Vindobona

 

Inhalt

Erforschungsgeschichte
Annäherungshindernisse
Militär
Vor dem Legionslager
Bauten im Legionslager
Wirtschaftliche Bedeutung
Wasserleitung Vindobona
Landbezirke Vindobonas

 

Erforschungsgeschichte

Die Erforschungsgeschichte der römischen Besiedelung im Wiener Raum beginnt bereits mit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, als man beim Ausbau der Stadtbefestigungen gegen die Türken auf römische Funde stieß. Mit einer Bauwelle in der Gründerzeit ab 1870 setzte erneut eine intensive Erforschung des römischen Lagers ein. Eine zweite große Erforschungswelle fällt in den Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg. Schließlich brachte der U-Bahnbau und einige Häuserumbauten seit Ende der 70er Jahre neue Erkenntnisse um Vindobona.

Militärbereich

Geschichtliche Entwicklung Vindobonas

Unter Kaiser Augustus wurde die Donau zur Außengrenze des Römischen Reiches und blieb es auch bis zum Ende des 5. Jahrhunderts. Zur Grenzsicherung und Überwachung wurden entlang der Donau eine Kette von Legionslagern errichtet. Das bedeutendere castrum war Carnuntum, wo Truppen in der Stärke von etwa 6000 Mann stationiert waren. Vindobona war gegenüber Carnutum ein anspruchsloseres Castrum und besaß einen bescheideneren Lebensstandard. Nach historischen Überlieferungen könnten insgesamt zwei Kastelle existiert haben. Eines liegt in der Inneren Stadt, ein archäologischer Nachweis für ein zweites Lager konnten in Wien aber nicht gefunden werden.

 

geographische Übersicht über die Lage Lauriacum, Vindobona und Carnuntum an der Donau (EIGENPRODUKTION )

Annäherungshindernisse

Vor der Mauer des Lagers, konnte ein 55 - 60 m breites "Vorverteidigungssystem" nachgewiesen werden. Dieses "System" wurde erst in der Spätantike ausgebaut, als mit feindlichen Angriffen gerechnet werden mußte. An die Lagermauer schlossen drei Gräben an. Den Gräben war eine Palisadenreihe, daran anschließend eine Straße und dann eine ca. 18 m breite Zone mit Fallgruben vorgelagert. Ein Teil des heutigen Tiefen Grabens entspricht in seiner Lage einem dieser römischen Lagergräben. Ein großer Teil der Gräben wurde durch den Bau des mittelalterlichen Stadtgrabens zerstört.

Annäherungshindernisse an der Südseite des Legionslagers, 1. Bez. Graben 17

 

Annäherungshindernisse an der Nordostecke des Legionslagers
(L. Barkoczy, Vindobona. Die Römer im Wiener Raum. Historisches Museum der Stadt Wien, 1978. )

Militär

Keramikreste aus dem 1. Bezirk sprechen auf alle Fälle für eine Anwesenheit römischer Truppen ab Mitte 1. Jahrhundert n. Chr. Die erste gesichert nachweisbare militärische Einheit ist die Ala Britannica, die gegen Ende des 1. Jahrhunderts in Vindobona stationiert wurde. Die erhaltenen Bauinschriften erwähnen die 13. und 14. Legion, die zwar nur kurze Zeit in Vindobona lagerten aber den Hauptanteil des Lagerbaues trugen. Die 10. Legion, die dann schließlich Vindobonas Hausregiment bis zur Ende der Römerzeit war, hat wahrscheinlich nur noch abschließende Arbeiten im Lager erledigt. Diese Legio X gemina war eine sehr alte Einheit, die schon unter Caesar in den Gallischen Kriegen diente und einen Stier als Wappentier trug. Um 63 n.Chr. wurde die 10. Legion aus Hispanien abgezogen und an der Donaugrenze vorübergehend in Carnuntum stationiert. Kaiser Trajan teilte noch vor 107 n.Chr. Pannonien in Pannonien superior und - inferior auf. Die Legio X gemina wurde nun als Armee für Pannonia superior in Vindobona stationiert. Eine andere römische Militäreinheit, die Ala I Flavia Milliaria, wird durch Funde von drei Grabsteinen nachgewiesen. Sie belegen die Existenz eines Lagers für etwa 1000 Reiter in der späteren flavischen Zeit. Nur eben archäologische Nachweise für die Position dieses Lagers konnten eben noch keine gefunden werden.

Grabstein des Reitersoldaten T. F. Draccus Ende 1. Jh. n. Chr.
(L. Barkoczy, Vindobona. Die Römer im Wiener Raum. Historisches Museum der Stadt Wien, 1978. )

Vor dem Legionslager

Den Lagermauern waren nur wenige Häuser vorgelagert. Außerhalb des Verteidigungsgürtels des Lagers befanden sich dann die Soldatenfriedhöfe und Canabae. Über die Canabae der Legionen ist kaum etwas bekannt. Dort lebten Kaufleute, Gastwirte und eventuell auch die Familien der Soldaten.

Zivile Bereiche

Zivilstadt: (Wien/Landstraße)

Die Entwicklung der Zivilstadt stand natürlich in direkter Beziehung mit der Entwicklung des Militärlagers. Die Stadt wuchs im Zwickel zweier großer Straßen und wurde nicht wie üblich nach dem Rasterprinzip angelegt. Die Reste der Zivilstadt konnten im dritten Wiener Gemeindebezirk zwischen Rennweg, Landstraßer Hauptstraße und Schlachthausgasse nachgewiesen werden. Nahe der Schlachthausgasse konnte ein Meilenstein gefunden werden, der die 2. Meile Vindobonas angibt. Der Meilenstein könnte die Ostgrenze der Zivilsiedlung angeben. Die Siedlung ging offenbar nicht über die Schlachthausgasse hinaus. In der Klimschgasse wurden Reste eines Spitzgrabens angefahren, dessen Seitenneigung etwa 45 Grad Neigung aufwies. In der Hohlweggasse fand sich ein weiterer Spitzgraben, der im Abstand von rund 350 m parallel zum ersteren verläuft. Diese Anordnung von Gräben weist auf ein großes Zivillager mit steinerner Umfassungsmauer. Der Verlauf der Limestraße ist mit dem heutigem Rennweg identisch. Funde und Bauten in der Zivilstadt Auch die Funde aus der Landstraße deuten auf zivile Einrichtungen. Ein besonderer Fund aus Vindobonas Zivilstadt ist wohl eine Statuette des ägyptischen Tempelbeamten Chai - Hapi. Auf dem Gelände des Botanischen Gartens am Rennweg wurden Reste von größeren Wohnbauten gefunden. Diese Gebäude wiesen mehrere Bauphasen auf, die ein Bestehen der Bauten wohl vom 1. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. nachweisen. Die Wohnräume besaßen bemalten Wandverputz. Ein anderes Beispiel wären die Fundamente eines sehr großen Hauses in der Oberzellergasse. Das Gebäude war mit einem Apsidenraum, Hypokaustheizung und Praefurnium ausgestattet. Leider wurden keinerlei Kleinfunde gemacht, so daß die Nutzung des Gebäudes nur schwer gedeutet werden kann, wahrscheinlich handelte es sich um eine Therme.

 

Statuette des ägyptischen Tempelbeamten Chai - Hapi.
(L. Barkoczy, Vindobona. Die Römer im Wiener Raum. Historisches Museum der Stadt Wien, 1978. )

Bauten im Legionslager

Innerhalb der Lagermauern konnten Gebäudereste gefunden werden, die oftmals mehrere Bauphasen in sich bargen. Unter dem Hohen Markt befinden sich Reste von Tribunenhäuser. Zwischen dem Hohen Markt und der Ruprechtskirche lagen Reste einer Therme. Unter dem Haus Hoher Markt 8 wurden Überreste einer Fußbodenheizung und ein sehr großes Wasserbecken (3,8 * 20,7 m) gefunden. Der Boden des römischen Gebäudes war mit Terrazzo ausgeschlagen. Die Römer verwendeten große quadratische Ziegelplatten mit einer Seitenlänge von etwa 60cm. Ein Kanal führte von diesem Haus in Richtung Donau um dann in einen Querkanal zu münden, welcher seinerseits in Richtung Fischerstiege verlief und auf kurzer Wegstrecke drei Klärbecken enthielt.

Mauern und Reste der Fußbodenheizung unter einer Offizierswohnung am Hohen Markt
(Becker, G. & Harl, O. 1983. Archäologie in Österreich.)

Auch ein Horreum - ein Speicher - konnte entdeckt werden. Außen an die Gebäudemauern waren Strebepfeiler angebaut, um eine bessere statische Basis zu gewährleisten. In solchen Gebäuden wurden üblicherweise Schwebeböden eingezogen worauf dann die Gegenstände gelagert wurden. Zwischen dem Wildpret- und dem Bauernmarkt konnten mehrere Mauerreste gefunden werden. Wahrscheinlich befanden sich dort die Unterkünfte des ersten Legionskohorte.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die wirtschaftliche Bedeutung Vindobonas könnte durch Funde von 10 Töpferöfen beleuchtet werden. Zwei der Töpferöfen sind frührömisch/keltisch, wie auch manche der Keramikfunde auf ein End - LaTéne zeitliches Alter hinweisen.

germanisches Tongefäß aus dem 2. Jh, als Bsp
(L. Barkoczy, Vindobona. Die Römer im Wiener Raum. Historisches Museum der Stadt Wien, 1978. )

 

Lager-Entwicklung

Aus der Zeit um Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. ist so gut wie nichts über die Lage des römischen Lageres bekannt. Das Legionlager wurde in Steinbauweise offenbar über dem älteren Lager erbaut und nun beginnen auch die archäologischen Nachweise Vindobonas. Lage des Legionslagers Die Lage des Legionslager ist relativ genau bekannt, es befand sich im ersten Wiener Gemeindebezirk unter den heutigen Straßen Tiefer Graben, Naglergasse, am Graben, Kramergasse und Rotgasse. Nur die zum damaligen Donauabbruch hin gerichtete Seite des Lager ist nicht erfaßt worden. Wahrscheinlich wurde dieser Teil von der Donau weggeschwemmt. Das Lager stand direkt am Steilabbruch zur Donau. Der Anblick der hohen Mauern des Lagers von Vindobona am Donausteilufer mußte für Angreifer einen sehr imposanten Anblick ergeben haben. Lagerform und Mauer Das Lager hatte offenbar keine viereckige Form, sondern war mit seiner Nordseite an das Gelände des Donauabbruches angepaßt. Die Lagergrenze ist an der Naglergasse am besten erfaßt geworden. Die Mauer war an dieser Stelle 2 m breit. Sie wies innen in Fischgrätmuster geschichtete Bruchsteine auf und war außen mit Buckelquadern verkleidet. Anschließend an die Mauer verlief ein etwa 50 cm breiter Pfad, dem schließlich schon der Graben vorgelagert war. Die Mauern waren mit rechteckigen Zwischentürmen bewährt, die von innen an die Mauer gebaut waren. Die Tortürme ragten hingegen nach außen über die Mauerflucht hinaus. Beim Umbau des Hauses Naglergasse 2 konnte das quadratische Fundament eines Torturmes dokumentiert werden. Der Turm hatte eine Weite von 5 m und sprang 3,9 m aus der Lagerflucht hervor. Die Tordurchfahrt war etwa 7 m breit. Die dichte Anordnung von Türmen an der Rückfront des Lagers ist dadurch erklärbar, da sich dort eine strategische Schwachstelle befand. Die anderen Lagerseiten waren durch vorgelagerte Bäche noch zusätzlich geschützt. Während der Ottakringer Bach und der Möhringbach heute unterirdisch durch Wien fließen prägt der Wienfluß auch heute noch das Stadtbild.

Reste eines Zwischenturmes der Lagermauer mit der Türschwelle 1. Bezirk am Hof 4 (1913)
(L. Barkoczy, Vindobona. Die Römer im Wiener Raum. Historisches Museum der Stadt

Wasserleitung Vindobona

Reste der aus Süden kommenden Wasserleitung konnten im 23. und 12. Bezirk gefunden werden. Der 23. Bezirk beherbergt außerdem noch Überreste einer Veteranensiedlung und Gräberfunde. Zwischen Mauer und Atzgersdorf konnte ein 2,5 km langes Stück der Wasserleitung im Jahre 1905 erforscht werden. Die Bauweise ist üblicherweise sehr einheitlich. Es wurde ein breiter Graben ausgehoben, dessen Boden und Seitenwände massiv ausgemauert und mit wasserdichtem Mörtel verputzt worden sind. Die Höhe des Kanals betrug 60 - 65 cm und die Breite etwa 50 cm und verjüngte sich an der Sohle bis zu 40 cm. Von oben her wurde die Wasserleitung mit großen Steinplatten abgedeckt. In dem 2,5 km langen Stück konnten zwei Schlammfänger dokumentiert werden. Das waren kleine Becken, etwa 30 cm tief und 70 cm lang, die so gebaut wurden, daß die Wand an der Einflußstelle höher war als an der Abflußstelle. Die Wasserleitungen wurden so gebaut, daß das Gefälle möglichst gering war. Auf den 2,5 km ergibt sich nur ein Gefälle von 1,46 m. Weitere Wasserleitungen fanden sich in Laab am Walde und in der Lainzerstraße - Ecke Promenadenweg.

Ausgrabungen der römischen Wasserleitung im Süden Wiens
(L. Barkoczy, Vindobona. Die Römer im Wiener Raum. Historisches Museum der Stadt Wien, 1978. )

 

Gräber

In der Umgebung um das Lager fanden sich nicht nur viele Töpferöfen sondern auch Grabanlagen. Sie legen sich wie ein Ring um die Ost-, Süd- und Westseite des Lagers. Zivile Personen und Militär wurden hier offenbar nebeneinander bestattet. Die meisten Bestattungen sind spätrömische Körperbestattungen. Aber es gibt auch frühere Brandbestattungen, denn die Körperbestattungen lösten Brandbestattungen etwa im 2. Jahrhundert n. Chr. ab. Oft sind sehr tiefe Gruben gefunden worden, in die offenbar der Schutt aus Grabanlagen entsorgt wurde. Der Schutt weist auf bescheidene aber auch aufwendigere Bestattungen, die kleinen Kapellen glichen, hin.

Landbezirke Vindobonas

Die bisherigen Befunde aus dem Landbezirk Vindobonas sind nur vereinzelt und geben daher ein lückenhaftes Bild von den vici - kleinen Ortschaften. Den Funden zufolge herrschte ein bescheidener Wohlstand, denn man konnte sich manche Importwarte leisten. In den vici wohnten wohl hauptsächlich Einheimische, also Kelten, aber auch ausgediente Soldaten, Veteranen, Zugewanderte und die Angehörigen der Soldaten. So fanden sich etwa Gräberfelder am Wiener- und Laaerberg, römische Siedlungsspuren im Gebiet der Kläranlage Inzersdorf oder ein römischer Gutshof in Unterlaa.

Wien/Heiligenstatt - 19. Wien

Im 19. Gemeindebezirk konnten zahlreiche Nachweise für römische Siedlungsaktivitäten gefunden werden. In Sievering sind offenbar Steinbrüche betrieben worden, wie zahlreiches Gesteinsmaterial im Legionslager beweist. Bei der Severinskirche konnten Hinweise für ein Mithrasheiligtum gefunden werden. In Heiligenstadt befinden sich unter beiden Kirchen römische Siedlungsreste. Allerdings konnten dort auch leere Gräber gefunden werden, die offenbar beim Kirchenbau exhumiert worden waren. Im Bereich des Pfarrplatzes wird ein kleines Gräberfeld vermutet, welches vielleicht zu beiden Seiten der vorbeiführenden Limesstraße im Bereich der Kirche angelegt war. Die heutige Heiligenstätterstraße verlief in etwa so wie die römische Limesstraße zum Nachbarkastell in Klosterneuburg. Diese Strecke war durch kleine Wachposten militärisch gesichert. Mauerreste eines kleinen Wachturmes wurden in der Heiligenstätterstraße 69 beim Pflanzen von Obstbäumen bereits im Jahre 1872 entdeckt. Da die Turmreste für das Pflanzen der Obstbäume hinderlich waren wurden sie mit Schießpulver weg gesprengt. Ein weiterer Beobachtungspunkt, von dem aus Limes und Donau beobachtet werden konnte, dürfte auf dem Burgstall in Nußdorf gestanden haben. Auf dem Kahlenberg und beim Bau der Höhenstraße wurden römische Münzen gefunden.

17. Bezirk

In Wien Hernals, in der Steinergasse, Hernalser Hauptstraße und dem Bartholomäusplatz wurden sehr viele römische Ziegel und auch ein Brennofen gefunden. Die Reste der ehemaligen römischen Militärziegelei befinden sich 2 km westlich des Legionslagers. Die gestempelten Ziegel nennen neben, der lange in Wien stationierten X. Legion auch die XIX., XII., XIV. und XV. 12. Bezirk Im 12. Wiener Gemeindebezirk wurden zwar hauptsächlich römische Münzen gefunden. Am Beginn der Tivolistraße am rechten Wienufer befand sich wahrscheinlich ein Siedlungsbereich. Beim Theresienbad konnte ein Weihaltar an die Nymphen gefunden werden. Der Altar war von einem Offizier der 14. Legion gependet worden. Daher wird angenommen, daß warme Quellen aus diesem Bereich wohl vor allem vom Militär genutzt wurden.

13. & 14. Bezirk

Im 13. Wiener Gemeindebezirk wurden Reste einer römischen Villa und spätrömische Gräber in Lainz entdeckt. Im 14. Wiener Gemeindebezirk sind aus Hütteldorf und Hadersdorf dagegen wieder norisch - pannonische Hügelgräber bekannt. Das Gräberfeld und Streufunde lassen daher vermuten, daß in diesen Bereichen eine größere heimische Ansiedlung zu erwarten ist.