Epitaph des Wolff von Wolffsthal

Epitaph des Wolff von Wolffsthal

In: 800 Jahre Franz von Assisi. Franziskanische Kunst und Kultur des Mittelalters. Katalog der Niederösterreichischen Landesausstellung in Krems-Stein, Minoritenkirche, vom 15. Mai bis 17. Oktober 1982. Redigiert von Harry Kühnel, Hanna Egger, Gerhard Winkler. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums. N.F. 122. – Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Kulturabteilung 1982. XXVIII, 775. 8°. Objekt-Nr.: 10.78, S. 607.

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Leihgeber: Germanisches Nationalmuseum (Nürnberg, Deutschland), Gm 154
Epitaph des Wolff von Wolffsthal

© Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg


Franken, Werkstatt des Meisters des Augustineraltares, um 1490.
Tempera auf Holz, 1,87 x 1,38 m.
Messe des heiligen Gregor mit den Heiligen Katharina und Thomas von Aquin, Franziskus und Vincentius Ferrerius.

Das Tafelbild wurde erst, wie die unorganisch eingefügten Wappen bezeugen, nachträglich zum Epitaph des Heinrich Wolff von Wolffsthal (gestorben 1504) und seiner Ehefrau gemacht.
Es stellt die zwischen 1375 und 1390 entstandene Legende der Gregorsmesse dar, nach der sich die Hostie vor Papst Gregor des Großen Augen in den lebendigen Passionschristus verwandelte. Als echtes Abbild, des lebendigen Bildes das Papst Gregor geschaut, galt eine Mosaikikone der Imago pietatis in Sta. Croce in Rom (vgl. EGGER, S. 483). Die als Bildreliquie die Gestalt des toten, im Sakrament aber weiterlebenden Christus authentisierte. Besondere Ausschmückung erfuhr das Bild der Gregorsmesse vor allem im 15. Jahrhundert. So konnte es durch die Einbeziehung der sogenannten Arma Christi, den Leidenswerkzeugen, und bildlichen Stenogrammen von Leidensstationen erweitert werden. Auch die Einbeziehung des Vera Ikon, des Veronikatuches, das unter der Darstellung der Imago pietatis angebracht ist, ist literarisch im Verweisungszusammenhang der Legende zu begründen. Im Jahre 1376 soll Papst Gregor XI. in Rom eine Messe zelebriert haben, bei der das Vera Ikon auf dem Altare lag. "...celebravit in altari Sancti Petri, et posuit Veronicam sanctam supra altare et dicta missa retulit eam in loco suo."
Objektrealismus und mystischer Begriffsrealismus ist in der Darstellung der Gregorsmesse aus Nürnberg eng miteinander verbunden. Die Blicke der Anwesenden sind alle auf den Papst gerichtet, der selbst in das auf dem Altar vor ihm liegende Meßbuch blickt. Keiner der Anwesenden sieht die Erscheinung, die aber den Betrachter aufruft, das Bild zu lesen und zu erleben.


Hanna Egger


Literatur: Alfred STANGE, Deutsche Malerei der Gotik, Bd. 9: Franken, Böhmen und Thüringen-Sachsen in der Zeit von 1400 bis 1500 (München/Berlin 1958), S. 72.
Alfred STANGE, Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, Bd. 3: Franken (= Bruckmanns Beiträge zur Kunstwissenschaft, München 1978), Nr. 175.
Gertrud SCHILLER, Ikonographie der christlichen Kunst, Bd. II: Die Passion Jesu Christi (Gütersloh 1968), S. 242.
Ewald M. VETTER, Die Kupferstiche zur Psalmodia des Melchor Prieto von 1622 (= Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft 15, Münster 1972), S. 236.
Hans BELTING, Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion (Berlin 1981), S. 100 und S. 114.
Hanna EGGER, Franziskanischer Geist in mittelalterlichen Bildvorstellungen. Versuch einer franziskanischen Ikonographie. In: 800 Jahre Franz von Assisi. Franziskanische Kunst und Kultur des Mittelalters. Niederösterreichische Landesausstellung in Krems-Stein, Minoritenkirche, 15. Mai-17. Oktober 1982. Red. von Harry Kühnel, Hanna Egger, Gerhard Winkler (= Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums NF 122, Wien 1982), S. 471-505.