Aus einer bewaldeten Hügelkette am Ostrand des
Zollfeldes, einer der bedeutendsten Kulturlandschaften Kärntens, erhebt
sich mit 1058 m Höhe der Magdalensberg (Abb. 1). Auf diesem Berg hatte
im Jahre 1502 der zufällig gemachte Fund einer lebensgroßen Bronzestatue
besonderes Aufsehen erregt und gewissermaßen seit damals die Aufmerksamkeit
insbesondere der umwohnenden Bevölkerung auf sich gelenkt. Weitere Funde
in der Folgezeit führten schließlich ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts
zu ersten, vom Geschichtsverein für Kärnten geleiteten Ausgrabungen, die
allerdings durch den Ersten Weltkrieg unterbunden wurden. Sie stellten
damals bereits den großen Umfang der Siedlung sowie einzelne Details ihrer
Verbauung, darunter die Gräberstraße, fest, führten aber andererseits
zur Ansicht, in den Ruinen auf dem Magdalensberg eine «Villenkolonie»
der Hauptstadt der römischen Provinz Noricum, des Municipium
Claudium Virunum, dieses jedoch gelegen auf dem Zollfeld, angetroffen
zu haben. Spätere Untersuchungen des Fundmaterials und insbesondere die
seit 1948 vom Österreichischen Archäologischen Institut wiederbegonnenen
und in weiterer Folge jährlich vom Landesmuseum für Kärnten durchgeführten
systematischen Ausgrabungen haben allerdings gezeigt, daß die Anlage zeitlich
keineswegs der genannten Stadt entspricht, sondern dieser vielmehr um
gute 100 Jahre vorausgeht, und als solche gewissermaßen deren Vorgängerin
bedeutet. Dieser somit erschlossene Zeitraum um die Mitte
des 1. Jh. v. Chr. und die unmittelbar folgenden Jahrzehnte bedeuteten
für den inneren Ostalpenraum eine Epoche der Veränderungen seiner politischen
Strukturen, aber auch gleichzeitig den Beginn seiner Romanisierung. Die
frühesten aus der antiken Literatur überlieferten Nachrichten über die
Bevölkerung des genannten Gebietes (Galli
transalpini) und über deren Beziehungen zu den Römern und umgekehrt,
betreffen zwar fast ausschließlich die militärischen und politisch‑diplomatischen
Maßnahmen Roms als Folge der Einwanderung einer Keltenschar im Jahre
186 v. Chr. aus diesem Gebiet nach Oberitalien und deren Versuch zur Begründung
eines festen Siedlungsplatzes ebendort, im Umfeld der wenig später dahin
deduzierten Colonia Aquileia. Gerade aber das in diesem
Zusammenhang auffallende, nahezu zurückhaltende Taktieren der Römer in
der Wahl der Mittel zur Zurückweisung der Einwanderer über die Alpen,
macht aufmerksam, daß diesem Vorfall offensichtlich wohl schon durch längere
Zeit Kontakte vorausgegangen sein dürften, welche, aufgrund mangelnder
Quellenhinweise, aber doch eingedenk des Reichtums des Ostalpengebietes
an verschiedenen nutzbaren Metallen, zumindest als solche von Handelsbeziehungen
im weitesten Sinn zu umschreiben sein werden. Die Tatsache, daß oberitalische
Veneter bereits vor den erwähnten Ereignissen derartige Beziehungen zu
den Alpenkelten pflegten, vermochte zwischen diesen und den römischen
Handelsinteressen vielleicht ursprünglich eine Vermittlerrolle bewirkt
zu haben, die in der Folge schließlich zur Eigenständigkeit des römischen
Handels mit den maßgeblichen Keltenstämmen im Ostalpenraum führten; der
literarisch überlieferte Hinweis darauf, daß die Einwanderer des Jahres
186 v. Chr. auf einem bisher unbekannten Weg über die Alpen nach Italien
gelangt waren, läßt insbesondere darauf schließen, daß zu diesem Zeitpunkt
den Römern, bzw. den römischen Händlern, die wesentlichen Übergänge von
Oberitalien in das innere Ostalpengebiet durchaus bekannt gewesen sind.
Ein Umstand, der eigentlich nur durch die zuvor genannten Ursachen und
Entwicklungen zu begründen ist. Der weitere historische Ereignisablauf ist hier
nur insofern von Interesse, als wenig später, 170 v. Chr., der römische
Senat mit dem König der Noriker ‑ des aufgrund der reichen Eisenerzvorkommen
in seinem Siedlungsraum offenbar wirtschaftlich mächtigsten und wohl deshalb
einflußreichsten Stammes in den südlichen Ostalpen ‑ ein «hospitium
publicum» abschloß, welches zur weiteren Intensivierung des Handels zwischen
beiden Bereichen beitragen sollte. Im inneren Ostalpenraum hatte inzwischen
allem Anschein nach der König des Norikerstammes eine gewissermaßen hegemoniale
Machtstellung über die anderen Stämme des Gebietes erlangt, allerdings
unter möglichst uneingeschränkter Selbständigkeit derselben und ihrer
jeweiligen eigenen Könige oder Fürsten, so daß der von den Römern für
das politische Stammesgefüge im Ostalpenraum schließlich geprägte Begriff
des «Königreiches der Noriker» (regnum
Noricum), nur als Bezeichnung für eine gleichsam gemeinsame und durch
den König des Norikerstammes als Hegemon personifizierte Klammer über
das Ganze zu verstehen sein wird. Dies kommt insbesondere durch die in
der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. einsetzende norische Münzprägung zum
Ausdruck, welche, offenbar von mehreren Stammeskönigen im Sinne ihrer
eigenen Münzhoheit auch gleichzeitig wahrgenommen, ein sichtbares Zeichen
für die zuvor genannte innere Struktur des regnum
Noricum darstellt, andererseits jedoch ebenso auf die inzwischen
fortgeschrittene Entwicklung des Handels im norischen Bereich und dessen
Wirtschaftsbeziehungen zum Mittelmeerraum hinweist. Die Anlage vor der römischen Okkupation In diesen historischen und zeitlichen Rahmen
sind innerhalb des alpinen Keltenlandes zumindest zwei größere Niederlassungen
römischer Händler einzuordnen, welche im Siedlungsgebiet zweier verschiedener
Stämme des regnum Noricum entstanden
sind und deren Anlage, den damaligen Gegebenheiten der römischen Wirtschaftsinteressen
entsprechend, allem Anschein nach durch Handelsfirmen aus dem inzwischen
zum verwaltungs‑ und handelspolitischen Zentrum der Römer an der
oberen Adria erstarkten Aquileia, erfolgt ist. Dies betrifft einmal die
römische Niederlassung im Bereich des vermutlichen Siedlungszentrums
des das obere Gailtal bewohnenden Keltenstammes der Ambilini oder Ambilici, sofern
die Lokalisierung derselben auf den mit der nachantiken Bezeichnung
Gurina benannten Hochflächen nördlich von Dellach im Gailtal richtig
ist; zum zweiten die umfangreiche und bisher weitläufigst erforschte Ansiedlung
römischer Händler auf dem Magdalensberg, im zentralen Siedlungsraum des
Stammes der Norici, am nordöstlichen
Rande des Zollfeldes in Mittelkärnten. Auffällig ist, daß sich im Umfeld beider Anlagen
Metallbergbaue befanden ‑ auf der Gurina solche für Galmei, im Hinterland
des Magdalensberges die wichtigsten Eisenerzvorkommen der Region ‑
so daß diese Umstände wohl als eine der wesentlichen Ursachen für das
Interesse des römischen Handels an Niederlassungen im norischen Raum gelten
können. Erfolgte diese auf der Gurina offensichtlich unmittelbar im Bereich
der zumindest seit der Hallstattzeit kontinuierlich belegbaren Siedlung
der Einheimischen, so fehlt auf dem Magdalensberg bis jetzt der Nachweis
jener einheimischen Vorgängersiedlung, wenn auch die Anwesenheit des einheimischen
Bevölkerungselementes innerhalb der römischen Anlage mehr als ausreichend
belegt ist‑, hingewiesen sei allgemein nur auf Kleinfunde, Keramik,
epigraphische Zeugnisse und sogar auf Porträtskulpturen einheimischer
Frauen. So kann wohl nur ein zentraler Ort des Noriker‑Stammes im
unmittelbaren Umfeld des Berges, vielleicht in Verbindung mit einem sakralen
Mittelpunkt auf dessen Gipfel, schließlich die Voraussetzung für die
Niederlassung römischer Händler in nächster Umgebung dieses einheimischen
Ortes gebildet haben. Es ist kaum vorstellbar, was ansonsten die Römer
veranlaßt hätte, dort, in mehr als 1000 m Seehöhe, etwa um die Mitte des
1. Jhs. v. Chr. eine Siedlung anzulegen, die in fast unmittelbarer Folge
stadtartigen Charakter annehmen und sich offensichtlich zum Mittelpunkt
des Italienhandels für inneralpine Bergbauprodukte und zum Emporium für
den römischen Import in den südlichen Ostalpenraum entwickeln sollte.
Zweifelsohne werden dabei auch die durch das hospitium publicum geschaffenen Voraussetzungen und Bedingungen bedacht
worden sein. Wohl der Benennung der postulierten einheimischen
Siedlung folgend, werden die Römer ihre Anlage ebenso mit dem Namen Virunum bezeichnet haben. Für diese Annahme
bieten epigraphische und literarische Quellen ausreichende Grundlagen.
Schon die erste, in die frühe Epoche des Emporiums zu datierende Bauperiode
ist gekennzeichnet durch ein nach italischen Vorbildern errichtetes, umfangreiches
Forum mit einer Reihe von allseitig angrenzenden Tabernen. Eine auffallend
große, den Platz im Osten dominierende und dem Handel wie vielleicht auch
der lokalen Verwaltung ‑ im Sinne eines conventus
civium Romanorum negotiandi causa ‑ dienende Basilika (Abb.
2) unterstreicht überdies die bereits fortgeschrittene Entwicklung innerhalb
der zuvor erwähnten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Italien und
dem norischen Alpenraum. Von Anbeginn der Baumaßnahmen und während deren
kontinuierlicher Fortsetzung ist ein urbanistisches Planungskonzept im
Sinne einer großzügig angelegten Siedlung mit städtischem Charakter und
Zentralfunktion deutlich erkennbar. Dieser Umstand entsprach, über die
unmittelbar lokalen Erfordernisse hinaus, zweifellos auch den Bestrebungen
der Romanisierung und unterstrich dadurch die Bedeutung, die römischen
Händlern in diesen Belangen damals ebenso zugekommen ist, wie sie später
dem Militär und der Verwaltung eigen wurde. Norisches Eisen und römischer Import Neben den erwähnten Gebäuden kennzeichnen auch
zahlreiche, teilweise in ummauerten Höfen errichtete Schmelzanlagen zur
Verhüttung norischer Eisenerze die frühe Bauphase. Dadurch ist die Siedlung
damals nicht nur als Stätte des Handels, sondern auch als Ort der Herstellung
von Produkten aus jenem stahlartigen Eisen charakterisiert, das seit
dieser Zeit, gewissermaßen mit dem Qualitätsbegriff ferrum Noricum behaftet, Eingang in die römische Literatur gefunden
hat. Es wird wohl davon auszugehen sein, daß sich die römischen Unternehmer
bei den Herstellungsverfahren für den norischen Stahl des Wissens und
der Technik der Einheimischen bedient haben werden, in deren Eigentum
sich schließlich die Abbaustätten des Erzes auch befanden. Aus den Häusern
um das Forum wiederum, denen in der Folgezeit in der Umgebung des Zentrums
rasch weitere folgten und die oft aufwendige Innenausstattungen mit Wandfresken
besaßen, stammt im wesentlichen das reiche Fundmaterial an Ritzinschriften,
tesserae nummulariae und ealeuli, welche, gemeinsam mit den aus
den Grabbauten des Friedhofes geborgenen Grabinschriften, die Anwesenheit
der vielfach dem Stand der Freigelassenen angehörenden Procuratoren vornehmlich
norditalischer Handelsfirmen in der Stadt bezeugen und so den Großhandel
mit norischen Stahl‑ und anderen Metallprodukten wie auch einzelne
Praktiken des römischen Zahlungsverkehrs nachweisen. Was insbesondere
den Ablauf des Eisenhandels betrifft, wird man annehmen können, daß im
Sinne der Großhandelsgeschäfte von den einzelnen Händlern in ihren Kontoren
die Bestellungen entgegengenommen und mit den Lieferanten die Preise ausgehandelt
wurden ‑ auf solche und ähnliche Vorgänge weisen die Ritzinschriften,
gefunden in einzelnen Kellermagazinen, hin. Daran wird sich in weiterer
Folge die Lieferung der Waren, in der Mehrzahl wohl aus den eigentlichen,
im Umfeld der einheimischen Erzabbaustätten gelegenen Fertigungsbereichen,
nach dem Süden angeschlossen haben (Abb. 3). Neueste Funde erweisen den Magdalensberg offensichtlich
auch als zentralen Ort für den Export von alpinen Bergkristallen nach
Italien, und wenn Plinius in der naturalis
historia später von der Herkunft hervorragender Quarze aus dem Alpengebiet
spricht, so ist die Annahme erlaubt, daß diese in der früheren Zeit den
Weg von dort nach Italien auch über das Emporium auf dem Magdalensberg
genommen haben werden (Abb. 4). Der «Jüngling vom Magdalensberg»Ein bezeichnendes Licht auf die Bedeutung der
Anlage für die Interessen des römischen Handels wirft auch die etwa um
diese Zeit erfolgte Stiftung einer lebensgroßen Bronzestatue eines Jünglings
in betender Haltung ‑ ein eklektisches Werk einer italischen Werkstätte
der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. ‑ durch zwei als Händler anzusprechende
Freigelassene aus Oberitalien, wohl in das zuvor erwähnte Heiligtum
auf dem Gipfel des Magdalensberges. Die ehemalige Bestimmung der Statue
im Zusammenhang nüt dem Ort ihrer Aufstellung ist allerdings noch nicht
eindeutig geklärt (Abb. 9). In jüngerer Zeit
reichen die Interpretationen von der Kultstatue eines keltischen Mars
in einem entsprechenden Heiligtum am Berggipfel, über einen ein Opfertier
schlachtenden Noreia‑Priester als Detail einer dieser einheimischen
Göttin geweihten Statuengruppe, bis zur Annahme, die Plastik wäre von
Anfang an als Merkurstatue aufgefaßt und als solche im Bereich des Forums
der Stadt aufgestellt worden. Hinsichtlich der erwogenen Standorte dürfte
die letztere Interpretation allerdings am wenigsten zutreffen. Schließlich
wurde erst unlängst überlegt, in der Statue das Bildnis eines mit der
Gründungssage von Virunum verknüpften Heros zu sehen. Im Jahre 1502 entdeckt,
bedeutet sie nach wie vor den bisher einzigen Fund einer derartigen Großplastik
im gesamten Ostalpenraum und weit darüber hinaus. Ungeachtet der Tatsache,
daß sie heute nur als renaissancezeitlicher Abguß und nicht mehr als
Original vorliegt. Auf dem künstlich terrassierten Berghang östlich
des Forums gelegene Werkstätten mit Schmelzöfen für Buntmetalle, insbesondere
für die Herstellung von Gegenständen weniger aus Bronze als aus Messing,
zeigen, daß in der Siedlung neben dem Handel auch ein gewisser Schwerpunkt
im Bereich der Produktion von Fibeln, Gürtelschnallen und anderen Details
der einheimischen Tracht sowie von Metallgefäßen verschiedener Art, bestimmt
für den Export wie für den heimischen Markt, gelegen hat (Abb. 7). Ein
technisch raffiniert angelegtes Brunnen‑ und Kanalsystem leitete
Nutzwasser in die Werkstätten, die teilweise eigene tief in den Fels gegrabene
Brunnenschächte besaßen. Einzelne Gebäude waren zu kleinen Einheiten
zusammengefaßt und bestanden aus einem Arbeitsraum, einem kleinem Vorhof
und einem Wohnraum. Offensichtlich wurden derartige Werkstätten auch
vielfach von römischen Unternehmern mit Hilfe einheimischer Arbeitskräfte
betrieben, die ihrerseits auch gleichzeitig als Importeure bzw. Spediteure
von italischen Waren hierher fungierten. Historisch betrachtet, befand sich das regnum Noricum in diesen letzten Jahrzehnten
des 1. Jhs. v. Chr. auf dem Höhepunkt seiner innenpolitischen Machtstellung
sowie seiner außenpolitischen Geltung und blickte auf seine umfangreichste
territoriale Ausdehnung. Im regnum
Noricum manifestierte sich vor seiner Okkupation durch Rom, im Rahmen
der Alpenkriege des Kaisers Augustus (27 v.Chr.‑14 n.Chr.) im Jahre
15 v. Chr., die Bedeutung des kontinentalen europäischen Keltentums gewissermaßen
zum letzten Mal. Dieser Stellung wird eine umfangreich angelegte und zweifellos
von römischen Baumeistern in den Jahren um 20 v. Chr. zusätzlich auf dem
Gipfel des Berges errichtete Festung gerecht, die vermutlich dem Norikerkönig,
zumindest zeitweilig, als repräsentativer Sitz gedient haben wird. Die gleichzeitig bestehenden Bauten der römischen
Händler auf den Berghängen darunter, sowohl ihre tabernae und Kontore als auch ihre Wohnhäuser,
sind ebenso nach den Gepflogenheiten römischer Baumeister errichtet worden,
wenn auch mitunter aus klimatischen Gründen und nach Erfordernissen der
örtlichen Gegebenheiten, einzelne Adaptierungen einheimischer
Bautraditionen erforderlich wurden. Im Grunde bilden die Hausformen
Derivate italischer Zweckbauten, welche in abgewandelter Form die insula
als eine Verbindung von Wohnräumen und Tabernen, hier auf bescheidene
Ausmaße beschränkt, wiedergeben und an die lokalen Erfordernisse anpassen.
Als besonders eindrucksvoll sind hier die in den letzten Jahren auf dem
terrassierten Hang südlich des Forums freigelegten doppelgeschossigen
Häuser mit bis zu 15 x 6 m Umfang und über 10 m ehemaliger Firsthöhe
anzuführen, die einzigen Bauten dieser Dimensionen und Zeitstellung, die
bisher im Ostalpengebiet und seiner weiteren Umgebung ausgegraben werden
konnten (Abb. 8). Bei allen Anlagen erweist sich
die Beachtung des römischen Fußmaßes in der Dimensionierung der Mauerlängen
und Mauerbreiten. Es zeigt sich ebenfalls die Verwendung von Mörtelverputz
an den Innen‑ und Außenwänden der Mauern sowie von Fachwerkwänden
(opus craticium) zur Raumteilung
und die Aufbringung von Mörtelestrichen, Terrazzoböden oder, in einzelnen
Fällen, von Mosaikböden in den Räumen der Häuser. Steinmetzarbeiten, wie Gesimse, Verkleidungsplatten
und Pilaster sowie Gegenstände de‑, Alltags, aus lokalem Marmor
gefertigt, weisen einerseits auf die Anwesenheit derartiger Handwerker
aus dem Süden hin, andererseits auf die Nutzung der bodenständigen Marmorvorkommen.
Diese lieferten auch das Material für Grabstelen, Grabreliefs und Grabporträts,
geschaffen von römischen Bildhauern, nicht nur für hier verstorbene Römer,
sondern auch für Angehörige der einheimischen Bevölkerung (Abb.
14). Die erwähnten Skulpturen sind die frühesten Beispiele römischer
Bildhauerkunst innerhalb der Austria Romana und erlauben den Nachweis
eines Bildhauerateliers in der Stadt bereits in frühaugusteischer Zeit. Zu diesem reichen und vielfältigen kulturellen
Zustrom, der, den Handel begleitend, das Alt‑Virunum auf dem Berge
erreichte und in seiner dortigen Entfaltung auf die norische Bevölkerung
des Umfeldes wohl kaum ohne Einfluß und Wirkung geblieben ist, läßt sich
zusammenfassend bemerken, daß dieser sicher auch die wesentlichen Grundpfeiler
für die Romanisierung insbesondere des südlichen Ostalpenraumes gebildet
hat. Dieses Phänomen hat hier bereits etwa ab der Mitte des 1 . Jhs. v.
Chr. vehement eingesetzt und weitergewirkt, so daß sich die provinzialrömische
Kultur und Lebensart (Abb. 17), nach der römischen Okkupation des Königreiches
und dessen späterer Umwandlung zur römischen Provinz, vorwiegend im Süden
derselben geradezu nahtlos an die älteren Gegebenheben anschließen und
wesentlich früher als in ihren nördlichen Bereichen, voll entfalten konnte.
Die Stadt auf dem Magdalensberg kann für sich in Anspruch nehmen, einer
der wesentlichsten Vorreiter und Vermittler für die Romanisierung des
Ostalpengebietes gewesen zu sein. Die Anlage nach der römischen Okkupation Das historisch bedeutsame Ereignis der, wie
man weiß, im wesentlichen friedlichen römischen Okkupation und der dadurch
hervorgerufene Wechsel der Machtverhältnisse im Ostalpenraum, brachten
für das Alt‑Virunum auf dem Magdalensberg keine merkbaren negativen
Auswirkungen. Im Gegenteil, der Ort steigerte in der Folgezeit seine Bedeutung
als hier der Sitz der Besatzungsverwaltung, darunter auch das Militär,
eingerichtet wurde. Insbesondere ab der Regierungszeit des Kaisers Tiberius
(14‑37 n. Chr.) zeichneten sich u. a. neue Baumaßnahmen und eine
steigende Einwohnerzahl deutlich ab. Als obersten Vertreter der neuen
Machthaber wird man vermutlich einen hohen Offizier des mit der Okkupation
betrauten illyrischen Heeresverbandes und versehen mit den Befugnissen
eines praefectus civitatium anzunehmen haben, der mit seinem militärischen
Stab und Personal nunmehr in der Stadt Quartier bezog. Auf diese Vorgänge weisen jedenfalls umfangreiche und entscheidende, das
städtische Zentrum, aber auch seine Umgebung damals erfassende Um‑
und Neubauten hin‑, sie setzen etwa mit dem Zeitpunkt der Okkupation
ein, haben ihren Schwerpunkt in hochaugusteischer sowie frühtiberischer
Zeit und dauern im Grunde genommen bis in die frühclaudische Epoche an,
und betreffen Bauten sowohl offiziell‑profanen als auch sakralen
wie handwerklichen, kommerziellen und privaten Charakters. Als auffällig
wäre zusätzlich noch anzumerken, daß in frühtiberischer Zeit die Festungsanlage
auf dem Berggipfel geschleift wurde, wobei das dabei frei gewordene, umfangreiche
Bruchsteinmaterial in der Folge vielleicht bei den erwähnten Neubauten
Verwendung gefunden haben könnte. Jedenfalls ergibt sich für den Bereich des Zentrums,
das Forum, ein vollkommen verändertes Bild. Die alte Händlerbasilika
im Osten wird abgetragen, im Nordwestteil des Forums entstehen nach einzelnen
Zwischenphasen und Umbauten, über älteren Tabernenkonstruktionen ein
Badegebäude mit entsprechenden Räumen, Fußbodenheizung und Mosaikböden
und benachbart offensichtlich bereits Einrichtungen der Okkupationsverwaltung.
Als Sitz römischer Verwaltungsinstanzen werden diese Bauten endgültig
erst in tiberischer Zeit gewidmet, nachdem das Badegebäude zu einem Versammlungshaus
umgestaltet und daran, gegen Osten, ein Praetorium in basilikaler Bauform
mit hohem Tribunal an der Westseite angeschlossen wurde. Beide Bauten
verband, allerdings nur strukturell, ein mit Wandmalerei des frühen 3.
Stils geschmückter Sitzungssaal. Das Versammlungshaus selbst bestand samt
Eingangskorridor aus vier Räumen, welche als Sitzungssaal, Archiv und
Vorraum interpretiert werden können. Der Sitzungssaal war mit einer Hypokaustheizung
ausgestattet. Der folgende Raum wies Wandnischen auf, die noch aus der
Vorgängerphase stammten. Des weiteren wurde innerhalb
eines weitläufig ummauerten Sakralbezirkes, an der Nordseite des Forums
und östlich an das Praetorium angrenzend gelegen, ein 30,15 x 17,60 m
großer Podiumtempel mit doppelter Cella erbaut, der offensichtlich dem
Kaiserkult und somit dem Divus Augustus und der Dea Roma vorbehalten war. Auf eine solche
Funktion deuten unter anderem zwei an der Südmauer des Tempelbezirkes
gefundene Altarfundamente hin. Die Mitte der Nordfront des Forums dominierend,
wurde das Sakralgebäude in der ersten Bauperiode als templum in antis mit tetrastyler Fassade erbaut und sollte in frühclaudischer
Zeit zu einem einfachen Peripteraltempel mit hexastyler Front umgestaltet
werden. Wenn dieses letztere Bauvorhaben auch unvollendet geblieben ist,
so gehört dieser Tempel dennoch zu den großen Tempelbauten in den römischen
Provinzen und bedeutet die früheste Konstruktion dieser Art innerhalb
der Austria Romana. Im Nordosten und Osten des
Platzes blieb noch ausreichend Raum für die dem Handel vorbehaltenen Gebäude,
die teilweise zwar ebenfalls Umbaumaßnahmen erfuhren, doch wurde das
Handels‑ und Geschäftsleben in der Stadt von allen diesen Ereignissen
offenbar nicht wesentlich negativ beeinflußt. Auf dem Hanggelände östlich
des Forums ergaben sich insofern neue Aspekte, als zahlreiche Buntmetallwerkstätten
nun abgetragen und durch neue, überwiegend Wohnzwecken dienende Gebäude
ersetzt wurden. Diese Bauten setzen sich südlich
einer neu angelegten, unter anderem zu einem Doppeltor führenden
Verbindungsstraße, in einem etwa zeitgleich konzipierten und verwirklichten
Wohnbezirk hangabwärts fort (Abb. 15). Von umfangreichen Umbauten war auch der gesamte
Bereich südlich und südwestlich des Forums betroffen. Dort erhob sich
auf einer das Forum etwas überragenden Terrasse ein Badegebäude, das jene
älteren Thermenanlagen auf der Westseite des Platzes nach deren Neugestaltung
zu einem Versammlungshaus ersetzt hatte. In weiterer Folge entstand hier
ein zusammenhängender, vielleicht
den Charaker eines diversorium besitzender
Gebäudekomplex, bestehend aus dem Bad mit seinen einzelnen Räumen, einer
umfangreichen Küche mit Bratherden und Backöfen sowie zwei Speiseräumen
und weiteren Verbauungen, die wegen ihres schlechten Erhaltungszustandes
jedoch nicht sicher zu deuten sind. Großbauten der frühen Kaiserzeit Auf dem östlich darunter und südlich des Forums
befindlichen Gelände ist in den letzten Jahren die vorläufig umfangreichste
zusammengehörige Baugruppe der Stadt freigelegt worden (Abb. 16). Die
über zwei größtenteils künstlich geschaffene Terrassen hinwegreichende
Verbauung läßt auf der oberen Ebene in einer älteren Phase Wohnräume erkennen,
in der jüngeren jedoch ein Werkstättenensemble nach Art einer umfangreichen
fabrica. Von den Werkstätten gelangte man
über Treppenanlagen in das Obergeschoß der doppelgeschossigen Häuser,
die mit einer Fläche von mehr als 90 m' sowie ehemaligen Firsthöhen von
über 10 m, wohl die bisher größten Gebäude der frührömischen Zeit im Ostalpengebiet
und in dessen Umfeld vorstellen. Ihre Lage unweit der Verwaltungseinrichtungen
an der Westseite des Forums läßt zumindest vermuten, daß auch diese Großbauten
für bestimmte Belange der offiziellen Administration Verwendung gefunden
haben. In dem am vorläufig östlichsten Punkt ausgegrabenen Haus wurde
jedenfalls während dessen letzter Bauperiode eine allseitig abgeschlossene
Schmelzwerkstätte mit 15 nebeneinander gelegenen, kleinen Schmelzplätzen
eingerichtet, die den Eindruck einer gewissermaßen streng kontrollierten
Arbeitsstätte erweckt. Bedauerlicherweise mangeln zur Zeit noch eindeutige
Ergebnisse der Untersuchungen hinsichtlich des hier einst verarbeiteten
Metalls, doch erlauben im westlich angrenzenden Gebäude zuvor gefundene,
marmorne Gußformen für Goldbarren, immerhin die Vermutung, in diesen Einrichtungen
die Schmelzöfen zur Herstellung dieser Barren angetroffen zu haben (Abb.
18). Die jeweils in den Boden der Barrengußformen eingearbeitete, stempelartige
Inschrift weist das Gold dem Eigentum des Kaisers Caligula (37‑41
n. Chr.) zu und bestätigt seine Herkunft aus den norischen Goldvorkommen
(aurariae Noricae). Daraus ist zu folgern,
daß ein gewisser Teil des kaiserlichen Goldbedarfes damals aus dem römisch
besetzten Noricum gedeckt wurde. Zu diesem Zweck wurde das edle Metall
von den norischen Goldlagerstätten offensichtlich in die Stadt auf dem
Magdalensberg gebracht, dort geschmolzen, zu Barren gegossen und schließlich
nach Rom transportiert. Auch hinsichtlich des Eisenwesens wäre zu bedenken,
ob nicht bereits in dieser Zeit aufgrund der geänderten Machtverhältnisse,
zumindest der kaiserliche Fiscus an die Stelle der vormaligen norischen
Eigentümer der ferrariae Noricae
getreten ist, selbst wenn sich Änderungen in den diesbezüglichen
Verwaltungspraktiken während der Okkupationszeit unmittelbar noch nicht
nachweisen lassen. Derartige Maßnahmen erfordern jedoch stets die Anwesenheit
von offiziellem Verwaltungspersonal. In diesem Fall wäre die Bedeutung
von Alt‑Virunum als Sitz derartiger Einrichtungen neben jenen der
eigentlichen Okkupationsverwaltung zusätzlich hervorgehoben worden. Wie bereits zuvor erwähnt, setzte sich dieses
Personal im wesentlichen aus einzelnen militärischen Stäben, die aus den
Okkupationsverbänden ausgewählt wurden, zusammen. Auf solche wie wohl
auch auf Sicherheitskräfte beziehen sich die umfangreichen Nachweise für
die Anwesenheit von Militär in der Stadt (Abb. 19). Grabinschriften bezeugen
Veteranen der legio VIII Augusta sowie die Aufstellung
und Anwesenheit einer Hilfstruppeneinheit aus Einheimischen, die cohors Montanorum prima. Gegenstände der
militärischen Ausrüstung und Bewaffnung (militaria),
die innerhalb der Stadt in eigenen, dazu bestimmten Werkstätten gefertigt
oder repariert wurden, müssen ebenfalls hinzugerechnet werden. Für diese
Truppenkontingente hat offensichtlich ein 1990 auf einer Terrasse westlich
und etwa 30 m über dem Versammlungshaus und Praetorium freigelegtes
und in die Zeit um 20 n. Chr. datiertes Gebäude als Stabsgebäude und Fahnenheiligtum
gedient. Sein Grundriß erinnert stark an militärische Principiabauten
und zeigt eine von einem freien Terrassenhof über eine breite Treppe erreichbare
Porticus, welche drei nebeneinander angeordneten Sälen vorgelagert ist.
Zahlreiche in die Wandbemalung der Pfeilerhalle eingeritzte Gladiatorendarstellungen
weisen vermehrt auf einen Zusammenhang des Baues mit den hier stationierten
militärischen Einheiten hin. Während dieser Epoche hat die Stadt zweifelsohne
ihre größte Blütezeit erreicht und gleichzeitig eine Ausdehnung, die
weit über das derzeit freigelegte Gelände hinausgegangen ist und insgesamt
wahrscheinlich mehr als 2 kM2 betragen haben wird. Nach wie vor dominierte
neben den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Okkupationsverwaltung,
die auch wesentliche Impulse zur Romanisierung beitrugen, der Handel
das Leben der Stadt und der Bewohner. Auf diesen Umstand weisen z. B.
die großen Importmengen verschiedener römischer Keramiksorten oder von
Glasgefäßen hin, die in aus verschiedenen Gründen während der 1. Hälfte
des 1. Jhs. n. Chr. abgebrannten Geschäften oder als Aufschüttungsmaterial
unter neuen Bauvorhaben gefunden wurden. Eines dieser Geschäfte (SH/5)
vermittelt ‑ einer Momentaufnahme gleich ‑ den Überblick über
das seinerzeit dort erhältliche Warensortiment: Import ‑ Tischservice
aus Terra sigillata, Feinwarebecher und ‑schalen, reliefverzierte
Gefäße, Glas, Bronzegefäße und ‑geräte, wie Krüge, Tassen, Tintenfässer
oder Waagen, Terrakotten; Einheimisches ‑Eisenwerkzeuge, ‑geräte
und ‑waffen, Eisen‑ und Bronzefibeln, Bronzeschmuck für einheimische
Frauen, Keramik. Die Grabinschriften aus dieser jüngeren Epoche
weisen auch weiterhin, wie es bereits während der Anfänge der Stadt der
Fall gewesen ist, die überwiegende Herkunft der Händler aus dem oberitalischen
Raum, insbesondere aus Aquileia, nach. Knapp vor der Mitte des 1 . Jhs. n. Chr. wurde
diese Entwicklung von einem Wechsel der politisch‑territorialen
Gegebenheiten im inneren Ostalpenraum eingeholt und offenbar einem relativ
raschen Ende zugeführt. Zur erwähnten Zeit war durch Kaiser Claudius (41‑54
n. Chr.) die endgültige Provinzialisierung der besetzten norischen Gebiete
und deren Eingliederung als römische Provinz Noricum
in das Imperium Romanum erfolgt.
Die Maßnahmen blieben nicht ohne Einfluß auf die bisherige Siedlungsstruktur
im norischen Raum. Vor allem im bereits stark romanisierten Süden traten
bald autonome römische Städte an die Stelle der seinerzeit wohl vorwiegend
aus Sicherheitsgründen auf den Höhen angelegten, älteren Siedlungszentren
der einheimischen Bevölkerung. So erfolgte noch in claudischer Zeit,
wohl auch im Sinne einer bewußten Kontinuität in Bezug auf die Bedeutung
der Vorgängerin auf dem Berge, die Gründung der neuen Provinzhauptstadt,
des Municipium Claudium Virunum,
auf dem Zollfeld, am Fuße des Magdalensberges. Die Sinnlosigkeit
des römischen Emporiums auf dem Berge sowie die mit der Okkupation eingerichteten
administrativen Stellen wurde offenkundig und es darf daher nicht wundern,
wenn spätestens zur Jahrhundertmitte Alt‑Virunum von seinen Bewohnern
zu Gunsten der Neugründung verlassen war und die Stadt zu verfallen begann.
Allem Anschein nach hatte nur das Heiligtum auf dem Berggipfel bis in
die Spätantike Bestand, als vermutlich die dort seinerzeit aufgestellte
Bronzestatue von den letzten Anhängern des paganen Kultes in der Erde
verborgen wurde. Heute stellt: sich de Stadt auf dem Magdalensberg
nach 50 Jahren systematischer Ausgrabungstätigkeit mit einem über 3 Hektar
großen Freilichtmuseum als eine der größten römerzeitlichen Ausgrabungsstätten
des Ostalpenraumes dar. Innerhalb dieses Archäologischen Parkes werden
als besonderes Angebot, die umfangreichen Fundbestände in 22 Einzelmuseen
in den antiken und zum Teil restaurierten Bauten ausgestellt (Abb. 20). Der «Archäologische Park Magdalensberg» ist
ab 1. Mai bis Mitte Oktober, täglich von 9 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Gruppenführungen.
Allfällige Anmeldungen: Archäologischer Park Magdalensberg, A‑9064
Pischeldorf, Tel. 0043/42242255 oder Landesmuseum für Kärnten, Museumgasse
2, A‑9020 Klagenfurt, Tel. 0043/463‑536/30552; Fax 0043/463‑536/30540. G. PICCOTTINI, Bauen und Wohnen in der Stadt auf dem Magdalensberg. Dsch. ÖAkadWiss.,
phil.‑hist. Kl. 208 (1989), mit weiteren Literaturangaben. DERS. / H. VETTERS, Führer durch die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg. 4. Aufl. (1990). G. DOBESCH, Zu Virunum als Namen der Stadt auf dem Magdalensberg und zu einer Sage der kontinentalen Kelten. Carinthia
1 187 (1997) 107 ff. Bildnachweis Abb. 1, 2: Photos S. Tichy; 3‑8,10‑16,18,19:
Photos U. P. Schwarz; 9, 17,
20 G. Piccottini. Adresse des Autors Ao. UNIV.‑PROF.
DR. GERNOT PICCOTTINI |