Bericht über die Ereignisse, die zur Hochzeit Erzherzog Maximilians I. von Österreich mit Herzogin Maria von Burgund führten, 1479 März 17

Bericht über die Ereignisse, die zur Hochzeit Erzherzog Maximilians I. von Österreich mit Herzogin Maria von Burgund führten, 1479 März 17

In: Ostarrîchi - Österreich 996-1996. Menschen, Mythen, Meilensteine. Katalog der Österreichischen Länderausstellung in Neuhofen an der Ybbs und St. Pölten. Herausgegeben von Ernst Bruckmüller und Peter Urbanitsch. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums. N.F. 388. – Horn: Berger 1996. XXIV, 736. 4°. Objekt-Nr.: 17.15, S. 666.

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Leihgeber: Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien), AUR 1479 III 17
Bericht über die Ereignisse, die zur Hochzeit Erzherzog Maximilians I. von Österreich mit Herzogin Maria von Burgund führten, 1479 März 17

© Fotostudio Otto, Wien


Original, Pergamentlibell, 7 Folien mit sepiagetönter Federzeichnung Blatt 1v, 31 x 43 cm

Zum Zeitpunkt der Abfassung dieser "hystoria" sind der junge österreichische Erzherzog und die um 2 Jahre ältere Herzogin von Burgund bereits 1 1/2 Jahre verheiratet und das erste Kind Philipp geboren. Die zarte, sepiagetönte Federzeichnung bildet so etwas wie ein Motto und nimmt den Höhepunkt der Erzählung vorweg. Die beiden Brautleute stehen einander vor dem Geistlichen gegenüber, Maria in geistlicher Begleitung, Maximilian in Gesellschaft seines Schwertträgers. Der Raum, der eigentümlich gedrückt wirkt, als würden ihn die versammelten Personen sprengen, mutet kaum kirchlich an, nicht zuletzt, weil die Decke ganz "weltlich" mit den französischen Lilien geschmückt ist, die ja auch im burgundischen Wappen aufscheinen. Im Kontrast zu der in einem Farbton gehaltenen Zeichnung, die auf Farbfüllung verzichtet, leuchten die beiden kleinen Wappenschilde zu Füßen von Braut und Bräutigam auf: Der österreichische Bindenschild liegt neben dem burgundischen Schild, – das Auge fällt noch vor dem Erfassen der dargestellten Szene auf diese beiden strahlenden Farbenkombinationen. Diese Wappenvereinigung versinnbildlicht das, was dem Leser, bevor er sich noch dem Studium der dicht beschriebenen Seiten widmet, bewußt sein soll: Das Gelingen eines lange Jahre verfolgten Heiratsprojektes, das trotz aller politischen Rückschläge immer wieder aufgenommen wurde und trotz widrigster Begleitumstände realisiert werden konnte, die Verbindung des Hauses Habsburg mit dem Haus Burgund, der Triumph des alternden Kaisers und seines jugendlichen Sohnes. Das Haus Österreich ist nun in Westeuropa verankert durch eine Vermählung nicht nur gerade mit irgendeiner jüngeren Tochter einer regierenden Familie, sondern mit der einzigen Erbin der burgundischen Herrschaftsgebiete, die jetzt mit den österreichischen Erblanden in der Hand einer Dynastie waren. Dieses aufsehenerregende Ereignis, das sich auch in der späteren, unter den Enkeln, gebräuchlichen Namensform vom Haus Österreich-Burgund niederschlug, dem die spanische und die böhmisch-ungarische Doppelheiraten im Abstand von je 20 Jahren folgten, begründete das zu simple Dictum des "tu felix Austria nube" und scheint auf der anderen Seite die Habsburger selbst bis zu einem gewissen Maße überzeugt zu haben, daß Eheallianzen besser als andere Bindungen Rivalen egalisieren könnten.
Um diesen Triumph ging es aber dem anonymen Erzähler gar nicht. Seine aus dem Kloster Einsiedeln datierte Darstellung gibt sich zunächst als nüchterne Schilderung des politisch-militärischen Geschehens bis zum Tod Karls des Kühnen in der Schlacht von "Nanze" (Nancy), die sich abschließend ohne jede Überleitung in ein Panegyricon für Erzherzog Siegmund von Tirol wandelt. Ein überzeugter Parteigänger des Tiroler Habsburgers mit einigen historischen Kenntnissen (seine Wissenslücken gesteht er selbst ein) zählt mehrere außergewöhnliche habsburgische Eheverbindungen auf und vergißt nicht, den Kaiser mit seiner portugiesischen Gemahlin einzubeziehen, um dann in ein Loblied auf "unseren Erzherzog" auszubrechen, der immer als gefeierte und ruhmreiche Persönlichkeit zu gelten hätte. Diese Mischung von Chronik und Verherrlichung läßt an eine Auftragsarbeit des Innsbrucker Hofes denken, die auch Adressaten kennt. Sie wendet sich an den Dogen und die Senatoren von Venedig. Aus Notizen auf der Rückseite des letzten Blattes geht hervor, daß sie nie ihr Ziel erreichte, bzw. nicht abgeschickt wurde.
Es ist nicht zu leugnen, daß Siegmund Verdienste um das Zustandekommen des Heiratsplanes hatte und mit Zustimmung Kaiser Friedrichs III. verhandelte. Der Lohn war die Verleihung des Titels Erzherzog, der nach der fridericianischen Bestätigung von 1453 einer Tiroler Linie nicht zustand. Seit 1469 setzte sich Siegmund für eine burgundisch-österreichische Heiratsallianz ein, in der Hoffnung, auf diese Weise die Unterstützung Karls des Kühnen in Hinblick auf seine schwierige Lage gegenüber den Eidgenossen zu erhalten. Ein Treffen des Kaisers mit dem Burgunder 1473 in Trier, das den Abschluß der Verlobung bezweckte, führte zu keinem Ergebnis. Die überhöhten Forderungen Karls in Richtung eines "großburgundischen Königtums" ließen diese Besprechungen scheitern. Erst mit den fehlenden militärischen Erfolgen änderte sich die herzogliche Haltung. Friede mit dem Kaiser und in dessen Gefolge die verwandtschaftliche Bindung besaßen jetzt größeren Stellenwert.
Als mit der vernichtenden Niederlage von Nancy gegen die Eidgenossen, die Karl das Leben kostete, die Gefahr des Zusammenbruchs seines burgundischen Reiches drohte, kam es nicht unbeträchtlich auf die Einstellung der jungen Erbin Maria an, die gegenüber französischem Drängen an dem Heiratsversprechen ihres Vaters zugunsten Maximilians festhielt. Die dringlichste Forderung an den "Bräutigam" lautete, so rasch wie möglich nach Burgund zu kommen. Nun entfaltete Friedrich III. eine ungewohnt eifrige Tätigkeit, die der Finanzierung der Reise diente. Die schon am 21. April 1477 per procurationem geschlossene Vermählung bot zweifellos zu wenig Sicherheit, die persönliche Anwesenheit Maximilians war unerläßlich. Es verging noch genau ein Monat, bevor sich der Erzherzog über Graz, Salzburg, Frankfurt und Köln in die Niederlande begab und am 18. August in Gent umjubelt einritt. Am selben Tag wurde der Ehevertrag unterschrieben und am folgenden die Trauung vollzogen.


Christiane Thomas


Literatur: Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I., 1 (Wien 1971) 96-133.