Zwei Becher aus einem Satz von fünf Häufelbechern

Zwei Becher aus einem Satz von fünf Häufelbechern

In: 800 Jahre Franz von Assisi. Franziskanische Kunst und Kultur des Mittelalters. Katalog der Niederösterreichischen Landesausstellung in Krems-Stein, Minoritenkirche, vom 15. Mai bis 17. Oktober 1982. Redigiert von Harry Kühnel, Hanna Egger, Gerhard Winkler. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums. N.F. 122. – Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Kulturabteilung 1982. XXVIII, 775. 8°. Objekt-Nr.: 1.02, S. 20.

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Leihgeber: Germanisches Nationalmuseum (Nürnberg, Deutschland), HG 11628
Zwei Becher aus einem Satz von fünf Häufelbechern

© Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg


Böhmen (Prag?, Kuttenberg?), zwischen 1310 und 1335, Silber, teilweise vergoldet; Höhe der fünf verschieden großen Becher 8,6-9,3 cm, Bodendurchmesser (von Ecke zu Ecke) 6,1-8,4 cm; Randdurchmesser (von Ecke zu Ecke) 10,2-12,1 cm.

Die Becher sind als typisches Repräsentationsgeschirr der Tafel wohlhabender mittelalterlicher Oberschichten anzusehen. Sie bestehen aus fünf gleichförmigen sechskantigen Stücken mit leicht konkaver Biegung nach oben. Auf Grund ihrer verschiedenen Größe können sie ineinandergesteckt werden und bilden damit einen Satz von Häufelbechern. Jeder Becher besitzt am Lippenrand und am Fuß ein leichtes Profil mit Resten ursprünglicher Vergoldung. Der größte Becher trägt außen zwei breite, von Profilen begleitete Bänder, welche gleichfalls Reste von Vergoldung zeigen. Der kleinste Becher ist innen vollständig vergoldet. Im Boden jedes Bechers findet sich ein graviertes goldenes Wappen in Dreieckschild, und zwar der Bindenschild (Österreich), der gekrönte Adler (Polen) und der Löwe (Böhmen); die zwei anderen Wappen - drei Judenhüte sowie steigender Wolf unter Schildhaupt mit drei später gravierten hebräischen Buchstaben - sind nicht identifiziert.
Der Bechersatz ist Teil eines verloren gegangenen Schatzfundes aus einem Haus in Kuttenberg, der wichtigen mittelalterlichen Silberstadt und Münzstätte Böhmens. Zur Datierung auf Grund der Wappen konnte G. Schiedlausky zwei Möglichkeiten anbieten:
1. Bezug auf Elisabeth (1292-1330), Tochter König Wenzels von Polen, die durch ihre Heirat mit Johann von Luxemburg im Jahre 1310 diesem die böhmische Königwürde und den Anspruch auf die polnische Krone brachte. Ihr Großvater war König Rudolf von Habsburg.
2. Bezug auf Rixa Elisabeth (1288-1335), Tochter Przemysl II. von Polen und 1296 Erbin des polnischen Reiches. In erster Ehe (1303) war sie mit Wenzel II; von Böhmen, in zweiter (1306) mit Rudolf III. von Österreich vermählt, der knapp davor zum böhmischen König gewählt worden war, jedoch bereits 1307 starb. In ihrer Witwenzeit hatte Rixa Elisabeth eine wichtige Stellung in der Opposition des böhmischen Adels gegen die Luxemburger. Die Datierung vor 1335 wird bestärkt durch den Verzicht des Johann von Luxemburg auf die polnische Krone im genannten Jahr . Die aus der politischen Situation resultierende
Datierungsmöglichkeit stimmt mit dem stilistischen Befund überein.


Gerhard Jaritz


Literatur: Günther SCHIEDLAUSKY, Ein gotischer Bechersatz. In: Pantheon 33 (1975), S. 300f.
Günther SCHIEDLAUSKY, Kantige Silbergefäße im Lingenfelder Schatzfund. In: Pantheon 35 (1975), S. 103ff.
Kaiser Karl IV. 1316 - 1378. Führer durch die Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums München auf der Kaiserburg Nürnberg. Hrsg. vom Bayerischen Nationalmuseum München. Redigiert von Johanna von Herzogenberg (München 1978), S. 131f., Nr. 148.