Tonangebend
in der Haarmode war in der römischen Kaiserzeit zuvorderst das jeweils
regierende Kaiserhaus. Durch Porträtstatuen, deren Stil durch Privatpersonen
nachgeahmt wurden, und im besonderen Münzbildnisse, auf welchen neben
dem Kaiser selbst auch die Familienmitglieder seiner Dynastie im Porträtbild
dargestellt sind, wurde so die gerade vorherrschende stadtrömische Mode
rasch bis in die hintersten Winkel des Reiches verbreitet und von diversen
Bildhauerwerkstätten rezipiert. Die wechselnden Modeströmungen sind deshalb
wichtige Datierungskriterien für die zeitliche Einordnung von Skulpturenfunden
aus der gesamten römischen Welt.
Bei den Männern
sind seit der griechischen Hochklassik Kurzhaarfrisuren vorherrschend,
wobei hellenistische Darstellungen durchaus etwas längeres, üppiges Haar
zulassen. Zu den bekanntesten Beispielen zählt etwa die sogenannte Alexanderlocke
an der Frisur Alexanders des Großen († 323 v.Chr.), die beiderseits des
Scheitels in die Stirn fallenden Haarsträhnen, die von den hellenistischen
Herrschern nachgeahmt wurde, aber auch noch bei römisch-republikanischen
Persönlichkeiten wie dem Caesargegner Cn. Pompejus Magnus und auch in
der Kaiserzeit zu finden ist. Die Portraits des C. Julius Caesar († 44
v.Chr.) zeigen extrem kurzes Haar. Kaiser Augustus (27 v.Chr. - 14 n.Chr.)
wiederum trug stilisierte Locken, die in die Stirn gekämmt sind und mit
deren Hilfe seine offiziellen Herrscherportraits datiert werden können.
Kaiser Trajan (98-117 n.Chr.) trägt in die Stirn gekämmte Haarsträhnen,
bei Kaiser Marc Aurel (161-180 n.Chr.) und den nachfolgenden Severern
sind kleine Löckchen in Mode.
Die Soldatenkaiser
des 3. Jh. n.Chr. tragen Kurzhaarfrisuren, im 4. Jh. n.Chr. schließlich
sind wieder etwas längere Haare in Mode. Frauenfrisuren sind seit je überaus
kunstvolle und üppige Gebilde, die durch Perücken, aufgesteckte Haarteile,
Tücher, Bänder und zahlreiche Schmucknadeln das Haupt ihrer Trägerinnen
bekrönten (vgl. Abb.).

In für organische
Substanzen günstigen klimatischen Regionen wie dem Wüstenboden Ägyptens
blieben Beispiele erhalten, auch aus der griechisch-römischen Periode.
Aus lateinischen Quellen ist uns zudem überliefert, daß etwa blondes Haar
nach Italien importiert wurde, um daraus Haarteile oder ganze Perücken
herzustellen. Die griechische Haarmode zeigt häufig um den Kopf geschlungene
Bänder, Tücher und Häubchen, die die Frisuren zum Teil völlig verdecken,
während in der römischen Kaiserzeit gerade im provinziellen Bereich bei
Frauen häufig Hauben dargestellt sind, weniger in stadtrömischem Kontext.
Neben immer wieder schlichteren Frauenfrisuren wie etwa die der Schwester
des Kaisers Augustus, Octavia, im ausgehenden 1. Jh. v.Chr., unter den
Severern etwas bei Julia Soemias um 220 n.Chr. oder in der Spätzeit bei
Helena, der Mutter Kaiser Constantins des Großen im ersten Viertel des
4. Jh. n.Chr., wurden üppige Haarmoden bereits im 1. Jh. n.Chr getragen.
Berühmt sind die hohen Haaraufbauten der Frauen des flavischen Kaiserhauses,
bei welchen die Stirn von mehreren Reihen kleiner Löckchen gerahmt ist,
die wie ein Diadem aufgebaut sind; die Nackenhaare wurden dann entweder
aufgebunden und gekräuselt, oder aber zu Zöpfen geflochten und zusammengebunden
getragen. Geflochtene Zöpfe sind in unterschiedlichster Anordnung durch
die Jahrhunderte immer wieder an den Darstellungen der Frisuren zu finden
(vgl. Abb.).

Im archäologischen
Fundmaterial sind besonders im Lauf des 2. Jh. n.Chr. bis in das 4. Jh.
Unmengen an Haarnadeln aus Knochen und Bronze zu finden, die einen kleinen
kugeligen Kopf besitzen und in die Frisuren gesteckt Aufbauten tragen.
Aus Ägypten ist ein künstlicher Haarteil bekannt, der mit 96 Bronzenadeln
zu einer Art Diadem zusammengesteckt ist, wobei die Nadelköpfchen wie
kleine Perlen die Frisur bekrönen. Mumienbildnisse zeigen uns häufig große
Haarnadeln, die einzeln durch den Schopf im Nacken gesteckt werden.
Literatur: Horst Blanck, Einführung in das Privatleben
der Griechen und Römer, Darmstadt 1976 (erweiterte Auflage 1996).
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Griechische Haarmode

A
um 580 v.Chr.; B um 565 v.Chr.; C um 550 v.Chr.; D-E
um 510 v.Chr.; F um 490 v.Chr.; G-H um 460 v.Chr.; I-J
um 450 v.Chr.; K-L um 440 v.Chr.; M um 413 v.Chr.; N
um 405 v.Chr.; O um 300 v.Chr.; P Ende 4. Jh. v.Chr.; Q
um 290 v.Chr.; R 221-121 v.Chr.; S 125-104 v.Chr.; T
52-30 v.Chr. (Kleopatra).
Quelle: Blanck
1976, 62f., Abb. 14 und 74f., Abb.17.
Römische Haarmode

A
Octavia, um 40 v.Chr.; B um 37/41 n.Chr.; C Flavierin, 79/81
n.Chr.; D Flavierin, 82/83 n.Chr.; E 114/117 n.Chr.; F
147/161 n.Chr.; G 161/176 n.Chr.; H 180/185 n.Chr.;
I-M Severer: I nach 198 n.Chr.; J 211/217 n.Chr.;
K 202/205 n.Chr.; L 218/222 n.Chr.; M 225 n.Chr.;
N 241/244 n.Chr.; O 249/251 n.Chr.; P 253 n.Chr.;
Q 275 n.Chr.; R 310 n.Chr.; S Helena, 318/319 n.Chr.;
383/385 n.Chr.;
Quelle: Blanck
1976, 62f., Abb. 14 und 74f., Abb.17.
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