© Historisches Museum der Stadt Wien
Wien (?), um 1480/1490
Höhe 121,5, Breite 52,5 cm; Holz, Kreidegrund über Leinwand, Temperamalerei, Silber, Lüster
Schildfigur: heiliger Georg
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Tartschen oder Pavesen große hochrechteckige Setzschilde aus Holz mit abgerundeten Schultern und einem durchgehenden vorgewölbten Mittelgrat, der die Handgriffe birgt tauchen erstmals im 13. Jahrhundert auf und breiten sich als Infanterieschild über Italien aus.
In Wien wurden die Setztartschen insbesondere durch die Hussiten bekannt, die 1428 das nördliche Niederösterreich verheerten und bis vor die Mauern Wiens kamen. Sie verteidigten mit den Kriegswagen und den mauerartig aufgestellten Setzschilden ihre Stellung gegen die Adelskavallerie, die sie mit ihren Armbrüsten unter Beschuss nahmen. Hatten sie die Reiterei in Unordnung gebracht, gingen sie zum Angriff über. Die Pavesen waren noch so leicht, dass sie von einem einzelnen Mann getragen werden konnten.
Diese Ausrüstung und die Taktik der Hussiten haben das gesamte 15. Jahrhundert hindurch die Kampfweise und Bewaffnung der südostdeutschen Städte bestimmt. Die Pavesenträger kämpften in einer Einheit mit den Bogen- und Armbrustschützen; sie mussten auch beim Vormarsch mit diesen zusammenbleiben, um jederzeit Deckung geben zu können, da die Schützen beide Arme zur Waffenführung benötigten. Die Träger selbst waren nur mit Spießen ausgerüstet.
Dass die ausgestellten Pavesen tatsächlich als Waffen gebraucht wurden, zeigen die Kampfspuren auf einigen Exemplaren sowie die Tatsache, dass die Setzschilde wegen Holzfäule unten abgeschnitten worden sind. Die bemalten Tartschen wurden offensichtlich waffenfähigen Männern, die sich um das Wiener Bürgerrecht bewarben, abverlangt. 1444 befanden sich immerhin 250 solcher Tartschen in städtischem Besitz. Das Historische Museum der Stadt Wien birgt noch heute eine einzigartige Sammlung von 68 Setztartschen aus dem 15. und 16. Jahrhundert.
Im 14. und 15. Jahrhundert wurden durch die Bedeutungszunahme der Infanterie bis dahin hatte die Reiterei als kampfentscheidend gegolten verstärkt Waffen für die Fußtruppen entwickelt. Bei den Setztartschen wurde auch besonderes Augenmerk auf die Ausgestaltung bzw. Bemalung gelegt. Ihre Vorderseite wurde mit Leinwand, Pergament oder Leder überzogen, die Grundierung erfolgte manchmal sogar mit Blattsilber oder Blattgold. Der gerüstete Georg mit dem Drachen als Schutzheiliger der Krieger ist das Hauptmotiv der malerischen Ausgestaltung, gefolgt von der heiligen Katharina oder heraldischen Motiven. Aufgrund ihrer handwerklichen und vor allem ihrer künstlerischen Qualität kommt den Setztartschen ein ästhetischer Wert ähnlich den mittelalterlichen Tafelbildern zu.
Sylvia Mattl-Wurm
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