwicklung einer innovativen Didaktik erst gar nicht beginnen.

Ich wurde vorgestellt. Dann erklärten mir diverse Vizedirektoren die Struktur und Geschichte der Schule. Ich sollte nun die Lehrer alles fragen, was ich wissen wollte. Ich ließ mir das nicht zweimal sagen und fragte drauflos. Aber zu meinem Erschrecken passierte folgendes:
- Es antworteten nur Vorgesetzte.
- Es redeten nur Männer.
- Gesprochen wurde in Ritualen. „Triumph“ und „Kreuzzug“ waren oft zitierte Vokabeln. „Vor dem Triumph“, „wegen des Triumphes“, „trotz des Triumphes“, „der Kreuzzug der Alphabetisation wird/ hat/ soll“ usw.
- Problemdefinitionen bewegten sich genau auf der Ebene, die ich aus Mitteleuropa unendlich oft gehört hatte:
„Zu wenig Bezahlung.“
„Zu schlechte Ausstattung.“
„Zu große Klassen.“
„Zu wenig Räume.“
Ich weiß zwar, dass all diese Argumente Berechtigung haben, war aber doch überrascht, dass offenbar niemand mehr oder anderes sagen konnte. Ich versuchte nun, durch Suggestivfragen weiterzukommen: entweder alle ins Gespräch zu ziehen oder doch zumindest die eine oder andere neuralgische Stelle zu lokalisieren. Dies gelang mir nur ein einziges Mal, als ich nämlich fragte, ob sie, die Lehrer, denn von ihren Schülern und deren Eltern geliebt würden. Ein einziges vielstimmiges „Ja“ war die Antwort, und dann gab’s viele sehr aufgeregte Seitengespräche. Dies sollte der emotionale Höhepunkt des Nachmittags bleiben. Mir wurde wieder - zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden - klargemacht, dass es eine Identifikation von Staatsgewalt und Bevölkerung gibt. Lehrer und Zielsetzungen der staatlichen Erziehung werden offenbar ohne Skepsis betrachtet. Im Gegenteil, sie werden „geliebt“! Gerhard hatte zunächst „appreciado“ übersetzt. Die Lehrer korrigierten mit Nachdruck „amado!“

Mein Gott, wenn das der alte Adorno noch hätte erleben können, diese Versöhnung von subjektivem und objektivem Faktor! Da muss der kritische Theoretiker schon ordentlich durchatmen, um nicht gleich die Dialektik der Aufklärung herbeizuzitieren, die sich solches wahre Leben im falschen nicht vorstellen kann. Doch wie gesagt, ich werde mich bemühen, meine Urteile zurückzustellen. Aber irritiert wird man ja noch sein dürfen. Falls ich für ein Jahr hierher komme, werde ich wohl denselben alten Kampf gegen die Windmühlen kämpfen müssen, der mich im Laufe der vielen Jahre in Österreich schon an den Rand des Magengeschwürs gebracht hat. Ich denke, um die Revolution nicht zu verspielen, wird es notwendig sein, die Syndrome der Verschulung aus dem Erziehungswesen herauszuhalten: wird es notwendig sein, den „heimlichen Lehrplan“ einer totalen Institution Schule aufzudecken und in Theorie und Praxis zu kritisieren. Ich weiß, wieviel Kraft das kostet; ich weiß, wieviele Konflikte damit verbunden sind; ich weiß, wie wenig die Träger der Institution diese Gefahr sehen wollen; ich weiß, wie sehr man sich selbst dadurch unbeliebt macht.
Kurz, ich weiß, dass Don Quijote auch hier gegen die Windmühlen der Verschulung wird antreten müssen, je früher, desto besser. Die Kubaner haben hier schon hart gearbeitet, um die Prinzipien der DDR-Didaktik mit Zielen und Strukturgittern durchzusetzen gegen den alten Schlendrian.

Schock Nummer 2:
Zwei Schulbesuche in Juigalpa. Der erste in einer berufsbegleitenden Lehrerausbildungsstätte, einem pädagogischen Sofortprogramm, das Lehrer für die Normalschule produzieren soll. Norbert nimmt den Videorecorder mit, ich halte den Fotoapparat bereit. Wir dürfen den Pädagogikunterricht Cecilias beobachten. Cecilia ist hellhäutiger und zarter als die meisten Nica-Frauen. Ich schätze, dass sie im fünften oder sechsten Monat schwanger ist. Sie wartet, bis ihre StudentInnen, alle bereits in der Praxis stehende LehrerInnen, die von weit hergefahren sind und in einem der Klassenräume übernachtet haben, den Raum füllen. Als ca. 35 bis 40 da sind - 70 sollten kommen -, beginnt sie ihren Unterricht mit einem Ritual, das jeder Stunde vorangeht. Von einer Liste ruft sie alle einzeln auf. Wer da ist, sagt „presente“ und wird abgehakt. Im Laufe der Vorlesung trudeln noch weitere zehn bis zwölf Studierende ein. Langsam wird’s eng im Raum. Gott sei Dank hat er statt Fenstern nur Öffnungen in der Wand - da kann man zumindest noch atmen.

Jetzt wird’s inhaltlich: Cecilia teilt vervielfältigte Blätter aus. Darauf stehen die Ziele der Woche:
1. Prinzipien kennenlernen, die den Unterrichtsprozess bestimmen; diese Prinzipien adäquat auf die Praxis umlegen können.
2. Kenntnis von Methoden und Medien des Unterrichtens erweitern.
3. Die Bedeutung der Medien für den Unterricht einschätzen können.
4. In Lehrsituationen die didaktischen Prinzipien und Methoden des Unterrichts anwenden können.
Hm, denke ich, das klingt merkwürdig vertraut. Auf dem vervielfältigten Blatt folgt dann eine klassifizierende Aufstellung subjektneutraler Lehrverfahren, die ich als technokratische Lehrstrategie bezeichnen würde. Hier schien mir wieder einmal der über Kuba vermittelte Herr Klingberg aus der DDR durchzulachen.
Companero Klingberg, so fürchte ich, ist gerade dabei - ob er will oder nicht -, Nicaragua neu zu kolonisieren.
Entsprechend war der Unterricht: eine gelungene Inszenierung all dessen, was alle radikalen Schulkritiker seit mehr als 20 Jahren ebenso wortgewaltig wie erfolglos an den Pranger stellen. (Larcher 1992, S. 60 f.)

Das seltsamste, eigentlich schockierendste Erlebnis von allen wiederholte sich immer wieder im ganzen Land, wo immer ich hinkam. Es war eine ganz seltsame Erfahrung: Überall, selbst an den belebtesten Straßenkreuzungen, rannten kleine Kinder mit Bauchläden mitten in die Kreuzung hinein, um einem verkehrsbedingt wartenden Autofahrer blitzschnell eine Packung Zigaretten oder Kaugummi zu verkaufen. Da die nicaraguanische Währung, der Cordoba, damals weit weniger Wert hatte als zum Beispiel die italienische Lira, muss man alle Preise in Tausendereinheiten ausrechnen. Dazu kam noch, dass die Inflation rasend schnell galoppierte: Alle drei Tage stiegen die Preise um hunderte von Cordobas. Die kleinen Straßenkinder, manche von ihnen kaum älter als 5 oder 6 Jahre, schleppten in Plastiksäcken zig-tausende von Papiercordobas und trugen im Kopf den jeweils letzten Preis der Waren.
Wenn sie mitten in der Straße tatsächlich beim Verkaufen Erfolg hatten, mussten sie in Sekundenschnelle dem Fahrer Geld wechseln. Wenn er mit zum Beispiel mit zehntausend Cordobas zahlte, mussten sie ihm blitzschnell richtig auf einen Preis von, sagen wir 9.300 Cordobas Wechselgeld herausgeben. Ich bewunderte jedesmal diese kleinen Verkaufsgenies und Rechenkünstler.

Den Schock hatte ich dann immer in der Grundschule, wenn die Kleinen im Mathematikunterricht - ganz genau nach europäischen didaktischen Vorschriften - den Zahlenraum zwanzig nicht überschreiten durften, weil die Entwicklungspsychologie festgestellt hat, dass Kinder ihres Alters angeblich nicht über den Zahlenraum zwanzig hinaus denken könnten. Oder wenn ich solche Kinder beim Lehrausgang auf den Straßen erblickte: im Gänsemarsch, eines hinter dem anderen, das hintere jeweils seine Hände auf den Schultern des vor ihm trippelnden, vorne, hinten und seitlich die Lehrerinnen, um die Kinder vor eben jenen Gefahren zu schützen, die ihnen von ihrem Job her bestens vertraut sind, vermutlich sogar besser als den Lehrerinnen.

Alle drei Schocks waren im Grund mein Begegnen mit der eigenen Kultur, verzerrt durch die Verfremdung: Die schwarze Pädagogik, der dunkle Schatten des Projektes der europäischen Aufklärung der Befreiung des Menschen zu sich selbst, des Ausgangs aus selbstverschuldeter Unmündigkeit, dieser dunkle Schatten der Domestikation, der Infantilisierung, der Klientelisierung und des Abhängigmachens, angeblich im Dienste der Unabhängigkeit und der Freiheit und der Selbstbestimmung, diese schwarze Pädagogik, der zu entkommen ich durch meine weite Reise in das Land der Revolution zu entrinnen gehofft hatte, dieses Erbe Europas traf mich unverhofft dort, wo ich es am wenigsten vermutete.

Die Ausbreitung Europas auf die Dritte Welt lachte mir entgegen in Gestalt von operationalisierten Lernzielen, autoritären Sitzordnungen, verdrängten Traditionen.
Wenn ich trotzdem das Gefühl hatte, dass in Nicaragua tatsächlich positive Traditionen der lateinamerikanischen Bildung aufgenommen worden waren, dann immer dort, wo vermittelt ausgerechnet über österreichische Kulturarbeiter, Paolo Freires Konzepte oder mexikanische Konzepte einer Bildung von unten Gestalt gewonnen hatten und wo mit einer Pädagogik der Befreiung dem Eurozentrismus ein Schnippchen geschlagen wurde.


Eine Passage zwischen Managua und Klagenfurt ...
Ein Interview mit Christof Subik.

Zur Entstehung der Wandmalerei „Die Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“
(La Solidaridad es la Ternura de los Pueblos) von Leonel Cerrato und seinen Klagenfurter Helfern im Quelledurchgang Klagenfurt im Mai 1989.

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Natürlich erinnere ich mich! Wie so oft, war es Helmut Stockhammer, der die Sache ins Laufen gebracht hat. Er hat vom Nicaraguakomitee in Wien erfahren, dass ein oder zwei Muralistas, Wandmaler aus Nicaragua, nach Österreich kommen würden, um an möglichst vielen Orten gemeinsam mit den jeweils dort ansässigen Freunden des nicaraguanischen Volkes Wandmalereien auszuführen, an öffentlichen Plätzen, sodass mit diesen Malereien die Solidarität mit dem nicaraguanischen Volk ihren sichtbaren Ausdruck fände.
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Die Idee hab ich gut gefunden, nur hab ich zuerst eingewendet, dass ich so was noch nie gemacht habe, dass ich keine Erfahrung damit hätte usw. Aber das hat er nicht gelten lassen, hat nur gesagt, Du kannst malen, der Gerhard malt auch, Lucinda ist Dekorateurin, vielleicht will noch jemand von Deinem Malkurs mitmachen, mit den Wänden kennen sich schon die Wandmaler von drüben aus, ihr sollt ja nur helfen. Also hab ich ja gesagt, wir werden ja sehen, ob es überhaupt zustande kommt.
Und plötzlich ist es konkret geworden. Am Samstag kommt Leonel Cerrato an, der bringt schon die Zeichnung mit, und Montag geht es los.
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Ja, vorher musste natürlich der Platz bestimmt werden. Ich weiß nicht mehr, wer vom Komitee das gemacht hat, eine Freundin ist erst einmal zur Stadt gegangen und hat nach einer öffentlichen Wand gefragt, ich glaube Helmut hat auch mit dem Rektor wegen einer Wand am Institutstrakt der Uni verhandelt, aber da war das Problem der Kosten. Die Wandmalerei sollte gesponsert werden, d.h. es sollten Material-, Gerüst- und Aufenthaltskosten für den Künstler unabhängig von einem Honorar aufgebracht werden, das für österreichische Verhältnisse sehr niedrig, aber für die nicaraguanischen Künstler ein Halbjahres- oder Jahreseinkommen darstellen sollte.
Ich weiß die Zahlen nicht mehr, aber ich glaube, alles in allem hat das über 100 m2 große Wandbild keine 40.000 öS gekostet, die soviel ich weiß, bzw. erinnere, vom Quelle-Kaufhaus aufgebracht wurden. Vielleicht hat es noch einen Zuschuss von der Stadt gegeben. Ich weiß ja nicht einmal mehr, wie die Idee mit der Wand im Quelledurchgang zustande gekommen ist, ich weiß nur noch, wir hatten für die Uniwand schon wegen der Kosten für das dort nötige Gerüst resigniert.
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Der Kaufhausdirektor hat eine sehr handfeste Rechnung aufgestellt: „Wir müssen die 25 Meter lange, weiße Wand alle paar Monate frisch streichen lassen; das kostet jedes Mal ein paar Tausender, je nach dem, womit sie beschmiert ist. Das Weiß fordert die Sprayer einfach heraus und kaum hat einer angefangen, ist im Nu die Wand voll. Und wenn da ordinäre Sprüche drauf sind, ist das schlecht fürs Geschäft, dann müssen wir schnell reagieren. Ich hätte ja noch Glaskästen gemacht, aber die müssen von der Zentrale bewilligt werden.“
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Ja, die Leute von der Quelle, vom Herrn Direktor , über die Damen von der Dekorationsabteilung, bis zur Buffeteria, wo wir Freigetränke bekamen, waren sehr freundlich. Schwieriger , aber oft auch lustig, war es mit den Passanten. Wir mussten die bereits erwähnten Farbschichten abwaschen, bevor wir mit der Vorzeichnung beginnen konnten. Dabei kamen die Spraysprüche zum Vorschein und irritierten die Passanten. Aber sie beruhigten sich deutlich, sobald sichtbar wurde, dass hier realistische Kunst, d.h. erkennbar menschliche Figuren dargestellt werden sollten.
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Ich glaube, mit dem Abwaschen der Wand haben wir gleich nach der Besichtigung gemeinsam mit Leonel Cerrato begonnen. Er hatte noch keine Zeichnung, entweder hatte er den falschen Plan von der Wand oder gar keinen bekommen, so genau weiß ich das nicht mehr. Jedenfalls hat er sich gleich hingesetzt und einen sehr kleinen Entwurf als Aquarell angefertigt. Ich hätte nie gedacht, dass er das so schnell schafft und keinen 1:1 Karton braucht. Zwei Tage - von 14 vorgesehenen - hat er dazu gebraucht. Einstweilen hatten wir mit der Vorbereitung der Wand begonnen: zuerst abwaschen, dann ausmessen und möglichst exakt ein Quadratnetz auftragen, das war die erste Etappe. Kaum war sein Entwurf fertig, sind für die Helfer vergrößerte Farbkopien angefertigt worden, drei mal je ein A4 Blatt für die ganzen 25 Meter.
Inzwischen ist auch schon der Acryllack eingekauft worden; mit Salatsteigen und Joghurtbechern für die Farbe wurde der Malprozess vorbereitet. Aber ich greife vor.
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Das Wichtigste war, dass wir uns sehr exakt an den Entwurf halten sollten. Ich weiß nicht mehr, ob wir einen oder zwei Gerüstwagen hatten, jedenfalls konnten nicht alle gleichzeitig drauf arbeiten. Wir waren zu Beginn etwas ängstlich: Wie von mehreren Seiten anfangen? Man musste die Kästchen auszählen und jeweils nur die darin sehr abstrakt wirkenden Linien an die Wand übertragen, und manchmal ergab das bizarre Verzerrungen der Figuren; natürlich ist auch vorgekommen, dass ein Kästchen an der falschen Stelle begonnen wurde. Dabei ging es zuerst nur um die Vorzeichnung .
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Ja, da hab ich eigentlich dann am meisten mit meiner Malerfahrung helfen können. Natürlich nie so groß, hab ich doch solche Quadratvergrößerungen seit der Akademiezeit immer wieder gemacht, und ich bin auch auf die Veränderungen, die eine Zeichnung beim Vergrößern erfährt, besser eingestellt gewesen; man neigt dazu, als Anfänger überhaupt, sich im Maßstab zu verschätzen und meistens kleiner, oft aber auch größer zu werden als auf dem Entwurf.
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Damit zu spielen würde mich reizen; aber bei diesem Projekt fehlte dazu die Zeit. Wir waren Leonel dankbar für seine handwerkliche Disziplin und Sicherheit, aber dafür war auch der Rahmen sehr eng abgesteckt. Eine Figur, eine von den ganz großen, fast die vollen vier Meter Höhe einnehmenden, wollte, in Einzelquadrate genau nach Entwurf aufgeteilt und übertragen, nicht und nicht stehen; sie schien immer nach vorne zu kippen. Meiner Meinung nach lag das an einer quasi „ägyptischen“ Haltung der Figur: der Oberkörper von vorne aus dem Bild schauend, die Beine dagegen parallel im Profil, also von der Seite gesehen. Als sie auch nach mehreren Versuchen immer noch nach vorne zu stürzen schien, löschte ich die Zeichnung - wir arbeiteten mit Holzkohle, die vor dem Ausmalen mit Acryllack weggelöscht wurde -, während Leonel am anderen Ende der Wand beschäftigt war und baute die Figur, ohne mich um den Entwurf zu kümmern, neu auf.
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Das ist eine wichtige Frage! Die Zeichnung schaute natürlich zuerst sehr uneinheitlich aus. Man merkte die vielerlei Handschriften. Die Vereinheitlichung erfolgte dadurch, dass Leonel zunächst eine schwarze, oder sehr dunkelbraune Kontur über die Zeichnung legte. Dabei rhythmisierte er dort, wo die Übertragung zu steif oder holprig geworden, vereinfachte auch zuweilen, wo er auf dem Entwurf doch zu sehr ins Detail gegangen war, und korrigierte eben auch , wenn seine Assistenten besser sein wollten als er: als ich von der Mittagspause zurückkam, war meine Frauenfigur wieder zurechtgerückt. Durch meinen Eingriff, behaupte ich, steht sie zwar jetzt, statt nach vorne zu fallen, aber die Seitenansicht der Füße hat Leonel wiederhergestellt. Ursprünglich waren auch viele der Figuren, die auf seinem Bild auf einem Marktplatz zusammenkommen, barfuß, aber dann, vielleicht weil er gesehen hat, dass bei uns niemand ohne Schuhe mitten in der Stadt herumläuft, hat er fast allen Figuren Schuhe angezogen.
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Die Farben sollten möglichst genau mit denen seines Entwurfs, die natürlich durch die Farbkopie auch noch verzerrt waren übereinstimmen. Wo immer möglich , hat Leonel beim Ausmischen der Farben geholfen, technische Tipps gegeben - so unterschätzt man natürlich zunächst die Mengen, die beim Malprozess draufgehen, trotzdem hat er ziemlich genau die Kontrolle behalten.
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Ja, zwischen den schon mit schwarzer Farbe angegebenen Konturlinien sollten die Flachen flach ausgemalt werden, wer sich’s zutraute, durfte auch Höhungen in heller als der jeweilige Lokalton oder Farbschattenpartien anbringen. Natürlich gibt es mehr exakt gemalte und mehr großzügig angefärbelte Partien, aber ich hab mit Erstaunen zugesehen, wie gut es Leonel verstanden hat, dem ganzen einen einheitlichen Rhythmus zu verleihen.
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Wir standen unter einem furchtbaren Zeitdruck. Ich hab ja geglaubt, mich verhört zu haben, als ich von den zwei Wochen projektierter Mal-Zeit gehört hatte. Aber er hat durchgehalten. Höchstens um ein, zwei Tage überzogen, um noch mit bestimmten stärkeren Schatten den Figuren mehr Plastizität zu geben, oder an manchen Stellen mit Lasuren die Farbakkorde zu vollenden. Aber das war schon nach dem offiziellen Eröffnungstermin, an dem das Solidaritätskomitee für Nicaragua in der Passage ein Fest geplant hatte. Ich hätte nie geglaubt, dass wir diesen Termin würden halten können. Aber all die 25 Meter waren bemalt.
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Mit weniger Leuten als zu Beginn. Einige vom Komitee hatten ja bereits mit den Festvorbereitungen zu tun und wie nunmal ist, es gab einige, denen das Fest wichtiger war als sein Anlass. Es wurde auch ein schönes Fest, mit dem Bürgermeister als Festredner, mit Musik und Getränken. Ich weiß nur noch, dass uns da auch noch die Quelle unterstützt hat. Ob der Herr Bürgermeister auch gekommen ist, weiß ich nicht mehr; wenn, ist er nicht sehr lange geblieben.
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Wir haben dann ein paar Wochen - oder war es erst ein halbes Jahr - später einen letzten ausgesparten Streifen Wand dafür benützt, die Legende über dieses Bild anzubringen. Das heißt über die Entstehung des Bildes; in etwa, ich zitiere aus dem Gedächtnis, wer will, kann ja gehen und nachlesen: Im Rahmen der Städtefreundschaft Managua Klagenfurt malte der nicaraguanische Maler Leonel Cerrato gemeinsam mit den Kärntner Freunden ... das Bild „La Solidaridad es la Ternura de los Pueblos“ und widmet es der Bevölkerung von Klagenfurt.
Und wir haben uns auch noch einmal bei der Quelle bedankt.
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Leonel ist bald weiter gefahren, nach Graz , wo er eine Wand vom Augartenkino bemalt hat und nach Salzburg. Der Mann hatte ganz schön viel Power. Und er hat uns angesteckt mit seinem Elan. Leider ist es zu weiteren Kooperationen nicht mehr gekommen, aber ich würde jederzeit wieder so etwas machen wollen, natürlich lieber mit mehr Zeit , wo aus der interkulturellen Begegnung auch künstlerisch etwas ganz Neues sich entwickeln könnte. Aber es hat auch Spaß gemacht, bei der Realisation einer fremden Konzeption einfach dabeizusein und mitzuhelfen.


Partnerschaft zwischen der UCA Managua und der Universität Klagenfurt im Feber 1994
Ein Bericht von Ivan Rodriguez ans BMWF

Teilnehmer: Dr. Helmut Stockhammer (Leitung, Inst. f. Philosophie), Armin Ploner (EDV-Zentrum), Martin Schöffmann (UNIKUM), Mag. Ivan Rodriguez Chavez (Inst. f. Romanistik), alle Universität Klagenfurt.

1. Ziel der Reise
Ziel der Reise war bereits bestehende Kontakte zu erweitern sowie die Kooperation der beiden Universitäten fortzuführen.

1.1. Workshop - Videodokumentation
Gemeinsam mit Dr. Stockhammer gestalteten wir einen Ausbildungslehrgang für Hochschullehrer und Studierende. Einsatz von Video zur Vertiefung der Forschungsarbeit, die die Studienrichtung „Sozialarbeit“ in verschiedenen sozialen Sektoren leistet. Die Lehrveranstaltung wurde von HochschullehrerInnen, StudentInnen und SozialarbeiterInnen besucht. Sie war auch als Unterstützung für Studierende gedacht, die ihre Praktika in der Fachrichtung Sozialarbeit absolvieren.

Der Workshop wurde von ca. 20 HörerInnen absolviert, von denen vier Vorkenntnisse aus dem Lehrgang 1987 bei Dr. Stockhammer aufwiesen und Erweiterung ihrer Kenntnisse anstrebten. Die anderen TeilnehmerInnen erwarben Grundkenntnisse in Videoaufnahmetechniken.
Die Lehrveranstaltung wurde an vier Nachmittagen im Plenum an der UCA abgehalten, vormittags standen wir interessierten HörerInnen mit den Geräten zu Übungszwecken zur Verfügung. eine Schwierigkeit betraf die verschiedenen Fernsehsysteme in Amerika und Europa. Wir kauften an Ort und Stelle auf „diplomatischem“ Wege eine Videokamera, deren Aufnahmen auf amerikanischen Monitoren abspielbar sind. Sie wurde am Ende des Workshops der Fakultät für Sozialarbeit gestiftet.
Die Videokamera, die wir von der Universität Klagenfurt mitbrachten, diente Übungszwecken.
Der Workshop schloss mit einer Prüfung. Die TeilnehmerInnen erhielten ein Zeugnis, das von der UCA vorbereitet war. Die Unterrichtssprache war Spanisch.

1.2. Beratung des EDV-Zentrums der UCA
Armin Ploner erkundete die Möglichkeiten einer Vernetzung der PC-Anlagen der einzelnen Institute und der Bibliothek. Die Probleme, Vorschläge und weiterführende Arbeit entnehmen Sie bitte seinem Bericht. Ich möchte nur erwähnen, dass es grundlegende Probleme und Mankos zu lösen gibt, die von der einfachen Stromversorgung bis zur Finanzierung reichen.
In diesem Zusammenhang führten wir mehrere Gespräche mit Pater Javier Lasera, administrativer Vizerektor der UCA, D.I. Pater Julio de la Fuente, Direktor des Elektronikzentrums, D.I. Ramiro Bermudez Mallol, Dekan der Fakultät Betriebswirtschaft, Lic. Sergio Torres, Leiter der Informatikabteilung. Die Gespräche Michele Najlis: Cantos de Ifigenia wurden auf Spanisch und Englisch geführt.

1.3. Gespräche in Hinsicht auf weitere Kooperationsvorhaben
Diese fanden statt mit Lic. Melba Castillo, akademische Vizerektorin der UCA, Guiomar Talavera, Leiterin der Fakultät für Sozialarbeit (siehe Videomitschnitt), Michele Najlis, Leiterin der Kulturabteilung der UCA (siehe Videomitschnitt), Lic. Jessica Moreno V., Dekan der Fakultät für Fremdsprachen, Frau Beth Fuget, Englisch an der FakultŠt fŸr Fremdsprachen, Prof. Balbino Suazo M., Abteilung für Philosophie und Geschichte (siehe Videomitschnitt) sowie Lic. Marlene Cruz Romero, Präsidentin der SozialarbeiterInnen (siehe Videomitschnitt).

Im Rahmen des geplanten Kulturaustausches wird die Leiterin der Kulturabteilung der UCA, die Dichterin Frau Michele Najlis, im Mai 1994 Klagenfurt besuchen. Vorgesehen ist ein viertägiger Workshop „Poesie in Nicaragua“, der von Najlis und mir geleitet wird. Ferner beabsichtigen wir eine Lesung im Rahmen einer Festveranstaltung (10 Jahre „Kärntner Solidarität mit Nicaragua“ und „5 Jahre Partnerschaft Universität Klagenfurt und UCA Managua“) und ein Gespräch über Fragen von gemeinsamen Interesse zu organisieren. Außerdem wird Frau Najlis auch in Wien und eventuell in Salzburg vortragen.

Frau Prof. Talavera Ÿbernahm obgenannte Videokamera und sagte zu, diese anderen Fakultäten und sozialen sowie kulturellen Institutionen bei Bedarf zur Verfügung zu stellen.
Wir vereinbarten mit Frau Talavera ihren Besuch für Herbst 1994 in Klagenfurt im Rahmen eines akademischen Austausches. Der unter 1.1. genannte Videoworkshop soll in ihrer Fakultät an der UCA in den nächsten zwei Jahren durch uns eine Fortsetzung erfahren.

An der Fakultät für Fremdsprachen hielt ich einen Vortrag zum Thema „Das Problem der Sprachschranken“. Ausgehend von der sprachlichen Situation Österreichs und den Schwierigkeiten der Spanischsprachigen in Österreich beim Erlernen der deutschen Sprache konnte ich einen Vergleich zur ethnischen und sprachlichen Situation in lateinamerikanischen Ländern mit großem Anteil an indianischer Bevölkerung ziehen. Gewöhnlich genießt Spanisch ein höheres Prestige als die autochthonen Sprachen, sodass für eine Integration unbedingt die Bewältigung der Sprachschranken notwendig ist (siehe Videomitschnitt).

Ich übergab Frau Jessica Moreno V. Englischlehrbücher für die dortige Fakultät fr Fremdsprachen.

Frau Fuget informierte mich über die Aufgaben und Perspektiven der Abteilung für Fremdsprachen und überreichte auch ein Papier mit ihren Vorschlägen für die Entwicklung der Fakultät für Fremdsprachen, das sowohl eine Neuordnung des Übersetzungsstudiums wie auch u.a. eine Fachrichtung Lehramt Englisch vorsieht.

Herr Prof. Suazo informierte uns über Angebot, Lehrinhalte und Aufgaben der Fakultät für Philosophie und Geschichte. Eine prioritäre Aufgabe des Institutes ist die Erstellung von Lehrbüchern und die damit verbundene Forschung. Er überreichte uns zwei Lehrbücher von Mitarbeitern der Fakultät zur Identität und Geschichte Nicaraguas. Im Mai 1994 erscheint eine neue Publikation dieser Fakultät, die wir, wie auch die folgenden, (eventuell im Austausch) zu beziehen gedenken.
Vorschläge für mögliche Kooperationsprojekte, z.B. ein Kurs zur lateinamerikanischen Philosophie im Rahmen eines Dozentenaustausches, gedenkt er schriftlich nachzureichen.

Lic. Cruz Romero berichtete von der Sozialarbeit in einzelnen Gegenden Nicaraguas. Sie übergab uns eine Projektbeschreibung „Implementacion de cuentoteca“. Es handelt sich um die Einrichtung einer Bibliothek von Erzählungen und Märchen für Kinder, als Beitrag zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung. Man bedenke, dass es sich in Nicaragua um eine von Krieg und Naturkatastrophen malträtierte, zum Teil analphabetische Jugend handelt.

1.4. Aktivitäten außerhalb der UCA
Besuch der Bluefields Indian & Caribbean University (BICU), der ersten Universität Mittelamerikas an der noch ärmeren Karibischen Atlantikküste mit einem großen Anteil an indianischer und schwarzer Bevölkerung. Gespräch mit dem Rektor Dr. Owyn Hodgson Bladford. Die Universität ist eine Neugründung, 2 Jahre alt und hat 117 Studenten und vier Professoren. Zur Zeit verfügt diese junge Institution über fünf Fachrichtungen: Betriebswirtschaftslehre für Fischereiunternehmen, Meeresbiologie, Agronomie der feuchten Tropen, Öffentlichkeitsarbeit und Rechtswissenschaft. Dr. Hodgson führte uns auf den zukünftigen Campus, der auf einer Anhöhe in Bluefields gelegen ist.

Gespräch in Bluefields mit Herrn Francis Campbell, ein Mitarbeiter der FADCANIC (Fundación para la autonimía y desarrollo de la Costa Atlántica). Mit viel Idealismus plant die Stiftung für März 1995 die Gründung einer Universität mit dem Namen „Universidad de las Regiones Autónomas de la Costa Caribe de nicaragua“ (URACCAN) und die Errichtung von hauptsächlich vier Fakultäten: Fischerei, Forstwirtschaft, Montanwesen sowie ein Institut für Anthropologie, Soziologie und Autonomieprozesse. Herr Campell ist der Meinung, mit diesen Fakultäten den Bedürfnissen der Region gerecht zu werden. Eine Gesamtdarstellung des Projekts wurde bereits an die Montanhochschule Leoben weitergeleitet, um eventuell einschlägige Entwicklungshilfe für die Fakultät Montanwesen zu erhalten.

Kontakte mit Mitarbeitern des CIDCA (Centro de Investigatión y Documentatión de la Costa Atlíntica) in Bluefields. Ich erwarb die neuesten Publikationen, die sich mit den Problemen der Atlantikküste auseinandersetzen (Revista del Caribe Nicaraguense).

Gespräch mit Herrn Direktor Dieter Stadler, Leiter der Kulturstiftung „Casa de los tres mundos“ („Haus der drei Welten“) in Granada. Er informierte uns über die Aktivitäten der „Casa de los tres mundos“ und wir besprachen gemeinsam die Möglichkeit, eine Zusammenarbeit auf kultureller Ebene zwischen der UCA, dem Haus der drei Welten und dem Universitätskulturzentrum Klagenfurt (UNIKUM) durchzuführen.
Ein weiterer interessanter Kontakt zu spanischen Betriebswirten ergab sich in Managua. Lic. Fernando Mudarra Ruitz war ein Jahr an der UCA tätig und wäre bereit nach Klagenfurt zu kommen, um seine wertvollen Erfahrungen an unsere BWL-Studenten zu vermitteln, um sie auf diese Weise für diesen Kulturkreis zu interessieren und vielleicht den einen oder anderen für ein Praktikum in Nicaragua zu motivieren. Sein Nachfolger ist zur Zeit Lic. Fernando Rey Yebenes, der Koordinator des Abkommens ESADE-ETEA-UCA in Zusammenarbeit mit dem „Instituto de Cooperatión Iberoamericana“.

In Managua traf ich mit dem Dichter, Schriftsteller, Linguisten, Anthropologen, Revolutionär und Kenner der Atlantikküste, Carlos Aleman Ocampo, einer hervorragenden Persönlichkeit des nicaraguanischen Kulturlebens zusammen. Er ist Rubén Darío Preisträger 1993. Er bekundete großes Interesse im Rahmen unseres Projekts auch Klagenfurt zu kommen und eventuell zum Thema „La reconstrucción de los oficios entre los indígenas“ (Erforschung des indianischen Gewerbes) sowie zur Geschichte des Spanischen in Amerika zu lesen.

2. Allgemeine Bemerkungen
Ich möchte noch einmal gesondert auf die Armut des Landes und die dadurch resultierende Bescheidenheit von Anlagen und Ausstattungen sowie auf den niedrigen Lebensstandard der Menschen im Allgemeinen hinweisen. Zum Teil werden Mankos durch Improvisationstalent, Liebenswürdigkeit und niedrige Ansprüche wettgemacht. Viele Projekte können jedoch aus Mangel an Material und Personal nicht durchgeführt werden.

Wir waren allerdings von der UCA sehr gut untergebracht und wurden äußerst aufmerksam bedient. Das Haus war ständig bewacht und man stellte uns für unsere Freizeit sogar ein Auto bereit. Tief beeindruckt waren wir von der Schifffahrt auf dem Fluss Rio Escondido im Urwald, der in der zweisprachigen Hafenstadt Bluefields in die Karibik mündet.
Für detaillierte Auskünfte stehe ich gerne zur Verfügung.
Ivan Rodríguez Chávez, April 1994


Steckbrief; Sozialdaten; Geschichtliche Eckdaten

Nicaragua
Fläche: 118.358 km2 (eineinhalbmal größer als Österreich)
Bevölkerung: 3,8 Mio. (Mitte 1990)
Bevölkerungswachstum: 18,3 % (1985-1990)
Kinderzahl pro Mutter: 5,3 (Durchschnitt)
Ethnische Zusammensetzung: 69 % Mestizen, 14 % Weiße, 13 % Schwarze, Kreolen und Mulatten, 4 % Indianer
Sprachen: Amtssprache Spanisch; Umgangssprache Englisch (v.a. bei den Schwarzen der Ostküste); Indianersprachen
Religion: 95 % röm.-kath., Rest protestantische Religionen (v.a. Methodisten, Baptisten)
Staatsform. Präsidiale Republik
Frauenwahlrecht: seit 1955
Hauptstadt: Managua (1990: 1 Mio. EinwohnerInnen)
Verwaltungsgliederung: 16 Departementos, 134 Municipios (Bezirke)
Staatsgründung: 30. April 1838
Staatsoberhaupt: Staatspräsidentin Violeta Barrios de Chamorro


Geschichtliche Eckdaten
1500 v. Chr.: Auf der Isla de Ometepe lässt sich eine Besiedlung mit Feldbau und Töpferei nachweisen.
1522/23: Eroberung des heutigen Staatsgebietes durch spanische Truppen. Genozid an der indianischen Urbevölkerung sowie Versklavung und Verschleppung.
1821: Nicaragua und das übrige Mittelamerika erklären die Unabhängigkeit von Spanien und bilden eine Föderation.
30. April 1838: Auflösung der mittelamerikanischen Föderation. Nicaragua wird Republik.
Ab Mitte 19. Jhdt.: William Walker aus den USA und 58 weitere Abenteurer kommen nach Nicaragua. Walker ernennt sich zum Präsidenten des Landes und wird von US-Präsident Pierce anerkannt.
1912: US-Truppen besetzen Nicaragua und bleiben bis
1925: Der Ausverkauf des Landes an US-Gesellschaften führt zur Kontrolle ganzer Bereiche (Bergbau, Eisenbahn, Banken) durch das US-Kapital.
1927: Die USA erzwingen ein Ende des Bürgerkrieges zwischen Liberalen und Konservativen. Nur General Augusto César Sandino stimmt dem Friedensvertrag nicht zu und nimmt den Kampf gegen die US-Armee auf.
1933: US-Truppen verlassen das Land. Vorher Aufbau der „Guardia Nacional“. Ihr Oberbefehlshaber, Anastasio Somoza Garcia, reißt die Macht an sich.
21. Februar 1933: Sandino wird verschleppt und erschossen. Beginn er 45 Jahre dauernden Diktatur unter Somoza und seinen beiden Söhnen Luis und Anastasio II.
1961: Gründung der sandinistischen Befreiungsfront FSLN (Frente Sandinista de Liberacion Nacional). Blutiger Freiheitskampf, der ca. 50.000 Menschen das Leben kostet.
19. Juli 1979: Sturz Somozas (der in die USA flieht), Auflösung der Nationalgarde, Ausrufung des „neuen Nicaragua“.
25. Februar 1990: Allgemeine Wahlen. Ablösung der Sandinisten durch die nationale Oppositionsallianz (UNO).


Sozialdaten
Arbeitslosenrate: ca. 50-60%
Migration: Die Kriegshandlungen haben größere Flüchtlingsströme nach sich gezogen. Einerseits wurde Flüchtlingsströme aus El Salvador Zuflucht gewährt, andererseits sind viele NicaraguanerInnen in die Nachbarstaaten geflohen. Die Lage hat sich nach Beendigung des Contra-Krieges verschärft.
Inflationsrate: 27 % (1992); 781 % (1991), 13.490 % (1990)
Alphabetisierungsrate: 74 % (1993); 88 % (1983), 57 % (1971)
Lebenserwartung: 63 Jahre (1990)
Säuglingssterblichkeit: 56 von 1.000 Lebendgeburten (1990)
Müttersterblichkeit: 200 von 100.000 starben bei der Geburt des Kindes (1988)
Ärztliche Versorgung: 1 Arzt pro 1.500 EinwohnerInnen (1984)
Kalorienverbrauch/Tag: 2.425 (Durchschnitt) = 108 % des Bedarfs (1985)
Zugang zu sauberem Wasser: für 54 % der Bevölkerung (1988-90); für 46 % (1975-80)


Kärnten – Nicaragua: Versuch einer Chronologie (Helmut Stockhammer)

1984
Februar: 3 KärntnerInnen nehmen am Aufbau des agro-industriellen Projekts „Palma-Africana“ (Gemeinschaftshaus, Landesteg, Gerätehaus) in der Region Rio San Juan teil.
Im Frühjahr 1984 findet im Uni-Club der UBW Klagenfurt eine erste Videoveranstaltung mit dem von Ilse Wagner und Helmut Stockhammer hergestellten Film über die österreichische Arbeitsbrigade „Februar 1934“ statt. Titel des Films: „Sandino vive“.
Herbst : « Trauerarbeitsplätze I »
Ilse und Helmut Stockhammer zeigen ihre Performance „Trauerarbeitsplätze“ in der Galerie Hildebrand, in welcher sie mit verschiedensten sprechenden Oberfläche4n: Videograbstein, Familienalbum, Staubsauger, Pass (abgelaufen), Baumwolle aus Nicaragua... versuche, psychische und soziale Vorgänge auszulösen, die es ermöglichen, den Verlust von Beziehungsobjekten zu verarbeiten. Einen Platz des Werks nehmen die Erfahrungen in Nicaragua ein.
Gründung des Vereins „Gründung des Vereins „Kärntner Solidarität mit Nicaragua/Koroska solidarnost z Nikaragvo“.
Lehrveranstaltung von Marie Langer über das Projekt „Salud mental“ in Nicaragua.
Beginn der Einfädelungen lateinamerikanischer Kontakte am Institut für Psychologie durch Johannes Reichmayr und Klaus Ottomeyer.


1985
Mai: „Unterstützt jetzt Nicaraguas Überlebenskampf.“ Sammlung für medizinische Ausrüstung.
Janko Messner organisiert eine Kunstauktion für Nicaragua, bei der Werke von Valentin Oman, Anton Repnik, und vielen anderen, v.a. slowenischen Künstlern versteigert werden. Der Erlös dieser Veranstaltung beträgt unglaubliche 14.000 US-Dollar und wird dem Kulturministerium in Nicaragua übergeben. Das Geld wird zur Förderung der Kulturen der Volksgruppen der Pazifik- und Atlantikregion in Nicaragua verwendet.

Projekt „San Jeronimo“: In San Jeronimo, 30 km von Condega, einem 9000 Einwohner zählenden Dorf im Norden Nicaraguas, soll ein Dorf wiedererrichtet werden. Das Dorf lebt vom Kaffee-Anbau, liegt im Kriegsgebiet und wurde bei einem Angriff der Contras am 16. Mai 1984 niedergebrannt. Die Hälfte der 67 Campesinos ist meist nur zur Verteidigung abgestellt und fällt somit für die Kaffee- Produktion aus. Speziell unterstützt wird der Bau eines Kinderhauses, da die meisten Frauen in San Jeronimo an Anbau und Pflege der Kaffeesträucher teilnehmen müssen um den Lebensunterhalt zu gewährleisten.
Weiters wurde für eine Schule in der Siedlung El Naranjo, die zur Kooperative San Jeronimo gehört, gesammelt. Etliche KärntnerInnen waren bei diesem Projekt im Arbeitseinsatz.
Dia-Vorträge von Angelika Pichler, Barbara und Peter Putz. Ausstellung von Peter Putz.
Eine Kunstauktion der Slowenischen Volksgruppe erbringt 63.000 öS plus 20.000 öS der Kärntner Landesregierung.

1986
Herbert Brunner: „Nicaragua 86. Diavortrag und Diskussion“. Vorher zeigt die AG-Mediendidaktik des philosophischen Instituts vier neue Filme von Leo Gabriel.
Abhaltung einer Pressekonferenz mit dem Botschafter Nicaraguas in Österreich.
El Salvador-Veranstaltung im Bierjokl Demonstration vor dem Weißen Haus im Minimundus gegen den 100-Millionen-Dollar-Kredit Reagans für die Contras.
Ein Spendenaufruf zur Unterstützung der Waisenweihnacht in Managua erbringt 10.000 öS, die am Heiligen Abend ca. 3000 von Contras zu Waisen gemachten Kindern zugute kommen.
„Schulpartnerschaft HBLA Pitzelstätten - Landwirtschaftsschule Muy Muy“. Unter der Leitung von Prof. Maria Truppe wird 1987 erstmals eine Sendung mit Papier und Lehrbehelfen nach Muy Muy gesandt. Etwa 80% der Schülerinnen verpflichten sich, monatlich 10 öS für neue Sendungen zu spenden.
Eine nicaraguanische Delegation (Maria Ramirez Mercado, Vizeministerin für Soziales, Adilia Maya, Direktorin des Nationalen Jugendamtes, Sigmund Kripp, Berater im nicaraguanischen Sozialministerium) besucht Klagenfurt und trifft auf Vermittlung des Vereins u.a. mit Landesrat Rudolf Gallob, Rektor Bodenhöfer und Vzbgm. Kurt Peterle zusammen.
„Fiesta Sandinista“ mit dem Trio „Matatigre“ und Medikamentensammlung.
Peter Kaiser referiert über „USA - Das Weltgewissen“.
Helmut Stockhammer spricht im Bierjokl über „Das Spinnennetz der CIA“.
Der nicaraguanische Botschafter Ivan Mejia-Solis spricht auf Einladung des Vereins „Zur aktuellen Lage in Nicaragua“, anschließend Fiesta.

1987
Konstituierende Sitzung der Arbeitsgruppe: „Kooperation UBW Klagenfurt - Universidad Centroamericana Managua (UCA)“.
Magistrat Klagenfurt widmet 5.000 öS einem Projekt zur Betreuung von Waisenkindern.
Juni: „Nicaragua mi amor“ von Dietmar Schönherr im Hörsaal 1 der UBW.
Helmut Stockhammer leitet einen Kurs an der UCA, dessen Ziel die Vermittlung der technischen, sozialwissenschaftlichen und pädagogischen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Videodokumentation ist. Finanziert durch in Kärnten gesammelte 40.000 öS können sie die technische Ausrüstung dafür - einen Sony- Camcorder, einen Betamax-Heimvideorecorder und einen Fernsehapparat - der UCA übergeben.
„Medienkoffer Nicaragua“: Dieser Medienkoffer ist seit der Entwicklungspolitischen Woche 1987 an den verschiedensten Schulen und Erwachsenenbildungsinstitutionen in Kärnten im Einsatz. Er umfasst grundlegende Informationen, Stundenbilder, einen Diavortrag, Schaubilder, Berichte von Lehrern und Videos. In einer halbtägigen, vom Pädagogischen Institut (PI) und der Universität für Bildungswissenschaften (UBW) sowie dem österreichischen Informationsdienst für Entwicklungspolitik (YIE) durchgeführten pädagogischen Tagung wurden Entstehung, Inhalt und bisherige Erfahrungen mit dem Einsatz des Medienkoffers diskutiert. Der wohl schönste Erfolg der Bildungsarbeit mit dem Medienkoffer bestand darin, dass sich an einer Klagenfurter Schule unter der Leitung von Gerhard Hammerschmied eine Videogruppe konstituierte, die das zahlreich vorhandene Videomaterial zu Zentralamerika sichtete, eigene Befragungen in Klagenfurt durchführte und aus dieser eigenen Video- und Schnittarbeit einen Videofilm komponierte, der bei einem Preisausschreiben des YIE auch preisgekrönt wurde.
Das Thema der 7.Entwicklungspolitischen Woche 1987: „Mittelamerika und wir“
Doz. Gerhard Drekonja hält den Eröffnungsvortrag:
„Die US-Politik in Mittelamerika - Herausforderung für Europa?“ Seine These ist, dass die hysterische Angst der USA vor einem Ausscheren mittelamerikanischer Länder nach dem Vorbild Nicaraguas eher sicherheitspolitischen denn wirtschaftspolitischen Überlegungen entspringt. Angesichts der amerikanischen Politik habe Europa die Verpflichtung, korrigierend einzugreifen.
Vortrag von Dr. Georg Grünberg zum Thema: „Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe“. Der Ethnologe und Entwicklungshelfer mit 15 Jahren Lateinamerikaerfahrung sieht in der europäischen Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe weitgehend eine Weiterführung des Kolonialismus.
Videovorführung: „Den Armen eine Chance. Sozialarbeit in Nicaragua.“ Diese Videodokumentation zeigt die Sozialarbeit mit Straßenkindern in Managua.
S. Kripp spricht über die Reformen im Agrar-, Gesundheits- und Erziehungsbereich seit der nicaraguanischen Revolution. Die Sandinisten hätten in diesen Bereich quasi bei Null anfangen müssen, weshalb europäischen Hilfsorganisationen eine wichtige Rolle zukomme. Als Vorbild nannte Kripp den Verein „Kärntner Solidarität mit Nicaragua“, der durch die Mitarbeit am Bau eines Kindergartens durch Kärntner Freiwillige in San Jeronimo ein großartiges Beispiel geliefert habe.
Der Verein unterstützt die Arbeit Kripps, der versucht, Kindern den Besuch von Schulen zu ermöglichen, die darauf angewiesen sind, sich mit Schuhputzen, Lastentragen, Autowaschen, Kaugummiverkaufen und Betteln Geld zu verdienen.
Workshops für Lehrer mit dem Pädagogischen Institut, Veranstaltungen mit Schulklassen. In der KHG Workshop über christliche Basisgemeinden, die im Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung durch Kapital und Staat sind. Festliche Abschlussveranstaltung unter Teilnahme des Botschafters von Nicaragua, Ivan Meija-Solis, Diavortrag Erwin Heller.
Lesung von Heino Fischer und Janko Messner. Anschließend Fest mit der Gruppe „Nicos Jaritz & Band“.
April: Solidaritätsaktion für Nicaragua von Jugendorganisationen und Aktionsgruppen, Informationsstunde, Musik und Kundgebung. Neuer Platz.
Durchführung einer Veranstaltung zum Thema „Eine Schule für San Jeronimo“.
Vortrag über den Radiosender „San Carlos“ von Connie Zürl. Vortrag über die Außenpolitik Nicaraguas von Peter Luscher.
Veranstaltung mit Ossy Lehner über seine Arbeit in Nicaragua. Sammlung.
Leo Gabriel spricht im Tainacher Bildungshaus über seine Erfahrungen als Journalist in Mittelamerika.
Podiumsdiskussion zum Thema „Österreichs Außenpolitik und Nicaragua“ mit Erwin Heller (Vorsitzender der Nica-BrigadistInnen), NAbg. Heribert Steinbauer (ÖVP), NAbg. Peter Pilz (Grüne), NAbg. Günter Dietrich (SPY) u.a.
Briefaktion: „Herr Handelsminister, Sie kümmern sich nicht die Bohne um mehr Handelsbeziehungen zu Nicaragua, warum bloß nicht?“
Informations- und Diskussionsabend: „Probleme Nicaraguas am Beispiel der Region Condega“ mit Bürgermeister Ermen und Sissy Reinthaler.

1988
Bericht von Helmut Stockhammer an das BMWF über seinen UCA-Kurs 87: „Audiovisuelle Forschung, Lehre und interkulturelle Entwicklung von aktiven Mediatheken mit besonderer Berücksichtigung der Kooperation Universität für Bildungswissenschaften (UBW) Klagenfurt-Universidad Centroamericana (UCA) Managua“.
Der Kärntner Landeshauptmann subventioniert den Verein mit 10.000 öS.
Ein Weihnachtsbasar in Villach, organisiert von Familie Prünster und Gerhard Kuchling, bringt 18.388 öS für Schulstipendien für Straßenkinder in Managua.
Pressekonferenz mit Leo Gabriel und Gerhard Hammerschmied.
Der Fernsehsender Tele Uno bringt in einer Jugendsendung einen 20-minütigen Videofilm über die „Brigade Februar 1934“ von Helmut Stockhammer und Ilse Stockhammer-Wagner.
Gesamtösterreichisches Nicaragua-Solidaritätstreffen in Klagenfurt.
In jedem Stadtteil von Managua soll ein Zentrum für Sozialarbeit entstehen. Die Kosten dafür betragen 5.000 US-Dollar plus jährliche Betriebskosten von 1.500 US-Dollar. In Kärnten werden 70.000 öS gesammelt und diesem Projekt zur Verfügung gestellt. Mit der Übernahme aller 11 Sozialzentren durch norwegische Institutionen ist das Projekt abgeschlossen. Das Geld ergeht daher an das Filmprojekt über Sozialarbeit in Managua.
Das Thema der 8.Entwicklungspolitischen Woche 1988: „Lateinamerika und wir“. Der Rektor der UCA Managua, Cèsar Jerez, nimmt auf Einladung von Rektor Günther Hödl an der Entwicklungspolitischen Woche 1988 teil. Übergabe des Briefs des Bürgermeisters von Managua an unseren Bürgermeister (Angebot der Städtepartnerschaft seitens Managua).

„Städtefreundschaft Klagenfurt-Managua“
Nach einem informativen Treffen mit Vertretern der Städte Salzburg, Linz und Wels, die jeweils mit den Städten Leon, San Carlos und Chichigalpa eine Städtepartnerschaft betreiben, nimmt das Komitee mit Bürgermeister Leopold Guggenberger Kontakt auf mit dem Bestreben, eine Städtepartnerschaft Klagenfurt- Managua ins Leben zu rufen. Villacher und Klagenfurter Jugendorganisationen unterstützen dieses Vorhaben.
Im Mai lehnt der Klagenfurter Bürgermeister eine solche Städtepartnerschaft aus politischen Gründen ab, spricht sich aber für freundschaftliche Beziehungen und humanitäre Hilfe aus. Der Bürgermeister unterzeichnet die Beitrittserklärung zur Städtefreundschaft.
Keine Antwort des Bürgermeisters nach Managua.
Peter Putz entwirft ein Städtefreundschaftspickerl.
Im Rahmen der Städtefreundschaft Klagenfurt-Managua übernimmt Sigmund Kripp die Verantwortung für das Projekt „Sozialstation“: Die Aufgaben dieser Stationen sind u.a.: Gemeinwesenarbeit, in welcher die Probleme des Stadtteils gemeinsam mit seiner Bevölkerung erkundet und Lösungsstrategien erarbeitet werden, Prävention auf dem Gesundheitssektor durch verstärkte Erziehung zur Hygiene, Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität durch Arbeits- und Freizeitprogramme, Erwachsenenbildung und Familienberatung.
Veranstaltung „Psychosoziale Versorgung in Nicaragua“. Ein Bericht der Wiener Psychoanalytikerin Erika Danneberg, die für längere Zeit am Aufbau eines psychosozialen Versorgungssystems in Nicaragua mitarbeitete.
Oktober: Tanztheater von Rudi Rohde.
Im Gedenkjahr 1988 erlaubten wir uns, anlässlich der Verleihung des Kulturpreises der Stadt Villach an den Journalisten Fritz Sitte durch Bürgermeister Manzenreiter den einmaschierenden Herren (Manzenreiter, Sitte, Kirchschläger, Wagner, Stritzl) ein Ständchen („Alte Kameraden auf den Kriegespfad...“) zu bringen.
(Dieselben Herren trommeln selbstverständlich derzeit für den Beitritt Österreichs zur Festung EU.)
Weiters überreichten wir folgendes Gratulationsschreiben, das im Wesentlichen auf Zitate des Villacher Kulturpreisträgers anspielte:
GRATULATION !
Andere, verweichlichte und selbstzerstörerische Kräfte in unserem Volk missbrauchten das „Gedenkjahr“ 1938 / 1988 um unser gesundes Volksempfinden zu untergraben. „Novemberprogrom“ statt Reichskristallnacht war die Parole. Nicht so in Villach. GOTTSEIDANK! Villach blickt nach vorne und verleiht Dir, lieber Kamerad, den Kulturpreis. Ein mutiger und notwendiger Schritt in einer Zeit, in der die Bedeutung des Begriffs „Rasse“ so umstritten ist. Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen. Seien wir doch ehrlich:
* Es geht auf die Dauer nicht mehr, dass die eine Hälfte der Menschheit arbeitet und produziert, damit sie die andere, hungernde Bevölkerungshälfte der Erde durchfüttert.
*Schwarze haben nun einmal ein gestörtes Verhältnis zu technischen Dingen.
*Sie sind ganz einfach nicht in der Lage, voll verantwortlich an die Stelle weißer Ingenieure und Fachleute zu treten.
*Und es erhebt sich ja wirklich die Frage, warum es weder den Schwarzafrikanern noch den Rothäuten jemals eingefallen ist, zu merken, dass die Erde rund ist und entdeckt und besiedelt werden kann. Nein, das taten ausschließlich wir Europäer.
Es freut uns auch, dass unser sehr geehrter Herr Bundespräsident a.D., unser lieber Oberkommandierender Dr. Rudolf Kirchschläger Deine, in infamer Weise in jüngster Zeit angegriffene Ehre verteidigt. Er hat recht, wenn er nach einer neuerlichen Gesamtschau Deiner 14 oder 21 Bücher Deine persönliche Wahrhaftigkeit und ehrliche Faktenfindungsarbeit hervorhebt.
Mit kameradschaftlichen Gruß
Mag.Dr. Helmut Stockhammer, Oberrat, Leutnant der Reserve i. R.(f. d. Kärntner Kulturwerk europäischen Geistes und den europäischen Abwehrkämpferbund)

1989
Das Kulturreferat der Stadt Klagenfurt überweist 10.000 öS anläßlich der Veranstaltungsreihe „10 Jahre freies Nicaragua“.

„La Solidaridad es la Ternura de los Pueblos“ (Die Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker). Der nicaraguanische Wandmalkünstler Leonel Cerrato - ehemaliger Leiter der Wandmalschule in Managua - bemalt gemeinsam mit dem Künstler Christof Subik und anderen Malbegeisterten die Quellepassage in Klagenfurt.
Leonel Cerrato, der bereits in anderen europäischen Städten größere Wandbilder (murales) gemalt hat, wurde von der Initiative Städtefreundschaft Klagenfurt-Managua und der Arbeitsgruppe Entwicklungspolitik an der UBW eingeladen, auch in Klagenfurt zu malen. Die Kosten übernimmt das Warenhaus Quelle.

„Universitätspartnerschaft UBW Klagenfurt-UCA Managua“.
Am 27. Juli 1989 unterzeichnen die beiden Universitätsrektoren Dr. Günther Hödl und Dr. Cesar Jerez den Vertrag über die Partnerschaft der beiden Universitäten.
„Artikel 1. Die Zusammenarbeit umfasst Grund- und Fachgebiete, die von beiden Universitäten betrieben und entwickelt werden. Sie erfolgt aufgrund von Jahresplänen.
Artikel 2. Folgende Formen der Zusammenarbeit sind vorgesehen:
a. Austausch von Lehr- und Forschungspersonal;
b. Förderung der Fachausbildung jüngeren Lehr- und Forschungspersonals;
c. Förderung der Zusammenarbeit in gemeinsamen Forschungsprojekten;
d. Gegenseitige regelmäßige und rechtzeitige Information über wissenschaftliche Veranstaltungen und Förderung der wechselseitigen Teilnahme an denselben;
e. Gemeinsame Organisation wissenschaftlicher Veranstaltungen;
f. Austausch von Literatur bzw. Veröffentlichungen auf den Gebieten der Zusammenarbeit;
Förderung fachlicher und kultureller Kontakte der Studenten beider Universitäten.“ (Auszug aus dem Partnerschaftsvertrag)
Dieser Vertragsunterzeichnung geht eine zweijährige Universitätskooperation auf dem Gebiet der Videodokumentation voraus, sowie eine Partnerschaft zwischen dem Institut für Philosophie und dem Institut für Sozialarbeit an der UCA. Gründung einer AG für Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungsfragen am Institut für Philosophie.
Dr. Dietmar Larcher besucht Nicaragua und erstellt ein Evaluationsgutachten der österreichischen Entwicklungsarbeit auf Teilgebieten des Bildungswesens.
Erkundungsreise des Vorsitzenden Dr. Gerhard Hammer- schmied nach Managua und Granada.
Die KHG übernimmt einen nicaraguanischen Gaststudenten, der nach Graz zum Vorstudienlehrgang übersiedelt. Betreuung dieses Studenten.
Sigmund Kripp führt an der UBW eine Lehrveranstaltung zum Thema: „Probleme der Sozialarbeit in Nicaragua“ durch.

„Tlapagalli“ („Haus der Maler“). Der Verein organisiert eine Ausstellung über Kunst in Nicaragua in der Kleinen Galerie des Stadthauses Klagenfurt.
„Die befreite Frau“. Mag. Luz Beatriz Arellano, Schwester des Franziskanerordens und Soziologin, spricht über die Stellung der Frau in Kirche und Politik am Beispiel Nicaraguas.
Das „Teatro Justo Rufino Garay“ aus Managua zeigt im UNIKUM das Stück „Escenas de mi ciudad/Szenen aus meiner Stadt“, eine Szenefolge über den Alltag im heutigen Managua. Über Desinformation, öffentlichen Nahverkehr, Gesundheit, Machismo und Bürokratie.

Janko Messner und Hans Staudacher veröffentlichen das Buch: „Nicaragua mein geliebtes/Nicaragva moja ljubljena“. Die Gedichte von Janko Messner, entstanden vor drei Jahren in Nicaragua, wurden von Peter Turrini, Erik Adam und Werner Hörtner ins Deutsche „bertragen. Hans Staudacher hat zu diesem Thema über zwanzig Bilder gemalt, von denen einige anlässlich der Buchpräsentation versteigert werden. Der Gesamterlös des Buches wird an Kulturminister und Dichter Ernesto Cardenal in Nicaragua überwiesen. Beide Autoren und die Übersetzer verzichten auf ihr Honorar.
Janko Messer initiiert eine Anthologie mit Übersetzungen nicaraguanischer Lyrik „Unter dem Flammenbaum“, die im Europa-Verlag erscheint. Die Rohübersetzungen aus dem Spanischen besorgt Werner Hörtner, in der langen Liste prominenter NachdichterInnen finden sich u.a. Elfriede Jelinek, Erich Fried, Elfriede Gerstl, Erich Hackl, Liesl Ujvary und Ernst Jandl.
„Postkartenaktion“: mit dem Kauf der Karten, die Ausschnitte nicaraguanischer Wandmalereien in Österreich zeigen, wird die Arbeit der österreichischen Entwicklungshelfer vor Ort unterstützt.
EL Salvador-Veranstaltung mit Renate Wurm in der KHG.
Prof. Leo Jaansen (NUFFIC, Niederlande), einer der kundigsten Experten auf dem Gebiet der universitären Zusammenarbeit mit Lateinamerika spricht vor der AG-Kooperation UBW Klagenfurt-UCA Managua u.a. Organisationen.

Mitveranstaltung der 9. Entwicklungspolitischen Woche: „Die Touristen kommen.“
Seminar von Sigmund Kripp: „Entwicklungsphilosophie und Entwicklungspolitik am Beispiel Zentralamerikas.“
Städtefreundschaftsfest Klagenfurt-Managua. Podiumsgespräch mit StR Ebner, StR Peterle, Gerhard Hammerschmied, Ingrid Zablatnik im UNIKUM.
Stadtveranstaltung: „Sich informieren - solidarisch handelnÒ am Neuen Platz.“
Nicaragua-Ausstellung von Peter Putz an der UBW, in der Stadt und in Schulen
Unimalgruppe unter Leitung von Christof Subik zu Wandmalerei in Nicaragua.
Die Aktivitäten im Jahr 1989 sind möglich durch die Sekretariatsarbeit von Silvia Ouschan für den Verein. Dieser wiederum wird in diesem Jahr von der Arbeitsmarktverwaltung unterstützt.

1990
Dia-Vortrag „Das Frauenkrankenhaus Berta Calderon und andere Krankenhäuser in Managua/Nicaragua“ von Dipl. Krankenschwester Sonja Kofler und Dr. Carlos Flores, Frauenarzt in Managua.
Lichtbildvortrag über die Erkundungsreise nach Nicaragua von Univ. Prof. Dr. Dietmar Larcher.
Sigmund Kripp spricht in einer Informations- und Diskussionsveranstaltung über „Nicaragua - ein Jahr nach der Wahl“.
Die Grüne Bildungswerkstatt (GRHBI) unterstützt die Arbeit des Vereins mit insgesamt 8.300 öS, indem sie die Übersetzungskosten für Filme über die Lage der Kinder und Jugendlichen (Straßenkinder) in den Armenvierteln und über Kindesmisshandlung übernimmt. Diese Filme werden auch im nicaraguanischen Fernsehen gezeigt.
„Eine Pfarre in Managua“. Eine Schule für 1200 Schüler mit insgesamt 26 Lehrern in der katholischen Gemeinde von Pfarrer Ernesto Ortiz wird mit 4.000 US-Dollar unterstützt. Veranstaltungen dazu in der KHG. Vorstandssitzung der AIESEC (Gruppe von Wirtschaftsstudenten, die das Projekt mittrug.)
Kettenbrief gegen die US-Unterstützung der Contras.
Resolution an die österreichische Bundesregierung anlässlich der Verwüstungen des Hurricanes in Nicaragua. Die Forderungen: Schuldenerlass, Sofortkredit für den Wiederaufbau, Spendenverdopplung.
„Kinderarbeit-Kinderrechte-Kinderfest“ gemeinsam mit dem YIE, der Brasiliengruppe und dem Amnesty International im Europahaus.

1991
Dr. Waltraud Schnattler unterstützt das Projekt einer gynäkologischen Betreuung von Arbeiterfrauen in Managua. Krankenschwester Sonja Kofler arbeitet in diesem Projekt und kann im Februar mit einer ersten Rate von 5.000 öS in US-Dollar nach Managua fliegen. Das Geld dafür stammt aus einer freiwilligen monatlichen Abgabe von Ärzten und Schwestern des LKH Klagenfurt.
„Trabajo Social“. Projekt zur Ausbildung von SozialarbeiterInnen an der UCA Managua, die dann in den sozialen Sektoren in 24 Gemeinden in 6 Regionen von Nicaragua arbeiten. Projektleitung: Laura Amanda Cuadra (UCA). Anforderung eines Kurses über Videodokumentation.
Öffentliche Aktion mit Info-Stand zu den Wahlen in Nicaragua.

1992
„500 Jahre indianischer, schwarzer und Volkswiderstand“. Eine gemeinsame Veranstaltung mit der Koordinatorin der Kampagne Marlén Chow und dem Journalisten und Filmemacher Leo Gabriel in der KHG.
„Trauerarbeitsplätze II“: Ein temporäres Museumsprojekt von Helmut Stockhammer und Ilse Stockhammer-Wagner.
In dieser Ausstellung folgende Plätze dezidiert zu Nicaragua und zur Nord-Süd-Trauerarbeit: „Muerte al Imperialismo“, „Kinder und Folter“, „Schibboleth“, „Nicaragua ist auch unser Kaffee“, „Unser Traumstrand an der Grenze zu Costa Rica“ und „Weltreparaturaltar“.
Die Ausstellung schließt mit der Veranstaltung „Alternativen zum Neoliberalismus in Lateinamerika.“ Videofilm und Diskussion mit Leo Gabriel.

1993
Der jährlich durchgeführte Adventbasar der „Bloque“- Gruppe um die Familie Prünster in Villach bringt 28.000 öS, die den Straßenkindern in Nicaragua zugute kommen.
Nicaragua-Projektwoche einer Klasse des BG St. Veit zur Unterstützung einer Kaffeeanbaukooperative. Leitung: Prof. Harald Unterberger.
Dr. Georg Gombos vom Institut für Weiterbildung an der UBW Klagenfurt und Mag. Ilse Geson leiten an der UCA Managua einen Weiterbildungskurs zum Thema: „Psychodramaturgie Linguistique“ (B. Defeu) für UniversitätslehrerInnen. Diese Methode stellt die rezeptive Fähigkeit des Einhörens beim Sprachenlernen in den Vordergrund. Finanzierung durch das Bundeskanzleramt im Rahmen der Förderung der Entwicklungszusammenarbeit der beiden Universitäten.
Der gebürtige Klagenfurter Ewald Huber betreut ein Projekt christlicher Basisgemeinden im ländlichen Bereich („Bloque“). Gemeinsam mit zwei Campesinos (Landarbeiter) informiert er über alternative christliche Lebensformen in Nicaragua.
G. Hammerschmied bringt 10.000 öS für Schreibgeräte für die Kinder der Basisgemeinden auf.

„Nord-Süd-Kooperation UBW Klagenfurt - UCA Managua“. Die Universität Klagenfurt wird vom Bundeskanzleramt als Entwicklungshilfeorganisation anerkannt. Im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe sollen Multiplikatoren in den Bereichen EDV, Sprachdidaktik, Videodokumentation geschult werden. Projektleitung: Dr. Dietmar Larcher/Dr. Helmut Stockhammer/Prof. Melba Castillo, Prof. Guiomar Talavera Urrutia. Grundlage: Zweijahrespläne, die von den beiden Universitäten beschlossen werden.
Lehrveranstaltungen von Sigmund Kripp und Gerhard Kovacs (IIZ) an der UBW Klagenfurt.
Medienkoffer und zahlreiche Videofilme zu Nicaragua bei der Arbeitsgruppe: Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungsfragen am Institut für Philosophie.
Eine Südkärntner katholische Gemeinde spendet 10.000 öS.

1994
Der Reinerlös des Geburtstagsfestes von Greta Adam-Kesselbacher geht an das „Miriam-Projekt“.
Entwicklungszusammenarbeit an der UCA im Rahmen der Nord-Süd-Kooperation des Bundeskanzleramts: Armin Ploner (EDV), Ivan Rodriguez, Helmut Stockhammer (Video), Martin Schöffmann (Kunst) - siehe Bericht Rodriguez.
Mitveranstaltung 14. Entwicklungspolitische Woche „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“.


Laufende und in Begutachtung befindliche Projekte

„Casa de los tres mundos“ („Haus der drei Welten“) in Granada
Aufbau eines internationalen Begegnungszentrums der Kultur und der Kulturen. Es wird Künstler und Wissenschafter aller Sparten aus allen Kontinenten beherbergen, die miteinander leben und arbeiten. Was aus dieser Werkstatt hervorgeht, soll das Kulturleben in Nicaragua beleben, den Süd-Süd-Dialog und auch den Nord-Süd-Dialog fördern.

„Frauenprojekt Miriam“
Projektleitung: Mag. Doris Huber, Mag. Birgit Hellmund- Martinez.
MIRIAM hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen, die sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befinden, ihren Schulabschluss, bzw. ihre berufliche Ausbildung zu ermöglichen und vergibt zu diesem Zweck monatliche Stipendien. Die meisten Stipendintinnen sind Alleinerzieherinnen, müssen sich und ihre Kinder allein erhalten und können oft deswegen die Bildungsmöglichkeiten nicht voll ausschöpfen. Der finanzielle Druck zwingt viele Frauen noch mehr und zusätzlich zu arbeiten. Dazu kommt noch das Problem des Machismo mit all seinen negativen Auswirkungen auf sozialer wie auf individueller Ebene. So wird im Zweifelsfall von einer Familie immer noch eher dem Sohn als der Tochter eine Ausbildung finanziert. In Nicaragua werden 60% der Familien von Frauen erhalten und der durchschnittliche Arbeitstag einer Nicaraguanerin beträgt 15 Stunden. Trotz all dieser Probleme ist das Bedürfnis und der Wunsch nach Bildung ungeheuer groß.

„Bloque Intercommunitario de Bienestar CristianoÒ
Der Bloque ist eine Vereinigung christlicher Basisgemeinden im ländlichen Bereich im Norden Nicaraguas. Er schlägt folgende Projekte zur Begutachtung vor:
# Zentrum für Alternativ- und Naturmedizin: In einer landwirtschaftlichen Basisgemeinde sollen Alternativen zu den teuren Produkten der internationalen Pharma-Industrie entwickelt und hergestellt werden.
# Schulprojekt: Unterstützung beim Ankauf von Schulmaterial für Kinder von Campesinos. Der Schulbesuch ist seit den letzten Wahlen für viele Familien unerschwinglich geworden.
# Musikprojekt: Ankauf von Musikinstrumenten.
# Landwirtschaft: Förderung der Schulung von Bauern in biologischem Landbau.
# Naturmedizin: Unterstützung des Ausbildungs- und Forschungsinstitutes für Naturmedizin in Esklí.
Projektleitung: Prof. Sottomayor.

Unterstützung der Universitätspartnerschaft:
Zusammenarbeit bestimmter Institute ; UNIKUM Ð Kulturabteilung der UCA - Haus der drei Welten. Aufbau einer Schulpartnerschaft.

Prüfung der Möglichkeiten einer Städtepartnerschaft Granada-Klagenfurt.

Förderung einer Partnerschaft zwischen dem Institut für Sozialarbeit der UCA und der Sozialakademie Wien.

Stipendien für Straßenkinder.

Mitaufbau von „Erzählungssammlungen“

Unterstützung des Aufbaus der Camerata „Cesar Jerez“.

Videoclub der Kulturabteilung der UCA.

 

Nähere Informationen und detaillierte Projektbeschreibungen sind beim Vereinsvorstand erhältlich.
Information über die Universitätspartnerschaft und den Medienkoffer Nicaragua bei der AG Entwicklungsfragen
des Institutes für Philosophie, Sterneckstraße 15/3, 9020 Klagenfurt,
Tel. (0463) 2700-787, Telefax (0463) 2700-759


Impressum:
Verein für Entwicklungshilfe und Entwicklungszusammenarbeit
Kärntner Solidarität mit Nicaragua (EEZ mit Nicaragua)
Zveza za pomoc v razvoju drugim dezelam in skupno delovanje z razvoju
Koroska solidarnost z Nikaragua

Helmut Stockhammer, Stifterstraße 12, 9020 Klagenfurt, Tel. (0463) 516286
Gerhard Hammerschmied, Hubertusstraße 66, 9020 Klagenfurt, Tel. (0463) 249774

Textgestaltung: Golden Image, Günter Woltron, Alter Platz 24/III., 9020 Klagenfurt
Mit Unterstützung von: GRHBI Kärnten, Priesterhausgasse 1/I, 9020 Klagenfurt

Neue Mitglieder sind herzlich willkommen.

Spenden sind auf folgende Kontonummer erbeten: Kärntner Solidarität mit Nicaragua,
Zveza Bank, Kto.Nr.: 33688, BLZ: 39100


Diese Gabe des Wortes (Michele Najlis)
Übersetzung: Martin Schöffmann

„...Die Poesie ist das Kettenhemd
aus tausend blutigen Wunden,
das meine Seele hüllt"
Ruben Darío

Die Gabe des Wortes: ist sie mir entstanden
im warmen Leib meiner Mutter?
Ein Geschenk von Göttern oder Dämonen?
Vielleicht erwarb ich sie als kleines Mädchen
spielend mit der zähen Einsamkeit?
Wo entstammen meine Worte?

Aus dem nie gebändigten Herzen Evas?
Aus einer Schlangensprache,
unvermeidlich kriechend
mitten im Paradies. Aus den Händen Gottes?
Vom Baum des Lebens? Entstanden sie etwa im Belag
eines verlassenen Spiegels?

Woher diese Worte, die mich verbrennen?
Woher diese Laute, die mich dauernd umgeben?
Woher der Rhythmus? Die geflügelte Melodie, woher?
Dieser schreckliche Anfall von Licht: aus welcher Quelle?
Diese Mittagsdüsternis, dieses Nordlicht,
woher kommt das?

Dieses wilde Schwindelgefühl: welche Welle löst es aus?
Welcher Wind bewegt die Segel meiner Schiffe,
der tausendmal verbrannten und tausendmal wieder
erstandenen
an der Küste meines unbezwingbaren Troja?
Wer führt mir die Hände wenn ich schreibe?
Wer lässt mich die Einsamkeit der Worte erleiden?