Ein
"Götterstein" aus Arndorf (Katalog Nr. 6)
Im
Hinblick auf die im Kapitol von Virunum verehrten Staatsgottheiten und
ihre antike Darstellung bietet ein Neufund aus Arndorf ein gutes und für
den Virunenser Raum bisher einzigartiges Anschauungsobjekt.
Dabei handelt es
sich um einen 84 cm hohen, im Querschnitt sechseckigen, beschrifteten
und mit Reliefs versehenen Weihealtar aus weißem, einheimischem
Marmor, der beim Bau der Wasserleitung in Arndorf im Oktober 1998 durch
den Bagger angefahren wurde. Seine Oberfläche ist verwittert, ausgewaschen
und weist einen vertikalen Sprung auf, was darauf schließen läßt,
daß der Altar bereits in der Antike geraume Zeit im Freien gelegen
hatte.
Das stark verwitterte,
zwölfzeilige Schriftfeld nennt uns in abgekürzter Form den I(uppiter)
O(ptimus) M(aximus) und den GEN(ius) AVG(usti) als Empfänger dieses
Altares, der von den darunter aufgelisteten Personen gestiftet wurde.
(Die Lesung der Zeilen 3-12 ist aufgrund des äußerst schlechten
Erhaltungszustandes derzeit noch nicht mit ausreichender Sicherheit möglich;
sie unterbleibt daher vorerst und soll gesondert veröffentlicht werden.)
Altäre, die
Weihungen an den obersten Reichs- und Schwurgott Iupiter Optimus Maximus
und den Genius (den persönlichen Schutzgott) des regierenden Kaisers
aufweisen, sind in der Mehrzahl von Beamten der Stadt- und Reichsverwaltung
in Erfüllung eines - sehr häufig mit dem beruflichen Aufstieg
verbundenen - Gelübtes gestiftet worden. Neben Familien sind als
weitere Personengruppe, die z. T. in eigenen Kultbezirken dem I O M weiht,
Benefiziarier zu nennen, Soldaten, die zu besonderer Verwendung in Zoll-,
Gendarmerie- und Wachfunktionen aber auch in das Büro des Stadthalters
abkommandiert wurden. Da der Fundort im Bereich der Straßenkreuzung
des Decumanus Maximus mit der Südtangente von Virunum (von der norischen
Hauptstraße abzweigende Fernstraße nach Celeia/Celje) liegt,
könnte sich hier theoretisch ein solcher Beneficiarierposten befunden
haben.
Den Stiftern war
an der Nennung ihrer Namen insofern gelegen, als die Errichtung eines
Altares ausgerechnet für Iupiter und den Schutzgeist des Kaisers
jedermann als sichtbares Zeichen ihrer Frömmigkeit und Loyalität
gegenüber den Göttern, dem Kaiser und dem Staate gelten mußte.
Als ursprünglicher
Aufstellungsort des Arndorfer Altares kommt sowohl ein im Weichbild der
Stadt gelegenes Heiligtum, als auch der Kapitolsbezirk in Virunum in Frage.
Grundsätzlich mußte der Blockaltar aber an einer Stelle aufgestellt
gewesen sein, an der er von allen Seiten zu betrachten und zu umschreiten
war, da ansonsten wohl auf eine derartig reiche Reliefierung verzichtet
worden wäre. Zudem geht aus der Anordnung der fünf Reliefbilder
mit ihren statuarisch auf Podesten stehenden, gleich großen und
provinziell wirkenden Darstellungen der Gottheiten klar hervor, in welcher
Richtung der Weihestein damals umschritten werden sollte. Links des Inschriftfeldes
beginnt die Bildabfolge mit der Wiedergabe, des zur Inschrift gewandten,
heroisch nackten Gottes Iupiter, der sich mit seiner linken Hand auf ein
Zepter stützt. Die weiteren Reliefs sind hierarchisch geordnet. Es
folgt zunächst Juno (Göttin der Frauen und der Ehe, Gemahlin
Jupiters), die, ebenfalls auf ein Zepter gestützt, mit bedecktem
Haupt (capite velato) und einer Opferschale (patera) in ihrer rechten
Hand beim Opfern dargestellt wird. Das Reliefbild der Minerva (Göttin
der Weisheit und der Künste, Tochter des Iupiter) gibt neben Jupiter
und Juno die dritte der Kapitolsgötter wieder. Als Herrin der Kriegskünste
trägt sie einen korinthischen Helm und einen Brustpanzer (aegis)
und stützt sich dabei auf Speer und Schild.
Die nachfolgenden
zwei Reliefbilder zeigen Diana, die Göttin der Jagd, und den Halbgott
Herkules, der, nachdem er zwölf übermenschliche Taten vollbracht
hatte, in den Olymp aufgenommen wurde. Die Darstellung der Diana ist als
einzige bewegt, indem sie mit ihrer rechten Hand zum Köcher greift,
während ihre linke Hand den noch gesenkten Bogen hält. Dabei
setzt hinter ihrem rechten Bein ein Jagdhund zum Sprung an. Herkules ist
hingegen wieder statuarisch und frontal stehend abgebildet. Nur sein Kopf
ist nach rechts, also zum Schriftfeld des Altares gewendet, welches er
gemeinsam mit Jupiter gleichsam einrahmt. Mit der abgewinkelten linken
Hand hält er einen um die Hüften geschlungenen Mantel und stützt
sich mit der rechten Hand auf seine Keule.
Derartige Altäre
dienten gewöhnlich zur Darreichung von blutigen (Kleinvieh) oder
sicher weit häufiger von unblutigen Opfern (Opferbroten, Wein, Öl,
Weihrauch). Auch werden wir davon ausgehen können, daß es sich
bei solchen Altären nicht immer um lange Zeit im vorhinein bestellte
Auftragswerke handelt, sondern, daß vergleichbare Stücke bei
den Steinmetzen vielfach auf Halde lagen, im Bedarfsfall von den Stiftern
erworben, und dann erst mit der gewünschten, zumeist stereotypen
Inschrift versehen wurden.
Verglichen mit den
qualitätsvolleren Altären aus Oberitalien, stellt der "Arndorfer
Götterstein" ein schablonenhaft wirkendes Produkt einer örtlichen
Steinmetzwerkstatt vermutlich aus der ersten Hälfte des 3. Jhs. n.
Chr. dar. Einen ähnlichen Altar mit der Darstellung von Juno und
Minerva kennen wir aus dem südlichsten norischen Municipium, der
Stadt Celeia (Celje); eine dem Neufund aus Arndorf vergleichbare Darstellung
der Göttin Minerva liegt aber auch auf einem Altar des Virunenser
Jugendbundes (collegium iuvenum s. u.; CSIR Österreich II/3, 293)
vor.
Bei der Herstellung
solcher Reliefbilder bedienten sich die Steinmetze ganz offensichtlich
verschiedener Vorlagen (Musterbücher, Schablonen, Gipsabgüsse),
wobei sich die dargestellten Götterreliefs zumeist auf griechische
Statuentypen zurückführen lassen. Römische Kopien von griechischen
Statuen waren auch in Virunum zahlreich vorhanden und wurden in örtlichen
Bildhauerateliers sogar vervielfältigt. So befindet sich unter den
Virunenser Altfunden je ein Marmorkopf einer Diana- und einer Minervastatue
(CSIR Österreich II/1, 26 u. 27).
Orientalische
Gottheiten in Virunum
Die orientalischen
Kulte, die sich seit dem Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. immer stärker
über das Imperium Romanum ausbreiteten, fanden ab der Mitte des 2.
Jhs. n. Chr. auch in Virunum ihre Anhängerschaft. Unter den zahlreichen
Mysterienreligionen scheinen vor allem der Kult des Mithras, des Iupiter
Dolichenus und der ägyptischen Isis in Virunum besonderen Zulauf
gehabt zu haben. Hier gefundene Bauinschriften liefern uns zumindest den
Nachweis dafür, daß in Virunum Heiligtümer der genannten
Kulte bestanden und auch restauriert wurden.
Kennzeichen des Mithraskultes
war der jugendliche Lichtgott Mithras, der durch die Tötung des menschenfeindlichen
Urstiers (die Tauroktonie) den Menschen Erlösung und der Welt die
Fruchtbarkeit brachte. Man vertrat die Anschauung von der Auferstehung
und Unsterblichkeit der Seele und verband Seelenwanderungsideen mit dem
kosmischen Planetensystem. Der Kult rekrutierte seine ausschließlich
männlichen Mitglieder überwiegend aus dem Militär, Verwaltungsbeamten
und römischen Bürgern, und verpflichtete diese zur Geheimhaltung
ihrer rituellen Zeremonien. Von christlichen Schriftstellern wird uns
nicht nur ein eucharistisches Mahl überliefert, sondern auch, daß
in den grottenähnlichen Mithräen (Mithrasheiligtümer) Feste
abgehalten wurden, bei denen die Mitglieder in Tiermasken auftraten. Die
Mithrasreligion war in der Spätantike der größte Konkurrent
des sich etablierenden Christentums.
Bei den Ausgrabungen
des Landesmuseums für Kärnten im westlichen Vorstadtbereich
wurde im Jahre 1992 in einer Grube eine 90 x 60 cm große, massive
Bronzetafel gefunden, die aus Anlaß der Restaurierung eines Mithrasheiligtumes
im Jahre 183 n. Chr. von 34 namentlich genannten Mitgliedern gestiftet
wurde (siehe auch Katalog Nr. 45). Die bereits im vorigen Jahrhundert
entdeckten, im Landesmuseum ausgestellten Kultbildfragmente werden mit
großer Wahrscheinlichkeit aus diesem durch Naturgewalt zerstörten
Mithräum stammen. Eine nur ein Jahr später in die Tafel eingegrabene
Inschrift läßt erkennen, daß sich die Mysten anläßlich
eines Seuchensterbens (der sog. Antoninischen Pest) zu einer Trauerfeier
im Tempel eingefunden haben, um fünf ihrer Kultgenossen zu betrauern.
Die in unterschiedlicher Schriftführung eingegrabene Mitgliederliste,
zeigt überdies auf, daß Neuaufnahmen nur einmal jährlich
erfolgten. Durch den starken Zustrom der Bevölkerung zum Mithraskult
war die Virunenser Kultgemeinschaft bereits zu Beginn des 3. Jahrhunderts
so groß, daß ein zweites Mithräum in Virunum gebaut werden,
und sich die Gemeinde aus Platzgründen spalten mußte.
Wenngleich wir die
Lage keines der beiden Mithrasheiligtümer in Virunum kennen, wird
ihr Grundriß kaum von der kanonischen Bauform abgewichen sein. Mithräen
sind langrechteckige, oft in einer Apsis endende Kellerbauten mit Bänken
an den Längsseiten und vermochten rund 50 Eingeweihten Raum für
Versammlungen zu bieten. Dem Eingang gegenüber befand sich das Kultbild,
das den Sonnengott Mithras bei der Tötung des Stieres zeigte (vgl.
Abb.8). Das Gewölbe des Mithräums, in dem die Bronzeinschrift
hing, war, wie auf dieser ausdrücklich festgehalten ist, sogar mit
Wandmalereien ausgeschmückt. Zum Tempelinventar zählten auch
Schlangengefäße, wie sie im Umfeld der Fundstelle der Bronzetafel
am westlichen Stadtrand Virunums ergraben wurden (siehe Katalog Nr. 46).
Nach der Eroberung
der syrischen Landschaft Commagene (71 n. Chr.) wurde auch der Kult des
in der Stadt Doliche verehrten Gottes Baal durch militärische Hilfstruppen
im gesamten Imperium Romanum allmählich verbreitet. Auch hierbei
handelt es sich wieder um eine Himmels- und Erlösergottheit. Iupiter
Optimus Maximus Dolichenus wird auf Kultbildern auf einem Stier stehend
dargestellt. Er hält ein Blitzbündel und eine Doppelaxt in seinen
Händen; sein Haupt ist mit einer phrygischen Mütze (ursprünglich
Mütze aus hartgegerbtem Unterbauchleder eines Stiers) bedeckt. Seine
Begleiterin Juno Regina wird wie auf einem Relief vom Lambrechtskogel
auf einer Hirschkuh stehend wiedergegeben. Über die in diesem orientalischen
Kult gepflogenen Riten sind wir nur unzureichend informiert; rituelle
Kultmähler haben aber auch hier sicher eine wichtige Rolle gespielt.
Eine im Jahre 1838
nördlich des Prunnerkreuzes am nördlichen Stadtrand von Virunum
ausgeackerte Bauinschrift belegt jedenfalls, daß auch in Virunum
ein "Dolichenum" genanntes Heiligtum (gebaut 189 n. Chr.) dieser typischen
Soldatenreligion existierte. Die Inschrift nennt eigens einen Versammlungsraum
(triclinium), der wohl zur Abhaltung der genannten Kultmähler bestimmt
war.
Unweit der Fundstelle
der Bauinschrift gelang es dann Rudolf Egger im Jahre 1913, ein aus vier
Räumen bestehendes Gebäude (17,7 x 11,6 m) zu untersuchen, das
aufgrund des daraus geborgenen Kultinventars (verbrannte Altäre,
Fragmente von drei nicht mehr identifizierbaren Skulpturen) als Dolichenusheiligtum
bezeichnet wurde.
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