Sprachen und
Sprachinseln im südalpinen Raum – ein Überblick
(Sprachen als kulturelles Erbe der
Region)
Text siehe unter: http://members.chello.at/heinz.pohl/Sprachinseln.htm
Anlässlich der Tagung Sprachinseln im Alpen-Adria-Raum (s.u. am Ende des Beitrags)
Karte
1: Rätoromanisch
(Ladinisch)
Karte 2: Die 7 und 13 Gemeinden
Karte 3: Das Kanaltal
Karte 4: Die deutschen Sprachinseln in Friaul
und Slowenien
Karte 5: Auszug aus „Karta slovenskih narečij“
(Karte der slowenischen Dialekte)
(Die Qualität
der Karten kann durch die Funktionstaste „F 11“ oder durch Anklicken von
„Ansicht“ und weiter zu „Vollbild“ verbessert werden).
Zur Herkunft der Sprachinseln ein Beitrag von Univ.-Prof. Dr. Maria Hornung, Wien:
Die folgenden Ausführungen beruhen auf
mundartkundlichen Forschungen, die ich vor rund 40 bis 50 Jahren in allen
Gemeinden und in den meisten ihrer Ortschaften im politischen Bezirk Lienz
durchgeführt habe. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist in meiner
„Mundartkunde Osttirols“, Studien zur österr.- bairischen Dialektkunde, Bd. 4,
Österr. Akademie der Wissenschaften, Wien 1964 (mit 39 laut- und wortkundlichen
Karten und 61 Abbildungen) niedergelegt. Außerdem sind die neben den
schriftlichen Aufzeichnungen aus dem Mund einheimischer Gewährsleute gemachten
Tonaufnahmen im Phonogrammarchiv der Österr. Akademie der Wissenschaften (1010
Wien, Liebigg. 5) archiviert und durch gedruckte Kataloge erschließbar.
Die Zeit ist in Osttirol, das ich als einen Hort der
sprachlichen und kulturellen Konservativität schätze, nicht stehen geblieben.
Die Massenmedien und die Intensivierung des Fremdenverkehrs haben das Ihre zur
Aushöhlung überkommener Sprach- und Kulturstrukturen beigetragen. Dennoch kann
ich bei alljährlichen Stichproben immer wieder feststellen, dass die vor
mehreren Jahrzehnten gemachten Erhebungsergebnisse wenigstens bei der älteren
Generation noch gültig oder in Erinnerung sind. Immerhin sagte mir vor kurzem
eine junge Studentin aus Innervillgraten, dass alles in der „Mundartkunde
Osttirols“ Berichtete noch „stimme“. Tatsächlich sind die Tiroler Mundarten
nicht in derselben Weise durch die Umgangs- und Verkehrssprache umwandelbar,
wie es etwa das Wienerische ist. Entweder spricht man eben Dialekt oder man
wechselt abrupt zur Verkehrssprache über. Ähnlich stehen ja die Dinge in Tirol
auch im volkskundlichen Bereich. Auf einem Iseltaler Bergbauernhof sah ich
neben einer modernen elektrischen Waschmaschine einen uralten hölzernen Ploi
(‘Pleu’) zum Schlagen der Wäsche. Ein Waschbrett (‘Wäscherumpel’)
hatte man dort nie als Zwischenlösung verwendet.
Unsere Mundarten gehen bekanntlich in direkter örtlicher Weiterentwicklung
auf das in unserem Gebiet gesprochene Mittelhochdeutsche zurück. Die
Hochsprache hingegen wurde als vermittelnde Gemeinsprache im ostmitteldeutschen
Raum (z.B. in Prag, in den sächsischen Hofkanzleien) mit Einflussnahme der
habsburgischen kaiserlichen Kanzlei in Wien entwickelt. Die alpinen Mundarten
gingen dessen unbeschadet ihren regional bedingten Entwicklungsweg weiter. Die
Tiroler Mundarten sind ein Teil des Bairisch-Österreichischen. Sie gehören zur
südlichsten Gruppe dieser von Asch im Egerland bis zur Salurner Klause
reichenden sprachlichen Großlandschaft, zum sog. Südbairischen (gemeinsam mit
Kärnten, Teilen der Steiermark und dem südlichsten Teil des Burgenlandes). Der
Ausdruck „bairisch“ [mit -i-] bezieht sich nicht
auf den Staat Bayern sondern auf das alte Stammesvolk der Bajuwaren oder
Baiern. Im Rahmen der Tiroler Mundarten hat der Bezirk Lienz immer schon eine
Sonderstellung durch seine Randlage eingenommen. Durch die Abtrennung Südtirols
von Österreich 1919 kam es v.a. nach dem 2. Weltkrieg zu einer besonderen
Isolierung.
Geschichtlich ist Osttirol aus einem Grenzbereich
zwischen Tirol und Kärnten hervorgegangen. Das Tiroler Dialektmerkmal
schlechthin, die Entwicklung von altem langem oder gedehntem a
des Mittelhochdeutschen vor Nasal zu langem ū (mhd. krâmer
zu Kχrūmer ‘Krämer’, name zu Nūme)
hat nur den westlichen Teil Osttirols erfasst. Im Osten herrscht die
Oberkärntner Entwicklung zu ou, (also Kχrouma, Noum).
Das Kennzeichen der südbairischen Mundarten: mhd. ê zu ea,
mhd. ô zu oa, also See zu Sea,
hoch zu hoach, ist durch Kärntner Einfluss (obgleich sich dieses
Merkmal zum größten Teil auch dort findet) nicht überall rein erhalten. Das
Pustertal hat zwar Sea ‘See’, der Iselraum und das
Lienzer Becken aber See. Für altes ô
hat sich jedoch im Iselraum die mhd. Aussprache öa erhalten (gröass
‘groß’, höach, ‘hoch’). Trotz dieser Zwischenstellung hat Osttirol
für seinen ganzen Raum ein kennzeichnendes Dialektmerkmal
ausgebildet, das oi in Wörtern wie goissn ‘gießen’, zoichn
‘ziehen’; man kann diese Entwicklung als ein echtes „Landesmerkmal“ Osttirols
betrachten. Ein bekannter Volksspruch, der die Landesmundart charakterisieren
will, lautet: „Mit lai und gālsch und woaschewol hebt un de Sprōch in
Oschttirol!“ Dieses lai für „nur“ teilt aber unser
Bezirk mit Kärnten. Es findet sich übrigens als glai auch in
anderen österreichischen Bundesländern, z.B. in Niederösterreich. In ihm
verbirgt sich mhd. (ge)lîch, unser deutsches gleich.
Das Wörtchen gālsch für gählings ‘schnell, jäh’ ist auch sonst in Österreich
verbreitet. Das woaschewol ‘weißt du wohl’, pustertalisch wašewo(l)
ist in Tirol talauf, talab zu hören. Auch das vielbeachtete št
für st, entsprechend dem Spottspruch ischt, pischt, hoscht an Durscht
(ist, bist, hast einen Durst) gilt nicht nur für den größten Teil Tirols,
sondern auch für das angrenzende Oberkärnten. So bleiben also tatsächlich die
genannten -oi-Laute das echte Landesmerkmal.
Die dialektgeographische Gestaltung des Bezirks Lienz weist
eine sehr reiche Gliederung in sprachliche Klein- und Kleinsträume auf. Sowohl
in der Laut- wie in der Wortgeographie zeigt sich in großen Linien immer wieder
das folgende Bild: Das Pustertal geht bis zur Lienzer Klause seinen eigenen
Weg. Zum Teil nimmt das obere Defereggen an der Pustertaler Entwicklung teil.
Dem steht der Iselraum mit dem Lienzer Becken teils geschlossen, teils in viele
Kleinlandschaften zerfallen gegenüber. Ganz charakteristisch ist z.B. die
Verteilung der Bezeichnungen für die Morgenmahlzeit: vormaßen (zu germ. mat-
‘Speise’) im Pustertal sowie St. Jakob und St. Veit im Defereggen, fruaštikn
‘frühstücken’ im übrigen Gebiet. Ähnlich gilt für ‘Hagebutte’, Dornapfel
im Pustertal mit dem oberen Defereggen, während das übrige Osttirol eine
unglaublich reiche Aufspaltung zeigt. Vorherrschend ist im oberen Iselgebiet Naunitze
(aus slaw. jagodnica ‘Beere’), aber daneben
findet sich z.B. in Teilen von Kals das deutsche Hundsbeere und als
dritte Möglichkeit das romanische Presól. Die drei großen
Sprachvölker Europas, Germanen, Romanen und Slawen, sind ja hier in Osttirol in
Kontakt getreten und erlebten ein friedliches Nach- und Nebeneinander. Gerade
in jenem Wortschatz, der die häusliche Intimsphäre betrifft, kommt diese
Vielfalt an Ausdrücken besonders deutlich zum Vorschein. In Kals sind die
betreffenden Wörter säuberlich auf die verschiedenen Ortschaften verteilt. Wer
z.B. aus der Wurg [amtlich Burg] in
andere Ortsteile einheiratet, ‘tuat würgelen’, oft sein Leben lang.
Im unteren Iselraum und im Lienzer Becken finden sich für die ‘Hagebutte’ dann
noch Stacheldorn, Hagedorn, Hetschepetsch, Årschmartara usw.
Vielfach kann man auch an den dialektgeographischen Verteilungen die
historischen Sprachbewegungen, die sich vollzogen haben, ablesen. Für die ‘Mittagmahlzeit’
sagt man im Iselraum und im Lienzer Becken Mittóck, im Pustertal Mittagessen.
Im ganz oberen Defereggen, in Tilliach, aber auch in Bannberg Jause(n).
Dieses aus dem slaw. južina ins Deutsche entlehnte
Wort ist seiner Herkunft nach auf die Mittagszeit (zu slaw. jug
‘Süden, Mittag’) bezogen und erfuhr erst später
Bedeutungsverschiebung auf die Zwischenmahlzeit. Das Kartenbild zeigt deutlich,
wie sich entlang der modernisierenden Verkehrsader des Pustertales das Wort Mittagessen
vorschob und den einst sicher geschlossenen Jause-Raum
zerteilte. In den Sprachinseln Pladen (Sappada) und Zahre (Sauris), die beide
aus dem Gebiet um Heinfels im Pustertal angelegt worden sind, gilt heute noch Jause
für die Mittagsmahlzeit, ein Beweis dafür, dass dieser Jause-Raum im
Ostpustertal einst geschlossen war. Gelegentlich kommen auch auffallende
Sondererscheinungen im Matreier Raum vor. Für den ‘Wiesbaum’, der auf dem
Heuwagen das Heufuder niederhält, gilt im Pustertal Wisipām, im östlichsten
Teil mit Oberlienz, Ainet Wispām. Der obere Iselraum
hat Hāpām (Heubaum), das Matreier Gebiet aber spaltet
mit Pintpām (Bindbaum) diese Landschaft in zwei Teile.
Derartige Raumbilder beruhen auf historischen Herrschaftsverhältnissen. So gab
es innerhalb der für das heutige Osttirol so bedeutungsvollen Grafschaft Görz
die salzburgischen Enklaven Matrei und Lengberg. Besonders der Matreier Raum
zeigt bis heute auffallend starke Salzburger Einflüsse. Einer davon ist die
Behauchung des r (als hr), die sich heute noch in
Schlaiten als eine Art Grenzversteifung manifestiert.
Auch auf dem Gebiet der Verwandtschaftsbezeichnungen
zeigen sich in Osttirol sehr interessante Bestände. Die Bezeichnungen ahd. atto
und ahd. amme für ‘Vater’ und ‘Mutter’ sind als Atte und Amme
im Virgen- und Defereggental teilweise noch in Gebrauch. Im übrigen Iselgebiet
mit konsonantischem Vorschlag als Tat(t)e und Mam(m)e. Im
Pustertal werden dagegen Fōtǫ ‘Vater’ und Muitǫ
‘Mutter’ gebraucht. Die Bezeichnung für den Großvater ist zum Teil Ne(i)ne
(‘Ähnel’), kann aber auch dort, wo Tat(t)e gilt, durch Fōta
‘Vater’ erfolgen. Die Bezeichnung für ‘Großmutter’ ist Nāne, Nūne
(‘Ahne’), aber im Mam(m)e-Gebiet teilweise Müeta
(‘Mutter’), was auf den Ortsfremden anfänglich verwirrend wirkt.
Vielfach werden Neine, Nēne und Nāne zur Klärung der
Verwandtschaftsverhältnisse gebraucht, Fōta und Müeta
jedoch als Anrede oder Teil des Namens. Man kann also sagen: ‘Da
Weißkopf-Fōta išt mai Neine’ (Der Altbauer vom Weißkopf-Hof ist
mein Großvater). Hier liegen eindrucksvolle Archaismen vor.
Im Lautlichen bestehen insofern starke Gegensätze
zwischen den beiden Osttiroler Haupträumen, als mhd. ei in Wörtern wie Stein,
Geiß, heiß im Pustertal zu ā wurde, im Iselraum aber oa
lautet, wie in den meisten Teilen des österr.-bair. Gebietes. Dass das
Ostpustertal auch einmal oa hatte, zeigen die das Haupttal
flankierenden Altlandschaften Innervillgraten und Tilliach mit ihrem oa.
Außervillgraten und Kartitsch haben sich hingegen der ā-Landschaft
angeschlossen. Auch die so eindrucksvollen ui des Pustertales in Muitǫ
‘Mutter’, Kχui ‘Kuh’ sind erst im Spätmittelalter entstanden.
Vorher wurde allgemein mittelgaumiges üe gesprochen, so wie es heute
noch im Iselgebiet der Fall ist: Müeta, Kχüe. Beide Lautungen
geben Anlass zu Spottsprüchen auf die Pusterer: Won de Gāß pan Schwāf
wāch ischt, noar isch se fāßt (Wenn die Geiß beim Schweif
weich ist, ist sie ‘feist’ (fett)) und Do Puschtara Pui hǫt Muise in Maule
(der Pusterer Bub hat Mus im Mund). Hopfgarten und St. Jakob im Defereggen
haben statt des oa zumeist ō auf Grund einer
Monophthongierungstendenz, die auch sonst bei den Deferegger Zwielauten zu
beobachten ist: Pīwl für Piawl ‘Büblein’. Im übrigen gehören
die Deferegger zu den schnellsten und gewandtesten Sprechern Osttirols. Sie
können Geschichten aus dem Stegreif geradezu druckfertig erzählen.
Der Wortschatz Osttirols ist so reich und so
differenziert, dass man ihn in Kürze kaum charakterisieren kann. Er ist geprägt
durch die drei Sprachvölker, die hier zusammenkamen, wobei die deutschen Baiern
als Superstrat den Sieg davontrugen, jedoch so manchen Ausdruck der
Substratsprachträger übernahmen. Die aus dem Romanischen ins Deutsche Osttirols
übernommenen Wörter gehören vor allem dem Bereich der Almwirtschaft und
Viehzucht an. Hieher zählt z.B. das Wort Troi für ‘Viehtriebweg’, von dem
sich auch der häufige Hof- und Familienname Trojer herleitet.
Auch Gōse für Sennhütte ist romanischen Ursprungs, es entspricht
dem lat. casa ‘Haus’. Goschter und Gstraun ‘kastrierter
Schafbock’ entsprechen rom. castrone und sind zu
verschiedenen Zeiten, also in zwei Schüben, ins Deutsche gelangt. Die
andersartige Wortgestalt ist aus den jeweils zur Zeit der Übernahme gültigen
Lautersatzbedingungen zu erklären. Die Grǫml, ein Schneidbrett mit
daran befestigtem Messer dient vereinzelt heute noch zum Zerkleinern des
Hartbrotes; rom. gramola mit derselben Bedeutung ist seine Wurzel. Die Laure,
ein Trichter zur Herstellung von Strauben, geht auf lat. lura ‘Lederschlauch’
zurück. Lat. sextarius, ein Maßgefäß (dessen Name eine Zahlangabe
enthält), ist als Sechter eingedeutscht worden; ein
zweites Mal, viel später, jedoch als Star. Dem häuslichen Bereich der
Alpenromanen, bzw. romanisierten Kelten gehören der Gonta bzw. das Gantale
(aus lat. cantharium) und die Marge (lat. armarium), beide
für eine Art Wandkasten, an.
Von den Alpenslawen wurden die Bezeichnungen für einfache
Speisen wie Geißlitz (slaw. kyselica) ‘saurer Haferbrei’, Oblitzen
(slaw. oblica) ‘weiße Rüben’ übernommen. Charakteristischerweise
zählen hieher auch die Benennungen von wilden Beeren: Naunitze(n) (aus
slaw. jagodnica) ‘Hagebutte’, Dawanitze (aus slaw. avor(n)ica)
‘wilde, bittere Ribisel’, Preschlitze ‘wilde, süße Ribisel’,
Peischkanitze
‘(wilde) Stachelbeere’. Die besitzergreifenden Baiern benannten die
guten und teuren Kulturgüter deutsch, Was sie aber von den zurückgedrängten,
schütter siedelnden Slawen übernahmen, ist Ausdruck einer ärmlichen und
bescheidenen Lebensführung.
Osttirol hat eine Besonderheit, die es mit keinem anderen
Gebiet Österreichs in solchem Maße teilt: Es ist der Herkunftsraum besonders
vieler und interessanter Sprachinseln. Damit ist uns wertvolles historisches
Vergleichsmaterial gegeben. Schon um 1200 wurden aus dem Hochpustertal um
Innichen, also etwas westlicher als die heutige Begrenzung Osttirols verläuft,
die beiden Sprachinseln Zarz (slow. Sorica) und Deutschrut (slow. Rut)
angelegt. Bis gegen die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Altpusterer
Dialekte dort gesprochen. Diese Ansiedlungen im slowenischen Raum waren durch
die freisingischen Besitzungen im Hochpustertal einerseits und in Oberkrain
andererseits bedingt. Aus dem Gebiet von Heinfels mit Villgraten, Tilliach,
Kartitsch, Abfaltersbach wurde um 1250 die noch erhaltene Sprachinsel Zahre
(ital. Sauris) im Nordwesten des friaulischen Karnien bei Ampezzo gegründet;
etwa um 1270 die sprachlich engstens verwandte aus demselben Gebiet stammende
Sprachinsel Pladen (nicht Bladen!, ital. Sappada) nahe den Piavequellen
inmitten der Karnischen Alpen. In beiden Orten sind die Altosttiroler Dialekte
mit ihren für unsere Begriffe historischen Merkmalen noch gut erhalten, in
Pladen besonders gut. Die Besiedlung erfolgte durch die Grafen von Görz. Die
letzte große Siedlungswelle führte ab 1330 von unserem Raum einschließlich des
angrenzenden Oberkärnten nach Gottschee / Kočevje) in Krain. In dieser
großen am Ende des 2. Weltkriegs zwangsweise ausgesiedelten Insel haben sich
mittelalterliche Sprach- und Kulturgüter Osttirols in besonders beeindruckender
Weise erhalten.
Die Tatsache, dass aus Osttirol mehr Sprachinseln als aus
dem ganzen übrigen Gebiet Tirols, Kärntens, aber auch Österreichs überhaupt
angelegt wurden, gibt in verschiedener Hinsicht zu denken. Die aus dem
Hochpustertal um oder vor 1200 angelegten beiden Inseln in Oberkrain, Zarz /
Sorica und Deutschrut / Rut lassen sich aus dem gemeinsamen freisingischen
Besitz hüben und drüben erklären. Man wollte auf dem eigenen Territorium neues bewirtschaftetes
Land erschließen, obgleich die beiden Örtlichkeiten, in denen die deutsche
Mundart schon fast erloschen ist und nur die Namen ein beredtes Zeugnis der
Besiedlung geben, einen sehr ärmlichen Eindruck machen. (Vgl. E. Kranzmayer - P.Lessiak, Die deutsche
Mundart von Zarz in Oberkrain, Marburg 1944. E. Kranzmayer - P.
Lessiak, Wörterbuch der deutschen Mundart von Zarz / Sorica und
Deutschrut / Rut in Jugoslawien, hgg. von Maria Hornung und Alfred Ogris, Klagenfurt
1983). Offenbar spielte die Besetzung des Raumes überhaupt im Mittelalter eine
strategisch wichtige Rolle.
Die zweite Sprachinselgruppe, nämlich die karnische in
Pladen / Sappada und Zahre / Sauris, hängt wenigstens teilweise mit dem
Bergbauwesen zusammen. Dieses spielte immerhin auf dem Pladner Eisenberg, der
dann auf italienisch Monte Ferro genannt wurde, eine nicht unbedeutende Rolle.
Das dort gewonnene Eisen wurde in Forni Avoltri, deutsch Öfen (pladnerisch Eivn),
verhüttet. Während wir für Pladen die Gründungszeit um 1270 ansetzen, kann man
für Zahre / Sauris etwa 1250 annehmen. Die noch zu erwartenden großen
Publikationen von Norman Denison werden eine endgültige Klärung bringen.
Jedenfalls war es nicht unbedingt Armut, die zu diesen Pustertaler
Außengründungen führte.
Die größte Sprachinsel, die von Osttirol aus angelegt
wurde, ist Gottschee / Kočevje in Krain. Nach den Erkenntnissen der Wiener
mundartkundlichen Schule, insbesondere von Eberhard Kranzmayer, erfolgte die
Besiedlung der großen einstigen deutschen Sprachinsel Gottschee / Kočevje
in Krain etwa ab 1330 aus Osttirol und Oberkärnten. Die erste urkundliche
Nennung von Gottschee findet sich 1363 als Gotsche [Tschinkel,
Gottsch. Wb. 1, XIV.], wohl zu slow. koča
‘Hütte’, was als eine ‘Ansammlung von Hütten’ [slow. Kočevje]
zu deuten ist. Seit der Mitte des 13.Jhs. gehörte das Gebiet zu den
Unterkrainer Besitzungen, die die bei Spittal an der Drau ansässigen Grafen von
Ortenburg vom Patriarchen von Aquileia als Lehen hatten. In einer Urkunde vom
24. Juni 1336 belehnte Patriarch Bertrand von Aquileia den Grafen Otto von
Ortenburg mit den Schlössern Ortenegg, Pölan und Grafenwarth und deren
Besitzungen [Tschinkel, Gottsch. Wb. 1, XI.]. Man darf darin den Beginn der deutschen Besiedlung erblicken. Die Urkunde
wurde in Villach abgefasst. Zahlreiche verschiedene andere Vermutungen
betreffend die Herkunft der Besiedler wurden durch besondere lautliche
Übereinstimmungen einerseits mit der Mundart im Lienzer Becken, andererseits
mit der von Obertilliach ausgeschaltet. Die im bairischen Sprachraum sonst
einzigartige Diphthongierung von mhd. gedehntem a und â
zu oǝ im Lienzer Becken und im unteren Iseltal [Hornung, Osttirol 25.]
etwa in gloǝs für Glas, foǝta für Vater findet sich
in Gottschee wieder in noch geschlossenerer Form des Vokals: gluǝžrar
Glaserer, vuǝtar Vater. Das zweite höchst auffällige lautliche
Merkmal ist die Entwicklung von mhd. ë zu a; in Obertilliach
in dem Spottspruch belegt: gišnǫχts gilakχt und givraßt
biǝs raχt išt gewan, gišmorgans tǫatr im štǫlle gilāgn
[Hornung, Osttirol, Kartenteil.] (abends geleckt und gefressen wie es recht ist gewesen, morgens tot im
Stall gelegen – die traurige Geschichte einer Kuh). Das Pendant in Gottschee
ist vrassn für fressen, lakχn für lecken, gebān
für gewesen usw. Eine derartige Lautentwicklung findet man erst wieder im
Schlesischen, was frühere Gottscheer Heimatforscher zu entsprechenden falschen
Schlüssen führte. In meiner Mundartkunde Osttirols habe ich wiederholt auch
wortschatzmäßig auf die von Osttirol aus besiedelten Sprachinseln Pladen /
Sappada und Zahre / Sauris sowie auf Gottschee Bezug genommen; dies
insbesondere im Kartenteil. Dabei ergaben sich immer wieder Deckungen,
abwechselnd zwischen dem Pustertal und Gottschee, wie bei tanke für ‘link’
(Karte 9), Mütte für den ‘Backtrog’ (Karte 19) vormaßen für
‘frühstücken’ für das Pustertal mit dem Defereggen (Karte 21) gegenüber fruostücken
im Lienzer Becken und Iselgebiet, Jause für das Mittagessen um
Obertilliach mit Jäuse (jaiže) in Gottschee (Karte 22), Kilberle
für das weibliche Jungschaf im Pustertal und dem ganzen westlichen Osttirol und
in Gottschee gegenüber Lampitze in der Osthälfte
Osttirols (Karte 27), Wiespaum ist im Pustertal und
Innervillgraten übereinstimmend mit Gottschee, während im Norden und Osten
Osttirols dafür Heubaum (hāpām) gilt (Karte
31). Für die Fensteröffnung der Heuschupfe sagt man Line im Lienzer
Becken und im unteren Iseltal gemeinsam mit Gottschee (Karte 5), während Lucke,
Loie (Liehe) die übrigen Gebiete Osttirols beherrschen (Karte 5).
Was die Entsprechung für Wiederkäuen betrifft, finden sich itraχtn, itriχtn
u.ä. im größten Teil Osttirols, während das Pustertal dem moderneren inkeuen
(inkχoin) zugehört (Karte 11). Für das ‘Mutterschaf’ teilt sich
das ganze Iselgebiet mit Gottschee in Frisching, während Kals und das
Virgental Häuptlein (hāple) bevorzugen, das
Pustertal aber wieder das modernere Görre (Karte 17) gebraucht. Was
die ‘Heinzelbank’ anlangt, findet sich Raifpank im Lienzer Becken mit
Kals aber auch Innervillgraten gegenüber Raifštuol in Gottschee, Hainzelpank
gilt im Norden Osttirols und Schnitzpank im Defereggen und im
Pustertal (Karte 18). Für die ‘Hagebutte’ hat Kals gleich drei Wörter Hundspere,
Naunitze und Presól, aus allen drei einstigen
Sprachen des Ortes, während Gottschee mit Arschfülle einen Anklang ans
Lienzer Becken mit seinem Arschmärterer aufweist (Karte
20). Wieder mit dem Lienzer Becken vereinigt sich die Gottscheer Bezeichnung Ainitze
für die ‘Gabeldeichsel’ gegenüber Ämpse im Norden und Osten
Osttirols (Karte 23). Letzten Endes zeigt es sich aber, dass zumeist die ältere
Bezeichnung aus den Osttiroler Synonymen mit Gottschee einheitlich ist, etwa
bei Atte für Vater, das sich im Virgen und Defereggen sowie im
oberen Iseltal findet, entsprechend dem gottscheerischen Atte. Das Kalser
Wort Tate erscheint schon moderner und natürlich das
pustertalische Fōtǫ ‘Vater’ (Karte 29). Dasselbe gilt für Amme
‘Mutter’ im Westen Osttirols, dem das gottscheerische Ammö folgt, während
das kalserische Mame schon erneuert wirkt und natürlich das pustertalische Muitǫ
ganz modern ist (Karte 30). Insgesamt lässt sich auf dieser Basis keine
einheitliche räumliche Zuordnung zu Osttirol feststellen.
Walter Tschinkel hat eine Anzahl von sogenannten
Gottscheer Leitwörtern erstellt, die wir im gesamten Gebiet des angenommenen
Herkunftsraumes – nicht nur in Osttirol, sondern auch in Oberkärnten, also auch
im Mölltal, im Lesachtal und im Gailtal sowie im oberen Drautal, gemeinsam
zwischen 1965 und 1975 abgefragt haben.
Die Vorstellung, zwischen gewissen Gebieten innerhalb der
großen Sprachinsel Gottschee, die ja wieder verschiedene Untermundarten kannte,
und den Herkunftsgebieten einen direkten Zusammenhang aufzufinden, hat sich
nicht verifizieren lassen. Die Herkunft von Gottscheern bestimmter Orte aus
gewissen Gebieten des Heimatbereiches konnte also nicht aufgezeigt werden. Die
Vermischung war zu groß.
Ich möchte aber doch einen Teil dieser sogenannten Leitwörter
mit ihren Entsprechungen im Binnenland vorführen. Manches davon wird vielleicht
auch für den durch Prof. H. D. Pohl in Bearbeitung befindlichen Kärntner
Sprachatlas von Interesse sein.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen im Gottscheerischen
die an bestimmte kollektivierende Substantiva angefügten Suffixe wie in mǫχχaid,
mǫχχöd,
mǫχχade
für in Schweinefett eingegossene Fleischstücke (zwecks Konservierung) [Tschinkel, Gottsch. Wb. 1, 34.],
dazu vergleichbar ist bei Lexer, Kärnt. Wb. 183 màchez, màcháde = mǫχχade
‘eingepökeltes Fleisch’ und in Pladen mǫχχate ‘in Fett
eingelegte Gewürze’, aber auch ‘Ertrag an Butter und Käse’ [Hornung, Pladen 308.].
Es kann hier nicht auf die in den verschiedenen Gottscheer Einzelmundarten
entstandene Vielheit dieser lautlich unterschiedlichen Suffixe eingegangen
werden.
Sehr bemerkenswert ist in Gottschee auch das an Rufnamen
angehängte -ate (-atǝ), z.B. in dem Satz: Inžer’s
Jöžatǝ
nimmǝt dǫs Ürššatǝ (Unser Josef nimmt die Ursula).
Dem entspricht im Pustertal -ato für männliche Personen und -ata
für weibliche: Frantßato (Franz); aber auch kitšata (Gitsche)
für Mädchen überhaupt. [Hornung, Osttirol 110.]
Tschinkels Liste beginnt mit trištrǖgǝ
‘Tischtruhe, Tischlade’, wobei das r aus dem Wortinneren auf den Anlaut
assimilierend gewirkt hat. Diese Lautentfaltung findet sich teilweise auch in
Pladen als trištrūge [Hornung,
Pladen 438.], aber auch als trištl in Innervillgraten.
Tschinkels Kennwort žint für ‘Sinn’ aus mhd. sin
(aber auch gemischt mit sint ‘Weg’, Kluge 673) findet
sein Gegenstück in pladnerisch zint [Hornung,
Osttirol 123.] ‘Sinn, Temperament’ und im Pustertaler Familiennamen Sind.
Tschinkels Leitwort uǝnin und unin
‘ohne’ hat sein Gegenstück im Pustertal als ûnan – etwa in ûnan
gelte ‘ohne Geld’ [Schatz,
Tir.Wb. 1, 25.]. Tschinkels őblitslain [ő = langes ö] ‘gekochte,
kleine weiße Rüben’ hat sein Pendant im Defereggental als oublitßn [Hornung, Osttirol 77.]
aus slow. oblica im Iseltal [Hornung,
Osttirol 159.] und im unteren Pustertal. [Schatz, Tir.Wb. 2, 460.] Es wird aber auch ohne
nähere Ortsangabe bei Lexer im Kärntner Wb. angeführt (S. 209).
Tschinkels Kennwort maut ‘Malter’, eine ‘Holzmulde
zum Tragen, Backen und Ausschwingen’ hat im Binnenland vor allem Gegenstücke,
die auf spätahd. muoltra aus ahd. mulctra zurückgehen, also in
einem Ablautsverhältnis uo/a stehen. In Pladen entspricht
muiltr
[Hornung,
Pladen 326.] und das Dem. miltrle, wobei das Genus zwischen dem alten Fem. und dem
Mask., das offenbar durch die Endung auf -er provoziert wird, schwankt.
Schmeller (2, 192) erwähnt das zimbr. multera. Hier ist offenbar
Gottschee eigene Wege gegangen.
Ein sehr bemerkenswertes Wort ist das gottscheerische borrǝ [Tschinkel,
Gottsch. Wb. 2, 457.] für ‘Gerstenkorn am Augenlid’ sowie
für den ‘gefleckten Salamander’ und für eine ‘deformierte Zwetschke’. Ihm
entspricht im Bairisch-Österr. verbreitet Werre als węarn
und ähnl. einerseits für das Gerstenkorn am Auge, aber auch für die
Maulwurfsgrille. Sie gilt im Volksglauben als ein Zaubertier und als Verursacherin
des Blutgeschwürs. Im Spätahd. und im Mhd. finden sich Glossenbelege wie wern,
die den e-Formen entsprechen [Vgl.
Grimm 29, 442 und Schmeller 2, 1002.]. Die Gottscheer a-Formen
wie borrǝ haben aber ein Pendant in zimbr. barro
und in tirol. wǫrre [Schatz,
Tir.Wb. 2, 689.], das aus verschiedenen Gegenden, speziell aber aus dem
Defereggen und aus dem Pustertal belegt ist. Die Beziehung zu lat. varix
‘Krampfader’ ist nicht zu übersehen.
Nach Lexers Kärntischem Wb. (198) ist das Maskulinum Nock
und Ock die ‘höchste Kuppe eines Berges’, weshalb dann viele
Bergnamen wie Ochsennock, Sattelnock dieses Appellativ enthalten. Auch im
Gottscheerischen ist nökh eine ‘sanfte Bergkuppe’ und
zugleich ein Teil von Bergnamen, wie Windischdorfer Nock, Kofler
Nock usw. Tschinkels Schlussfolgerung, dass auch ein Herkunftsbezug
zum Kärntner Nockgebiet gegeben sei, lässt sich jedoch nicht ohne weiteres
verifizieren, da Nock nach Schatz Tir.Wb. (2, 454) auch in Tirol für
Bergkuppe verbreitet ist, so z.B. im Defereggen. Als Flurname stellte ich es in
Kartitsch fest: Nöckel, mdal. af nekkχlan und als Bergname
in der Nähe von Villgraten. Man kann also nicht unbedingt auch eine Herkunft
von Gottscheern aus dem Kärntner Nockgebiet ableiten, zumal die meisten anderen
Kennwörter auf westlichere Gebiete, insbesondere auf das Pustertal, hinweisen.
Die Gottscheer Lautung gǝtank für
‘link(s)’ gegenüber der im Binnenbairischen am meisten verbreiteten Lautung tenk
findet in Osttirol, wie ich schon ausführte, ein Gegenstück im Pustertal mit
Tilliach, Kartitsch und Villgraten (vgl. Hornung Karte 9). In Kärnten sind nur
Lautungen mit tenke für dieses alte bair. Kennwort belegt, das mit ital. zanco
verwandt und auf got. þankus zurückzuführen ist [Vgl.
Kranzmayer, Bairische Kennwörter, Wien 1960, passim].
Das Gottscheer Wort Rokkl, Rukkl, Rakkl – von
Tschinkel mit dem Lemma Raggel versehen – für eine ‘Heutrockenstange
(mit Aststummeln)’, die aufrecht in den Boden gerammt wird, findet Verbreitung
in Osttirol in Kartitsch und Tilliach als Rockler (Raggler), ferner
in Pladen als rǫkkl und im Kärntner Lesachtal (Lexer, Kä.Wb. 203),
also wieder in einem eng umgrenzten Herkunftsraum..
Das Gottscheer Wort gǝpīdn, gǝpīdnait
u.ä. für den ‘obersten Boden im Stadel’ steht im Gottscheerischen ganz isoliert
da. Tschinkel verweist darauf, dass es im Binnenland keine Gegenstücke gäbe.
Meine Karte 7 ‘oberster Stadelboden’ hat für Osttirol eine Reihe von Synonymen:
Pirl
(Pürl),
weit verbreitet in der nördlichen Landeshälfte, im Pustertal Firststadel,
Priegel,
Püne,
Oberstadel und Schieße (das sich in Pladen
wiederfindet). Gepüdne ist im Kärntner Wörterbuch nicht verzeichnet, auch nicht
im Zarzer Wörterbuch. Interessanterweise taucht es jedoch in einigen
altertümlichen Mundarten des Burgenlandes auf, für eine ‘hölzerne Decke’ in
ländlichen Häusern im Pinkatal und in Moschendorf. Es handelt sich um eine
Kollektivbildung zu Boden, die man als Gebüdene
anzusetzen hat [Wörterbuch der bair. Mda. in Österreich, Bd.
3, 1308 f.].
Es ist sehr fraglich, ob sich im bair.-österr. Binnenland
noch ein Gegenstück zu dem Gottscheer Wort finden lässt, da das WBÖ keine
weiteren Belege bietet.
Sehr isoliert ist auch gottsch. hirtle, das als Hirtlein
anzusetzen ist, für die ‘Bachstelze’, ein Wort, das selten abgefragt wurde und
wird. Es hat ein Gegenstück in dem in Tirol, z.B. im Pustertal, belegten Wort Hardelle
für die ‘Bachstelze’. Dieses ist im Ahd. als hardella belegt und
soll nach H. Suolahti, Die deutschen Vogelnamen (1909), 92,
eine Ableitung zu hart ‘Wald’ sein. Tschinkel führt
verschiedene Verballhornungen an, unter anderem Herdendallerle, Herrengallele.
Das Hirtlein dürfte sich aus der Nähe zu mhd. hertære
‘Hirte’ ergeben haben, das auch im Gottscheerischen wie im Lesachtal hartar
lautet sowie pustertalisch als harta, zarzerisch als harte
belegt ist.
Die sogenannte Hardélle müssen wir als Hárterle
mit Betonung auf dem a verstehen. So bleibt es fraglich,
ob überhaupt dar Wortstamm hart ‘Wald’ vorliegt oder einfach
die pustertalische Lautung harta für ‘Hirte’.
Gottscheerisch prāmštol, prānštol
‘Bremsenstall, Rastplatz für das Vieh auf der Weide’ zeigt wieder eine a-Lautung
für mhd. e. Das in Tirol und Kärnten weit verbreitete Premštol
ist in Tilliach und im Ahrntal (Schatz, Tir.Wb. 107) als Pramštol belegt.
Als Synonyma nennt Tschinkel ligaide ‘Ligede’, šteanünge
‘Stenunge’ und roštaide ‘Rastede’.
Diese wenigen Beispiele zeigen die enge Orientierung des
Gottscheerischen an das Pustertal und die ihm nahestehende westliche Hälfte
Osttirols – insbesondere das Defereggen und das Virgental, letztlich auch in
Verbindung mit dem Lienzer Becken, das in gewissem Sinne eine Fortsetzung des
Pustertales ist, während das obere Iseltal mit Kals und der Osthälfte des
Landes eine andere Orientierung zeigt. Osttirol als eine Sprachlandschaft
zwischen tirolischen und kärntnerischen Gestaltungsweisen ist ein markanter
Brennpunkt von Sprachberührungszonen. Die Gottscheer Mundarten sollten, vor
allem seit dem Tode Tschinkels und letzlich schon seit der Ausweisung der
Gottscheer Siedler aus ihren unterkrainischen Siedlungsgebieten, im
Zusammenhang der österreichischen Dialektforschung weiterhin Beachtung finden.
Auf die Qualität der o-Laute in Osttirol konnte hier
nicht eingegangen werden; die offenen o-Laute sind meist nur halboffen
und nähern sich teilweise den geschlossenen.
Literatur:
Jakob u. Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854 – 1954 (Grimm)
Maria Hornung, Mundartkunde Osttirols, Wien 1964 (Hornung,
Osttirol) [darauf beziehen sich auch die im Text zitierten Karten]
Maria Hornung, Wörterbuch der deutschen Sprachinselmundart von Pladen
/ Sappada in Karnien (Italien). Pladner Wörterbuch – Glossario Sappadino, Wien
1995 (Hornung, Pladen)
Matthias Lexer, Kärntisches Wörterbuch, Leipzig 1862 (Lexer, Kärnt.
Wb.)
Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Leipzig 1872 f.
Josef Schatz, Wörterbuch der Tiroler Mundarten, Innsbruck 1955-56
(Schatz, Tir. Wb.)
Johann Andreas Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, Stuttgart 1827-37
(Schmeller)
Walter Tschinkel, Wörterbuch der Gottscheer Mundart, Wien 1973-76
(Tschinkel, Gottsch. Wb.)
Wörterbuch der bair. Mundarten in
Österreich, Wien 1963ff. (WBÖ)
&
& &
Rückblick auf die erfolgreiche
Tagung am 20.2.2004:
Sprachinseln im Alpen-Adria-Raum
an
der Universität Klagenfurt, veranstaltet vom
EUROPAHAUS KLAGENFURT
und
vom
INSTITUT FÜR SPRACHWISSENSCHAFT
UND COMPUTERLINGUISTIK
Fr.,
20.2.2004, Universität, Unterrichtsraum
z-109
Nachdem
das Institut für Sprachwissenschaft und
Computerlinguistik bereits mehrere namenkundliche Tagungen, die den
Alpen-Adria-Raum betreffen (v.a. die seit 1986 jährlich stattfindenden Kalser
Namenkundlichen Symposien, s. http://members.chello.at/heinz.pohl/Tagung_Kals.htm), organisiert
hat, haben wir nun gemeinsam mit dem EUROPA-HAUS
Klagenfurt in die Klagenfurter Universität
zu einem eintägigen Sprachinsel-Symposium eingeladen.
Presseberichte
siehe unter Bericht1 und Bericht2
sowie Bericht3.
Donnerstag, 19.2.2004
Anreise der Referenten, Abendessen
Freitag, 20.2.2004:
09.00 Uhr Begrüßung und Eröffnung, Vorträge
VORTRAGSFOLGE:
9.00 Uhr |
Eröffnung
|
9.30 Uhr |
POHL, Heinz Dieter (Klagenfurt): Sprachen und Sprachinseln im
südalpinen Raum — ein Überblick Wortlaut des Vortrages (URL) siehe bitte oben! |
10.00 Uhr |
GEYER, Inge (Wien): Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Sprachinseln
in Oberitalien und ihre Auswirkung auf die Sprache der Bewohner in den
Sprachinseln. |
10.30 Uhr |
Pause
|
11.00 Uhr |
DENISON, Norman (Graz): Beschreibung der sprachlichen
Wirklichkeit: Grundsätzliche und praktische Darstellungsprobleme unter bes.
Berücksichtigung der Zahre / Sauris |
11.30 Uhr |
ROWLEY, Anthony R. (München): Die ‘Mòcheni’. Eine deutsche
Sprachinsel (Fersental) im Trentino |
12.30 Uhr |
Gemeinsames Mittagessen
|
14.30 Uhr |
Kren, Ludwig (Maria Rain): Was bleibt?
Sprache als Band „Göttscheabarisch redn — tsü Gött dan Hearn sprachn“ Statt
(wegen Absage) CVETKO OREšNIK, Varja (Ljubljana): Bemerkungen zu den
Darstellungen der Gottscheer Mundart in Slowenien |
15.00 Uhr |
HELLER, Karin (Innsbruck): Medien
als Stärkungsmittel für Sprachinseln |
15.30 Uhr |
Pause
|
16.00 Uhr |
HORNUNG, Maria (Wien): Osttirol als Heimat von Sprachinseln Wortlaut
des Vortrages siehe bitte oben! |
16.30 Uhr |
TYROLLER, Hans (Innsbruck / Eichenau, Bayern): Das Zimbrische. Sprache
oder Dialekt |
17.00 Uhr |
ODWARKA, Karl (Lienz): Eine erloschene
romanische Sprachinsel – Kals am Großglockner |
Mit Unterstützung durch
Bundesministerium für
Bildung, Wissenschaft und Kultur
Land Kärnten
Landeshauptstadt Klagenfurt
Hypo-Alpe-Adria-Bank AG.
zurück zum Beginn:
http://www.uni-klu.ac.at/groups/spw/oenf/
Weitere Sprachinsel-Informationen unter: http://www.sprachinselverein.at/ger/index.htm
sowie Österreichisches Sprachinselmuseum:
A-1180 Wien, Semperstraße 29; E-Mail: info@sprachinselverein.at (nur gegen
Anmeldung)
sowie
http://www.generell.de/cimbri/
sowie http://www.czucka.de/Zimbrisch/zimbrisch.html
sowie
http://www.taicinvriaul.org
(= „Deutsch in
Friaul“; derzeit nur Tischelwang / Timau)
sowie
http://www.gottschee.at
zu meiner privaten Homepage: http://members.chello.at/heinz.pohl/Startseite.htm