© Viktor Harrandt, Wien
Pergament, 133 Blätter, 300/302 x 215/217. Zwettl, 1. Viertel 13. Jahrhundert
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Dreizehn meist ganzseitige Darstellungen in ,"roter und rot-schwarzer Federzeichnung, vereinzelt mit flüchtiger Lavierung. Drei mehrzeilige Dekorinitialen in roter Federzeichnung von der Hand der Darstellungen. 22 Lombardinitialen, häufig arabeskenhaft verziert. Frühgotische Minuskel von mehreren Händen in schwarzer Tinte. Die Kompositionen wurden von zwei Meistern ausgeführt, ab Blatt 37 tritt die zweite schwächere Hand auf.
Der Kodex, vom Inhalt her ein Erbauungsbuch, gliedert sich in 12 Kapitel. Tugendhaftigkeit und Demut, "virtus, humilitas", beherrschen den Dialog zwischen "Peregrinus", einem Priester, und der "virgo Christi" Theodora. Von den Worten "In peregrinatione sumus" ausgehend, nahm die Forschung als Autor einen Wandermönch an, der dem Benediktinerorden angehörte; vgl. die Worte in der Benediktinerregel: "De monachis peregrinis, qualiter suscipiantur" (CSEL c. 61, 155). Das ehemalige Benediktinerkloster Hirsau im Schwarzwald wurde als Entstehungsort in Erwägung gezogen. In 12 Kapiteln unterweist Peregrinus Theodora, ewige Gemeinschaft mit Christus zu erlangen und sich selbst zu erkennen.
1rv: Vorwort mit dem Titel "Ultimus Christi pauperum". 1v und 2v: Inhaltsangabe der 12 Kapitel: "Quid singule partes iste continent." 2v: Beginn des Haupttextes: "Incipit speculum virginum. Peregrinus." Inc.: "Collautor tecum o Theodora." Es folgt die erste Darstellung mit der " Wurzel Jesse" auf Blatt 3r. Die ausführliche Bildübersetzung der Zwettler Handschrift geht auf keine bodenständige Überlieferung zurück. Die Vorlage muß im außerösterreichischen Raum des späten 12. Jahrhunderts angenommen werden. Die Handschriften Ms. Arundel der British Museum Library (12. Jahrhundert) und besonders Ms. Phil. 1701 der Preußischen Staatsbibliothek Berlin (ursprünglich im Zisterzienserkloster von Igny, 13. Jahrhundert), helfen die Stellung der Zwettler Handschrift in der Bildtradition des Themas näher einzuordnen. Daneben ist ein deutlicher Einfluß der byzantinischen Kunst bemerkbar .
Die formale Anwendung des strengen Zeichenstils entspricht dem Passus in den Statuten des Zisterzienserordens. Auf Blatt 66r (aufgeschlagen) ist das Gleichnis der fünf törichten und fünf klugen Jungfrauen (vgl. Mt 25, 1-13) dargestellt. Die Illustrationen sind in drei Zonen gegliedert: in der untersten Reihe links die fünf törichten schlafenden Jungfrauen mit den leeren Öllämpchen (Form eines Horns), rechts die fünf klugen Jungfrauen mit den brennenden Öllämpchen, die den Ruf, "clamor", bei der Ankunft des Bräutigams wahrgenommen haben. Der Textinhalt darüber geht auf Mt 25, 6, 5 zurück. 2. Zone: Die fünf törichten Jungfrauen links vor den verschlossenen Toren (nach Mt 25, 10), rechts die fünf klugen Jungfrauen, die von Christus aufgenommen wurden. Oberste Zone: links die Ecclesia, rechts Maria. In der Mitte die Halbfigur Christi mit einem Buch, das hier unbeschrieben ist, in anderer Überlieferung, wie in Arrundel 44 der Brit. Mus. Libr., aber die Worte enthält: "Glorificantes me glorificabo. Qui autem contemnunt me, erunt ignobiles" (1. Sam 2, 30).
Von Buberl als österreichische Arbeit der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts eingestuft, zeigt der Figurenstil Verwandtes zu anderen Zwettler Arbeiten (Codex Zwetl. 296, siehe "Verhältnis Zwettl, Codex 296 Klosterneuburg, Codex 685"), aber auch zu solchen, die im böhmischen Raum entstanden sind.
Charlotte Ziegler
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