© Ochsenreiter Augustin, Bozen
Um 15011502
Albrecht Dürer, Kupferstich, 32,9 x 22,4 cm
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Dieser Kupferstich Albrecht Dürers, in der Nemesis auf einer Kugel über der Panoramaansicht von Klausen im Eisacktal dahinschwebt, findet seine literarische Vorlage in einem lateinischen Gedicht des Florentiner Humanisten Angelo Poliziano (Mailand, 1499), in dem die römische Glücksgöttin Fortuna und Nemesis, die griechische Göttin der Vergeltung, als ein und dieselbe überirdische Gestalt geschildert werden. Die Unbeständigkeit des Glücks findet ihren symbolischen Ausdruck in der Kugel, auf der Fortuna schwebt. Nemesis aber, von Flügeln getragen, hält sowohl den Becher zum Lohn für gute Taten als auch die Zügel bereit, die sie dem Unmäßigen anlegt. Der dahinschwebende Frauenkörper ist nach dem Proportionsschema des Vitruv entworfen. Erstmals wendet Dürer die mit Zirkel und Richtscheit gewonnenen Proportionen der menschlichen Figur im Kupferstich an (Panofsky, 1943, 8). Die Ansicht von Klausen im Eisacktal folgt einem verlorenen Aquarell der ersten italienischen Reise (14961497). Von höher gelegenem Standpunkt aus gesehen, zeigt sie (bedingt durch das Medium spiegelverkehrt) den Eisack mit der alten Brücke, die Kirche zum heiligen Andreas, den Thinnebach, die Burg Branzoll und darüber die ehemalige Bischofsresidenz Kloster Säben (Lutterorti 1956). Der vorliegende Abzug entstand, nachdem auf der Druckplatte ein Kratzer zwischen den Pfeilern der Brücke aufgetreten war.
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