© Fotostudio Otto, Wien
Pergamentlibell, 6 Folien, 35 x 24 cm
Aufgedrücktes Lacksiegel anrot-grünen Seidenbändern, Durchmesser 2 cm
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Weiters ausgestellt war:
a) Unterhändlerinstrument, 1909 Februar 26
Original, Papierlibell, 9 Folien, 31 x 403 cm
Drei aufgedrückte Lacksiegel, Durchmesser 2-2,5 cm
Artikel 25 des Berliner Kongresses hatte Österreich-Ungarn das Recht zugesprochen, Eisenbahnlinien durch den Sançak Novipazar zu bauen. Als aber der k.u.k. Außenminister Aloys Lexa von Aehrenthal im Januar 1908 nach Fertigstellung der bosnischen Eisenbahn die Realisierung einer Verbindung zur türkischen Linie von Konstantinopel nach Kosovska Mitrovica in Angriff nehmen wollte, stieß er auf hartnäckigen Widerstand Rußlands und Englands. Die Russen sahen klar, daß Österreich-Ungarn auf diese Weise nicht nur seine wirtschaftlichen Interessen, sondern auch seinen politischen Einfluß intensivieren würde.
Für die Pläne zu einer Annexion der seit 30 Jahren verwalteten Gebiete Bosnien und Herzegowina wurden nicht zuletzt die Erfolge der Jungtürken innerhalb des Osmanischen Reiches mitbestimmend, die die Einberufung des Parlaments erreicht hatten und bosnisch-herzegowinische Vertreter miteinbeziehen wollten, dies konnte einen Schritt zur Rückgewinnung für das Osmanische Reich bedeuten.
Die sogenannte "Annexionskrise" brach aus, als sowohl Franz Joseph I. als auch sein Außenminister Staatsoberhäupter und Außenminister der Großmächte zunächst über die beabsichtigte Annexion und im Anschluß die Signatarmächte des Berliner Kongresses über die Durchführung unterrichteten. Der Pforte gegenüber wurde in der diesbezüglichen Note die völlige Aufgabe des Sançak Novipazar in den Vordergrund gerückt.
Die ausländischen Reaktionen hatte Aehrenthal weit unterschätzt. Seine Ansicht, daß diese Maßnahme keine Expansion, sondern die endgültige Fixierung der österreichisch-ungarischen-türkischen Grenze bedeute, erwies sich als zu optimistisch. Zudem hatte Aehrenthal nicht einbezogen, daß die vage Zustimmung Rußlands, das nun eine internationale Konferenz forderte, auf der sich Österreich-Ungarn zu verantworten haben würde, durch den Druck der Öffentlichkeit ins Wanken geraten mußte.
Schwer getroffen wurde die Doppelmonarchie durch die Reaktion der Pforte, die den österreich- ungarischen Handel boykottierte und damit die wirtschaftlichen Beziehungen zur Levante empfindlich störte. Die mögliche Ausweitung auf eine internationale Ebene und die scharfen und hartnäckigen Proteste Serbiens zwangen Aehrenthal zu raschem Handeln, sprich Zugeständnissen, die gegenüber Serbien auf wirtschaftlichem Gebiet erfolgten. Schon am 9. Januar 1909 war die Türkei bereit, sich mit einer Summe von 2,5 Millionen türkischen Pfund (54 Millionen Kronen) abfinden zu lassen, und am 26. Februar 1909 konnte mit dem vorliegenden Protokoll die Verständigung beider Mächte fixiert werden.
Der französisch abgefaßte Text auf türkischem Papier (dies zeigt ein türkisches Wasserzeichen auf jedem Blatt) wurde vom k.u.k. Botschafter Giovanni Marchese Pallavicini einerseits und Großwesir Hussein Hilmy und dem interimistischen türkischen Außenminister Gabriel Noradounghian in lateinischen Schriftzügen unterzeichnet und mit Lack gesiegelt. An die Spitze wurde mit Artikel I der Verzicht alle Rechte über den Sançak Novipazar, wie sie der Berliner Kongreß gewährt hatte, gestellt. Das Wort Annexion wird peinlichst vermieden, Artikel II erklärt das Protokoll zum einzig gültigen Schriftstück, das alle vorangegangenen ersetzt und den "nouvel état des choses" festhält. Die letzte Textseite schreibt die Ratifikation binnen zwei Monaten vor. Sie wird genau zum letztmöglichen Zeitpunkt, am 26. April 1909, vollzogen. Das blütenweiße, mattglänzende Pergament wird zweispaltig, links in französischer, rechts in türkischer Sprache beschrieben. Die Unterzeichnung und Besiegelung nimmt statt des Sultans der Außenminister Rifaat vor.
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