Die Quellen zur Geschichte der Grafen von Cilli (1341 - 1456)

Finanzierung: Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

Leitung: Ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Johannes Grabmayer

Mitarbeiter: Mag. Christian Domenig

Laufzeit: Oktober 1999 bis September 2001

Im Zentrum des Forschungsinteresses steht die „Lebenswelt“ der Cillier innerhalb der 100 Jahre ihres Aufblühens und Absterbens, jene Welt, auf die sie intentional ausgerichtet waren, die Cillier als „Menschen aus Fleisch und Blut“ mit ihren Traditionen, Erfahrungen und Interessen, die Vernetzung von kulturellen und herrschaftlichen und damit auch ökonomischen Dimensionen, und der Konnex von gesellschaftlichen Strukturen mit der Praxis der Subjekte. Gerade dieses verwandtschaftlich so weitverzweigte Geschlecht kann Aufschlüsse über die Adelsstruktur Europas, insbesondere des Südostens, und ihre multikulturellen Konnexe geben (z.B. Heiratsverbindungen der Cillier nach Polen, Ungarn, Serbien, Bosnien, ...).

Die ausgezeichntete Quellenlage sollte es nach einer möglichst vollständigen Erfassung und Analyse des Quellenmaterials ermöglichen, vergangene Welten dieser Epoche des Aufbruches, nicht Absterbens, wie der Begriff „Spätmittelalter“ fälschlich immer wieder suggeriert, wenigstens teilweise und annähernd zu rekonstruieren und Einsichten in die Konstitution historischer Handlungs- und Ereigniszusammenhänge zu gewähren. Durch die Analyse der (vorwiegend schriftlichen) „Überreste“ der Grafen von Cilli, deren Einflußbereich sich von Kärnten und Krain bis Kroatien und Ungarn und weit darüber hinaus erstreckte, und deren Verflechtungen zu Recht als „übernational“ bezeichnet wurden, werden auch Einsichten in kurz- wie längerfristige historische Prozesse möglich und damit ein – wenn auch perspektivisch begrenzter – Einblick in „die Welt des Spätmittelalters“, nicht nur, wenn auch vorrangig, aus der Perspektive der Hocharistokratie. Bruchstücke der verschütteten Realkultur weit über den eigentlichen Untersuchungsrahmen „die Cillier“ hinaus kommen zum Vorschein und ermöglichen „Verstehen“, ein Verstehen im Sinne Horst Fuhrmanns, der die menschliche Komponente in den Mittelpunkt seines Interesses stellt. Es kann nicht um die tatsächliche vollständige Rekonstruktion vergangenen Geschehens gehen, wohl aber um den Versuch des Verstehenwollens einer anderen, fremden, weil längst vergangenen Welt. Grundlegende Bedeutung kommt dem „Dialog“ mit den Menschen der Vergangenheit zu, diesem empirisch-interkulturellen Phänomen, und damit der heuristischen Ebene des Forschens.

Diese Überlegungen sind Inhalt einer weiteren Projektphase.

Es ist die unerläßliche und vordringliche Aufgabe des vorliegenden Projektes, den umfangreichen, jedoch weit verstreuten Quellenbestand zum Geschlecht der Grafen von Cilli (1341 - 1456) zu erfassen, zu ordnen, zu analysieren und (vor allem im Urkundenbereich) Regesten zu erstellen. Hier sollen aufgrund der zu erwartenden Fülle des Materials vor allem jene Urkunden berücksichtigt werden, die Mitglieder der Familie als Aussteller bzw. Empfänger verzeichnen.

Das Forschungskonzept der ersten Phase sieht also die Erfassung sämtlicher Quellen zum Geschlecht der Cillier vor, innerhalb des begrenzten Zeitraumes von ca. 100 Jahren, der Erhebung der Cillier in den Grafenstand bis zum Tod des letzten Vertreters dieses Geschlechtes 1456, wobei das Projekt „Die Quellen zur Geschichte der Grafen von Cilli 1341 - 1456“ in zwei parallel laufenden Schritten realisiert werden soll:

a.) Der Projektmitarbeiter erschließt und bearbeitet das Urkundencorpus und legt anschließend die Dissertation mit dem Arbeitstitel „Die Geschichte der Cillier im Lichte ihrer Urkunden 1341 - 1456“ vor, wobei die Bearbeitung der Quellen vorwiegend in Klagenfurt erfolgen soll.

b.) Der Projektleiter erfaßt und überprüft bzw. erarbeitet die edierten wie auch unedierten zeitgenössischen „narrativen“ Quellen zum Geschlecht der Cillier, von biographischen und autobiographischen Notizen über die aufschlußreiche Briefliteratur (Aeneas Silvius de Piccolominibus etwa, der spätere Papst Pius II., setzt sich in seinen Briefen immer wieder mit Ulrich II. aufschlußreich auseinander) bis hin zu Reisenotizen und vor allem zur Chronistik. Aber auch literarische Werke wie z.B. die Gedichte Peter Suchenwirts, Michael Beheims oder Thomas Prischuhs „Ticht von Konstenz“, worin auf die Cillier Bezug genommen wird, sollen berücksichtigt werden. Auch im Zuge dieser Arbeiten ist das Auffinden neuer Quellen zu erwarten. Die Forschungsergebnisse des Projektleiters werden nach Abschluß des Projektes in Form einer ausfürlichen Monographie publiziert.

Das vorliegende Projekt ist ein ausschließlich quellenorientiertes und die erste Phase eines umfassenden Forschungsvorhabens zur Geschichte der Grafen von Cilli 1341 - 1456, worin die im vorliegenden Projekt erforschten Quellenbestände interpretiert und die genannten Fragenkomplexe behandelt werden sollen. Dabei wird dem Vergleich mit anderen europäischen Hochadelsgeschlechtern besonderes Augenmerk zu gelten haben, wozu auch eine enge Kooperation mit ausländischen Kolleginnen und Kollegen erforderlich ist. Diesbezügliche positive Vorgespräche mit Prof. Bak (Budapest), Doz. Budak (Zagreb) und Dr. Kos (Ljubljana) wurden bereits geführt, weitere, insbesondere mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland werden im Zuge der Vorbereitungen noch zu führen sein.

Johannes Grabmayer